Heft 
(1.1.2019) 03
Seite
101
Einzelbild herunterladen

Cecile.

101

Cecile nicht in der Laune war, den ersten Unterricht über Askanierthum auf der Stelle nehmen zu wollen. Sie sah sich vielmehr ängstlich, als ob sich's um eine Hülfstrnppe gehandelt hätte, nach St. Arnaud und Gordon um, die denn auch, den Emeritus in der Mitte, in einiger Entfernung folgten.

Ich bin," empfing sie die Herankommenden, ein gut Theil schneller gegangen, als gewöhnlich und lehrreiche Gespräche haben mir den Weg ge­kürzt. "

Aber während sie diese Worte sprach, hielt sie sich an einer Banklehne und St. Arnaud sah deut­lich, daß sie todtmüde war, gleichviel ob vom Weg oder von der Unterhaltung. Er kam ihr deshalb zu Hülfe und sagte, während er den Privatgelehrten lächelnd musterte:Dein alter Fehler, Cscile! Wenn dich etwas lebhaft interessirt, Gespräch oder Person, überspannst Du Deine Kräfte . . . Die Herren werden verzeihen, wenn wir uns, während Sie den Berg ersteigen, diese Bank hier zu Nutze machen und auf Ihre Rückkehr warten."

Gordon und der Emeritus, beide wahrnehmend, wie's stand, beeilten sich, ihre Zustimmung auszn- drücken, und nur Eginhard, der ans eine Zuhörerin von so viel »seinem Verftändniß« nicht gern ver­zichten wollte, sprach noch allerlei von dem Beleben­den des Doppel-Oxygen, das ersahrungsmäßig in dem Zusammenwirken von Nadel- und Laubholz lüge, von denen das Nadelholz ans der Lindenbergs Höhe sowohl durch I^arix tennikolin wie Sibirien, das Laubholz aber durch Unsren« robnr in wahren Prachtexemplaren vertreten sei. Noch weitere Namen sollten folgen. Gordon indes; coupirte die Rede ziem­lich brüsk und schritt, des Emeritus Arm nehmend, unter einem griechisch-lateinischen Kauderwelsch, in dem Ausdrucke wie Douglasia, Therapeutik und Autopsie beständig wiederkehrten, an Eginhard vor­über, den sanft ansteigenden Schlängelpfad hinauf.

Der Privatgelehrte seinerseits machte gute Miene zum bösen Spiel und folgte.

-I- -l-

St. Arnaud und Cecile hatten sich's mittler­weile bequem gemacht. Die Bank war ziemlich primitiv und bestand aus zwei Steinpfeilern und zwei Brettern, von denen eins als Sitz, das andere als Lehne diente. Haidekraut und Epilobium wuchsen umher und weit vorhängende Tannen­zweige bildeten ein Schutzdach gegen die Sonne. Boncoeur, der sich auch heute wieder angeschlossen hatte, hatte sich neben einem der Steinpfeiler in's Haidekraut gelegt.

Wie schön," sagte Cseile, während ihr Auge die vor ihr ausgebreitete Landschaft überflog.

Und wirklich es war ein Bild voll eigenen Reizes.

Der Abhang, an dem sie saßen, lief, in all­mählicher Schrägung, bis an die durch Wärterbuden und Schlagbäume markirte Bahn, an deren an­derer Seite die rothen Dächer des Dorfes auf­tauchten, nur hier und da von hohen Pappeln über­ragt. Aber noch anmuthiger war das, was diesseits lag: eine Doppelreihe blühender Hagerosenbüsche, die zwischen einem unmittelbar vor ihnen sich ansdehnenden Kleefeld und zwei nach links und rechts hin gelegenen Kornbreiten die Grenze zogen. Von dem Treiben in der Dorsgasse sah man nichts, aber die Brise trug jeden Ton herüber und so hörte man denn abwechselnd die Wagen, die die Bode­brücke passirten und dann wieder das Stampfen einer benachbarten Schneidemühle. Boncoeur hatteden Kopf zwischen den Vorderfüßen und nur dann und wann sah er zu seiner selbstgewählten Herrin auf, als ob er sich wegen seiner Saumseligkeit entschuldigen wolle.

Plötzlich aber sprang er, nicht nur auf, sondern mit ein paar großen Sätzen bis in das Kleefeld hinein, freilich nur, um sich hier sofort wieder auf die Hinterfüße zu setzen und einige Töne, die halb Ge- blaff und halb Gewinsel waren, laut werden zu lassen.

Was ist es?" fragte Cecile, während St. Ar­naud, nach rechts hin, aus einen in Büchsenschuß- Entfernung über den Weg kommenden und im selben Augenblick auch wieder im Unterholz am Bergab­hange verschwindenden Hasen zeigte. Boncoeur, mit seinem Behänge hin und herschlagend, sah dem flüch­tigen Lampe noch eine Weile nach und nahm dann seinen Platz neben der Bank wieder ein.

Schlechter Hund," sagte C6cile, mit ihrer Schuhspitze seinen Kops krauend.

Guter Hund," erwiederte St. Arnaud.Er zieht einfach Deine Liebkosungen einer fruchtlosen Hasenjagd vor. Er ist ritterlich und verständig zu­gleich, was nicht immer zusammenfällt."

Cscile lächelte. Solche Huldigungsworte thaten ihr wohl, auch wenn sie von St. Arnaud kamen. Dann schwiegen Beide wieder und hingen ihren Gedanken nach. Helles, sonnendurchleuchtetes Ge­wölk zog drüben im Blauen an ihnen vorüber und ein Volk weißer Tauben schwebte daran hin oder stieg abwechselnd auf und nieder. Unmittelbar am Abhang aber standen Libellen in der Luft und kleine graue Heuschrecken, die sich in der Morgen­kühle von Feld und Wiese her bis an den Wald­rand gewagt haben mochten, sprangen jetzt, bei sich steigernder Tagesgluth, in die kühlere Kleewiese zurück.

Der Oberst nahm Cöciles Hand und die schöne Frau lehnte sich müd' und auf Augenblicke wie glücklich an seine Schulter.

In solchem Träumen blieb sie, bis plötzlich an der Bahn entlang die Signale gezogen wurden und von Thale her das scharfe Läuten der Abfahrts-