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A. G. v. Suttner.
sechs Tagen dorr El Obeid ab. Auch Ismail Pascha, der Hokmndar, welcher von Fascher nach Dara ging, soll nächster Tage hier ankommen. —
Der englische Afritaforscher Lueas, der mit zwei transportablen Feinten nnd vielem Gelde hier am 7. Februar nnkam, will aus eigene Rechnung über den Albert - Nyanza nach dem Lnalabo gehen, um über diesen Fluß nach der Westküste zu gelange». Lneas hat hier eine kleine Compagnie von 10 Mann Dongolaui engagirt. welche er mili- tairisch ausgerüstet, und die ihn als Leibgarde ans seiner großen Reise begleiten sollen. — Er exer- cirt seine Mannschaft täglich reglementsmäßig ein. Vor einigen Tagen ließ er seine kleine Truppe mit den Waffen in der Hand durch die Stadt ins Freie Hinalts marschiren, um dort auf offnem Felde nach der Scheibe zu schießen. Das fand der Pascha (Chalid) anstößig, und er hat diese Leute allesammt in der Straße anffangen und in Arrest setzen lassen, mit Ketten an Händen und Füßen. Lneas reclamirte seine Leute; der Pascha refüsirte; Lueas sagte, er werde telegraphiren; der Pascha entgegnete: »Mkoll«. — In dieser aufgeregten Stimmung beiderseits ließ mich der Pascha zu sich bitten, wobei er mir von der Angelegenheit sprach, welche mich selbstverständlich nichts äugelst; aber der Pascha betonte ausdrücklich, daß er mich nur zu Rathe ziehe, worauf es mir möglich wurde, die Sache dahin zu schlichten, daß die Mannschaft frei- gegeben wurde. Damit wäre die Sache eigentlich erledigt, aber Lueas hat neuerdings telegraphirt, nnd nun haben sich die Beiden —- Lueas nnd Chalid — persönlich miteinander abzusinden. Es ist und bleibt eine unliebsame Sache, wenn ein ganz nnschuldiger reisender Europäer, der alles mit Baargeld bezahlt, vom Repräsentanten des Vice- königs mit den Worten aus dem Divan herausgeschoben wird: »1Nn86lli j:i. iwi st Kolb!« —
Den beigefügten Brief bitte ich Herrn Marno zukommen zu lassen. Es ist ein Schreiben Gordons darin, worin derselbe kategorisch die bewußten 500 Thaler verlangt. An mich schreibt Gordon sehr höflich und sogar entschuldigend, daß er mir „aus Mißverständnis;" Unannehmlichkeiten bereitet habe. Marno wird nun während seiner Anwesenheit in Cairo eine ebenso peremtorische Antwort — was ich sehr wünschte — an den Colonel gelangen lassen, worüber er sich in Cairo auseinanderznsetzen Gelegenheit haben wird. Hansal.
Nachtrag. — Soeben höre ich, daß Herr Gessi neuerdings in seinen Dienst in Dufile installirt wurde, um dort das Dampsboot zu montiren, und dann, wie es früher bestimmt war, in den See einzufahren und diesen zu visitiren. Man sieht, alle Anstalten Gordons sind consus, in dieser Stunde so, in der nächsten Stunde anders.
Auf die Anfrage des Herrn Lueas erwiderte Gordon indirect, d. h. unter einer andern Adresse, daß Niemand in der Provinz des weißen Flusses reisen dürfe und daß er für Niemanden hierzu Erlaubnis; gebe. Daraufhin telegraphirte Lueas nach Cairo um allerhöchste Erlaubniß zur Fortsetzung seines Profectes. Da nun Gordon nicht erlaubt, daß Lneas in seine Provinz eintrete, so wandte sich Herr Lueas schriftlich an den hiesigen Pascha mit der Bitte nm Genehmigung, über den Bahr el Ghasal seine Reise fortsetzcn zu dürfen. Der Pascha antwortete, daß er eine solche Reise nicht gestatten tonne.
Lneas sitzt nun da, ohne zu wissen, wohin er sich nach so vielen Spesen tuenden soll. Man hätte meinen dürfen, daß unter der „eivilisatorischen" Herrschaft Aegyptens die innerafrikanischen Länder für Jedermann offen nnd zugänglich seien, namentlich für die wissenschaftlichen Forscher; aber wir erleben das gerade Gegentheil. So ist es Marno ergangen und ebenso ergeht es Herrn Lueas.
Chartum, 4. Mai 1876. — Das war ein festlicher Tag, der 30. April, wie dergleichen seit dem Ursprünge der Stadt Chartum noch nicht dagewesen! Die ganze Einwohnerschaft war ans den Beinen. Das Ufer des blauen Flusses, von Ras el Chartum bis zum Statthaltereigebäude (eine Strecke von einer halben Stunde) war so dicht mit Menschen besetzt, daß man kein Steinchen werfen konnte. Die Stadt war im geschmeidigsten Gewände: alle Straßen und Plätze waren überladen mit mannigfachen Zierrathen: Fahnen, Transparente, Dekorationen, Inschriften, Lampen, Flam- beaux, Embleme, Wappenschilder, Triumphbögen, Gnirlanden, Blumen, Palmenzweige w.
Warum diese allgemeine außerordentliche Ans- stafsirung der Stadt und dieser Massenauflauf der ganzen Bevölkerung? — Der Hokmndar von Sudan und Mit-Triumphator von Darfur, Ismail Pascha Ajub, hielt nach zweijähriger Abwesenheit seinen Einzug in Chartum!
Auf der ganzen Flußlinie jubelte das Volk dem Dampfer zu, auf welchem der General-Gouverneur in den Hafen einfuhr. Als der Pascha vor dem Regierungspalaste an's Land stieg, steigerte sich der Volksjubel, die Musik intonirtc die ägyptische Hymne und die Kanonen donnerten über die breite Fläche des Flusses dahin. — Am Ufer wurde seine Exeellenz von allen Honoratioren empfangen und begrüßt und in den großen Empfangssaal geleitet, wo die Vorstellung aller officiellen Brauchen und partikularen Corporationen stattfand, während die Musik im Vorhose verschiedene Piecen im europäischen Genre exeeutirte. — Der Pascha trug über der goldreichen Uniform das große Band