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Novelle von Theodor Fontane.
(Fortsetzung.)
ber," fuhr Gordou fort, „da kommen Forellen, meine gnädigste Fran. Das ist denn doch wichtig genng, nur unsre Streitfrage wenigstens momentan ruhen zu taffen. Darf ich Ihnen dieses Prachtexemplar vorlegen? Und zugleich etwas Butter von diesem merkwürdigen Bnttervogel hier, hier auf der zweiten Schüssel, gelber als gelb und mit zwei Pfefferkornaugen! O, sehen Sie, grotesk bis zum Gruseligen. Zu den schlimmsten Ausschreitungen erregter Künstler-Phantasie gehören doch immer die der Conditoren und Köche."
„Was ich mich zuzugestehen gedrungen fühle," sagte der Langhaarige mit stark wissenschaftlicher Betonung. „Aber, so Sie gestatten, zugleich unter Constatirnng gelegentlicher Ausnahmen. Das deutsche Märchen, über dessen Abstammung zu sprechen uns hier zu weit führen würde . . . Darf ich mich Ihnen vorstellen? Eginhard Aus dem Grunde . . . das deutsche Märchen kennt von ältester Zeit her ein ideales Pfefferkuchenhaus, ein Pfefferkuchenhaus nur in der Idee. Dies steht fest. Ist es nun eine conditorliche Geschmackssünde, so wird sich die Sache vielleicht präcisiren lassen, das leibhaftig vor uns hiuzustellen, was bis dahin nur in unserer Vorstellung lebte? Die Beantwortung dieser Frage will mir keineswegs leicht erscheinen, am wenigsten unanfechtbar, ob sie nun auf »nein« oder »ja« lauten möge. Was mich persönlich angeht, so bekenn' ich offen, daß ich mich herzlich freue, bei Degebrodt
in der Leipziger Straße (dessen Specialität diese Dinge zu sein scheinen; wenigstens entsinne ich mich nicht in den Hildebrandt'schen Läden, auch nicht in der Nalar in der Spandauerstraße, derartigen Hervorbringungen begegnet zu sein) also bei Degebrodt in der Leipziger Straße das bis dahin nur ideale Pfefferkuchenhaus gelegentlich greifbar vor mir gehabt zu haben. Es unterstützt dergleichen die Phantasie, statt sie zu lähmen. Der unsre Zeit und unsre Kunst entstellende Realismus hat seine Gefahren, aber wie mir scheinen will, auch sein Recht und seine Vorzüge."
„Gewiß, gewiß," sagte Gordon. „Ich revo- cire. Wenn man Fisch ißt, darf man ohnehin nicht streiten. Ich habe einen Professor gekannt, der an einer Fischgräte gestorben ist."
„Die Forelle hat keine Gräten."
„Aber Flossen. Und doch jedenfalls die Mittelgräte. Nehmen Sie sich in Acht, Herr Professor."
„Sie legen mir einen Titel zu. ."
„Pardon. Ich war der Meinung . . Uebrigens find' ich diese Harz-Forellen überaus delikat und von einem ganz eigenthümlichen Aroma."
„Forellen sind Forellen."
„Doch nur etwa so, wie Menschen Menschen sind. Weiße, Schwarze, Privatgelehrte haben einen verschiedenen Geschmack, auch vom anthropophagischen Standpunkt aus, und die Forellen desgleichen. Sie schmecken wirklich verschieden. Ich darf es sagen.