Heft 
(1.1.2019) 03
Seite
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Theodor Fontane.

Denn wenn ich die Rechnung mache, so Hab' ich wohl ein Dutzend Arten durchgekostet."

Und die schönsten waren?"

In Deutschland, meine gnädigste Frau, die Felchen im Bodensee (man muß Markgräfler dazu trinken), und in Italien die Maränen aus dem Lago di Bolsena . . . Die bedingungslos schönsten aber Hab' ich erst ganz vor Kurzem in meiner Heimat, will sagen in der schottischen Heimat meiner Familie kennen gelernt."

Und das waren?"

Lachsforellen aus dem Kinroß-See. Maria Stuart saß da gefangen, in einem alten Douglas- Schlosse mitten im See, und wenn sie während dieser Gefangenschaststage, neben der Liebe von Willy Douglas, eines beiläufig illegitimen, also doppelt verführerischen Sohnes des Hauses, irgend etwas getröstet haben kann, so müssen es die Lachsforellen gewesen sein."

Und doch," unterbrach hier der Emeritus, wag' ich die Behauptung, daß das, was unser Harz und speziell unsre Bode bietet, ihre Lachs­forellen im . ."

Im Kinroß-See."

Im Kinroß-See also, um ein Beträchtliches überbietet. Nicht aus dem Gebiete der Lachsforelle, nicht Forelle gegen Forelle, wohl aber. ."

Nun?"

Wohl aber Schmerle gegen Forelle."

Schmerle?" wiederholte Cscile.Was ist das? Kennen Sie Schmerlen, Herr von Gordon?"

O gewiß. Ich entsinne mich ihrer aus mei­nen Kindertagen her, und bei meiner Anlage zur Gourmandise könnt' ich mich allenfalls entschließen, eine Kunst- und Entdeckungsreise zu machen, um das gelobte Land der Schmerlen kennen zu lernen. Ist es weit?"

Nur wenige Stunden."

Und nennt sich?"

Altenbrak; ein großes Dorf an der Bode. Wenn Sie die Partie machen wollen, so haben Sie die Wahl zwischen einem Thalweg unten und einem Hochweg oben. Am meisten aber empfiehlt sich's wie gewöhnlich, das Eine zu thun und das Andre nicht zu lassen, oder mit andren Worten über die Berge hin den Hinweg und an der Bode hin den Rückweg zu machen. Der eine Weg würde Sie bei Jagdschloß Todtenrode, der andre bei Treseburg vorübersühren. Eine sehr empsehlenswerthePartie."

Der Sie sich vielleicht anschließen, mein Herr Emeritus, um uns Führer und Berather zu sein."

Mit vielem Vergnügen," fuhr dieser fort. Und um so lieber, als mir dadurch Gelegenheit wird, einen Manu wieder zu sehen, der auf's Glücklichste Humor mit Charakter und Naivität mit Lebensklugheit verbindet."

Und wer ist dieser Glückliche?"

Der Altenbraker Präceptor."

Und dieser Titel bedeutet?"

Zunächst nichts weiter, als was er besagt, einen Lehrer also. Doch ist nicht jeder Lehrer ein Präceptor. Die Nomination des meinigen (er ist bereits ein hoher Siebziger) stammt noch aus einer Zeit her, wo man den Dorsschulmeistern, wenig­stens in unsrer Brnunschweiger Gegend und wenn im Dorfe der Pfarrer fehlte, den Extra-Titel eines Präceptors beilegte. Damit war dann angedeutet, daß der Betreffende von einer gewissen höheren Ordnung und sowohl berechtigt wie verpflichtet sei, Sonntag für Sonntag der Gemeinde das Evan­gelium oder auch ciue Predigt aus einem Predigtbnche vorzulesen."

Cocile, die bis dahin mit der Redseligkeit des über Schmerlen und Schulmeister-Originale sich verbreitenden alten Emeritus uur wenig einver­standen gewesen war, wurde jetzt plötzlich aufmerk­sam, denn ein in ihrer Natur liegender mystisch­religiöser Zug, den die Lektüre von Erbauungs­und namentlich Erweckungsgeschichten noch erheblich gesteigert hatte, ließ sie jedesmal aufhorchen, wenn gewisse Stichworte fielen, die Conventikliges oder Sektirerisches in Aussicht stellten. In vorderster Reihe standen natürlich die Mormonen, und wenn sich auch im gegenwärtigen Augenblicke so Gutes und Interessantes kaum erhoffen ließ, so sagte sie doch über den Tisch hin:Und ein solcher Prä­ceptor befindet sich in dem Schmerlendorfe?"

Ja, meine gnädigste Frau. Nur steht zu be­dauern, daß der ehemalige Präceptor nicht mehr Präceptor ist, vielmehr sein Amt niedergelegt hat. Noch dazu gegen den Wunsch seiner kirchlichen Be­hörde."

So waren es seine hohen Jahre, was den Allsschlag gab?"

Auch das nicht, meine gnädigste Frau. Das, was den Ausschlag gab, war sein Gewissen."

Aber aus einem Manne, wie Sie den Alten geschildert, kann doch kein böses Gewissen gesprochen haben?"

In gewissem Sinne doch."

O da bin ich neugierig. Ist es eine Sache, die sich erzählen läßt?"

Unbedingt. Und ich erzähle sie gern, weil sie meinen Altenbraker Freund in einem schönen Lichte zeigt. Ich sprach von seinem bösen Gewissen und mit Recht. Denn das, was wir ein böses Gewissen nennen, ist ja immer ein gutes Gewissen. Es ist das Gute, was sich in uns erhebt und uns bei uns selber verklagt."

Cscile sah ihn groß an. Aber sie gewahrte bald, daß es absichtslos gesprochen war, und so nickte sie nur freundlich und sagte:Nun denn."