Heft 
(1.1.2019) 03
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Theodor Fontane.

Studien gelten, und es sind denn auch eben diese, die mich neuerdings wieder hierher in den Harz und in der letzten Woche nach dem reizenden Gern­rode (dessen Besuch ich dem Herrn Obersten empfohlen haben möchte) geführt haben, nach Gernrode, das seinen Namen bekanntlich von einem vor-askanischen Mark­grafen herleitet, dem Markgrafen Gero."

Demselben muthmaßlich, der dreißig Wenden­fürsten zu Tische lud, um sie dann zwischen Braten und Dessert abschlachten zu lassen?"

Von eben demselben, mein Herr Oberst. Aus welchem Zwischenfall ich übrigens bitten möchte, nicht allzu nachtheilige Schlüsse ziehen zu wollen. Markgraf Gero war ein Kind seiner Zeit, genau so wie Karl der Große, dem die summarisch ent­haupteten 10,000 Sachsen nie zum Nachtheil ange­rechnet worden sind. Es sind das eben die Männer, die Geschichte machen, die Männer großen Stils, und wer Historie schreiben oder auch nur verstehen will, hat sich in erster Reihe zweier Dinge zu be­fleißigen: er muß Personen und Thaten aus ihrer- Zeit heraus zu begreifen und sich vor Sentimen­talitäten zu hüten wissen."

Gewiß, gewiß," lachte der Oberst.Einver­standen mit allem, wobei mir nur ewig merkwürdig bleibt, daß die durch Natur und Beruf friedliebendsten Leute von der Welt allemal für »Kops-ab« sind, während alle Leute von Fach an dreißig abgeschlach­teten Wendenfürsten doch einigermaßen Anstoß neh­men. Es muß übrigens ein Gesetz in dieser Er­scheinung walten, vielleicht dasselbe, nach dem ganz unbemittelte Personen immer erst geneigt sind, ein Dreißig Millionen-Vermögen als ein Vermögen überhaupt gelten zu lassen."

Unter diesem Gespräche, das sich weiter spann, hatten unsre drei Freunde den Punkt erreicht, wo der Waldweg wieder in den Hanptweg einbog, auf dem, im selben Augenblicke fast, wo sie denselben betraten, ein Hauderer oder Personenwagen, mit dem Anhaltiner Wappen am Wagenschlage, vorüber rollte.

War das nicht der askanische Bär?" fragte St. Armand.

Zn dienen. Und zwar der askanische Bär an einem emeritirten Postwagen aus guter alter Zeit her, wo das Herzogthum Anhalt noch eine selbstständige Postverwaltung hatte. Die nunmehr längst meistbietend versteigerten Wagen lausen nur noch als Hauderer durch's Land und predigen einen Wechsel der Dinge, der mich in meiner Eigenschaft als Deutscher beglückt, in meiner Spezial-Eigen­schaft als zu Haus Anhalt haltender Berliner aber ebenso betrübt wie verletzt. Denn worin hat Berlin den Ursprung und die Wurzel seiner Kraft? Einfach in dem jetzt hinsterbenden Askanierthum, dem es nicht bloß seinen Wappen-Bären, sondern

in gleichem Grade sein Gedeihen und seinen Ruhm verdankt. Und wie lohnt es (ich hatte schon gestern die Ehre, mich gegen die gnädige Frau darüber aussprechen zu können), wie lohnt es diesem As­kanierthum? Wenn ich sage »durch Mißachtung«, so mach' ich mich insoweit noch einer Beschönigung schuldig, als Haus Anhalt einfach einer gewissen Komik verfallen ist, die sich in den traurigsten Berlinismen Luft macht. Urtheilen Sie selbst. Erst vorgestern war es, daß ich in einem diese Frage be­rührenden ernstem Gespräche der ganz nnqualificir- baren Antwort begegnete:Versteht sich, Anhalt- Dessau. Denn wenn wir Dessau nicht hätten, so hätten wir auch nicht den alten Dessauer, und wenn wir den alten Dessauer nicht hätten, so hätten wir auch nicht: «so leben wir!«"

Ah," sagte der Oberst,das waren die zwei Berliner an der Table d'hote. Dergleichen darf man nicht übel nehmen. Die Berliner sind Spaß­macher und gefallen sich in ironischen Bemerkungen und Citaten."

Und treffen dabei meistens den Nagel auf den Kopf," setzte der Emeritus hinzu.Denn Sie werden, mein hochverehrter Herr Eginhard, doch nicht allen Ernstes verlangen, daß wir uns im Zeitalter Otto's von Bismarck auch noch für Otto den Faulen oder gar für Otto den Finner interessi- ren sollen?"

Doch, mein Herr Emeritus. Zu den schönsten Zierden deutscher Nation zähl' ich Loyalität gegen das noch lebende Fürstengeschlecht und unwandelbare Pietät gegen die, die bereits vom Schauplatz abge­treten sind."

Eine Forderung, mein hochverehrter Herr Aus dem Grunde, die sich leichter stellen als erfüllen läßt. Andauernde Treue gegen das Alte macht die Treue gegen das Neue nahezu zur Unmöglichkeit; aber unmöglich oder nicht, es ist jedenfalls ein gefähr­liches Evangelium, das Sie da predigen. Denn was Albrecht dem Bären recht ist, ist Heinrich dem Löwen billig, und doch möcht' ich Ihnen nicht an­empfehlen, Ihrem unentwegten Enthusiasmus für emeritirte Postkutschen (Sie selbst geruhten diesen Ausdruck zu gebrauchen) von Haus Anhalt auf das Haus Wels übertragen zu wollen. Es giebt eben leichte und schwere Pietäten, und die letztem sind nicht Jedermanns Sache, was auch kaum anders sein kann. Und um schließlich aus diesem heiklen Gebiet auch noch ein Wort von mir selber zu sagen, so bin ich fester Braunschweiger trotz einem. Aber wenn heute mein Herzog stirbt und morgen »der Preuß'« uns annectirt, so bin ich übermorgen loyaler Preuße. Nur keine Prinzipienreiterei, mein hochverehrter Herr Aus dem Grunde. »Das Wort sie sollen lassen stahn«, das ist Recht und Ord­nung, dafür bin ich, das ist Gewissenssache. Für