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Theodor Fontane.
Cecile nickte zustimmend und unter einem herzlichen »NU rovoir« warf sie das Thier herum und lenkte, von Gordon gefolgt, aus den breiten Fahrweg ein, in dessen Schatten der Junge zurückgeblieben war.
„Haben wir noch weit bis zum Präceptor?"
„Noch eine Viertelstunde."
„Gut denn."
Und man setzte sich wieder in Trab.
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Wirklich, es war noch eine Viertelstunde, denn das Haus, das der Alte bewohnte, lag an der entgegengesetzten Seite von Altenbrak. Aber so lang der Weg war und so ruhebedürftig Cöcile sich fühlte, dennoch sprach sie kein Wort von Ermüdung, weil das Bild, das die Dorfstraße gewährte, sie beständig interessirte. Links hin lagen die Häuser und Hütten in der malerischen Einfassung ihrer Gärten, während nach rechts hin, am jenseitigen User der Bode, der Hochwald anstieg, auf dessen Lichtungen das Vieh weidete. Das Geläut der Glocken tönte herüber und dazwischen klang das Rauschen des über Kieselgeröll hinschäumenden Flusses.
So ging es das Dorf entlang, an Stegen und Brücken vorbei, bis endlich da, wo die Schlucht sich wieder weitete, der Eseljunge nach einem in Mittelhöhe des Felsens eingebauten Häusercomplex hinaufwies, daran in Riesenbnchstaben auf weißem Schilde stand: »Gasthaus zum Rodenstein«.
„Hier wohnt der Präceptor."
Und so hielt man denn.
Und während der Junge die Esel in einem unteren Stallranm unterbrachte, stiegen Gordon und Cocile die Stufen hinan, die zu dem „ Roden - steiner" hinaufsührten.
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Aus der obersten Stufe stand bereits St. Ar- naud und empfing die Spätlinge mit vieler Freundlichkeit, aber doch zugleich auch mit einem Anfluge von Spott. „Die Herrschaften," hob er an, scheinen ans einen Wettlauf mit dem braunschweigischen Roß, beziehungsweise dem Manischen Bären verzichtet zu haben. Zu meinem lebhaften Bedauern. Im Uebrigen Hab' ich aus der mir auferlegten Entbehrung das Beste zu machen gesucht, weshalb ich in diesem Augenblicke nicht nur Albrecht den Bären, sondern auch den Markgrafen Waldemar s o genau kenne, daß ich keinem Müllergesellen, und wenn es Jakob Rehbock in Person wäre, rathen möchte, mich hinter's Licht führen zu wollen. Freilich, ob Herrn von Gordon an einer derartigen Wissensznfuhr in gleicher Weise gelegen gewesen wäre, muß dahin gestellt bleiben, — hinsichtlich meiner theuren Cocile verbürg' ich mich für das Gegentheil. Und nun an die Gewehre! Zehn Minuten haben ausgereicht, mich mit dem Rodensteiner
bekannt zu machen und ich dürste danach, Sie Beide dem trefflichen Alten vorzustellen. Unser Freund Eginhard ist zwar eben über ihn her und hat, wenn ich recht gehört habe, vor fünf Minuten den ganzen Markgrafen Otto mit dem Pfeil auf die Sehne seiner Beredsamkeit gelegt. Aber ich hoffe, der Pfeil fliegt schon. Und so denn schnell, eh' er zum zweiten Male spannt."
Unter diesem Geplauder überschritten alle Drei die Schwelle des Gasthauses und traten, nach Pas- sirnng einiger winkliger und ziemlich verräucherter Stuben, auf einen halb Veranda- halb balkonartigen Vorbau hinaus, dessen weitvorspringendes Schutzdach in Front auf drei Holzpfeilern ruhte. Nach der Rückseite hin aber lag dasselbe Schutzdach auf einer indigoblauen Wand, an der entlang ein großer, immer mit Essig und Oel und leider auch mit Mostrichbüchsen besetzter Eßtisch stand. In Mitte desselben erblickte man Eginhard und den Emeritus in allerlebhastestem Gespräche mit einem Dritten, welcher Dritte Niemand anders als der Schloßherr aller dieser Dominien sein konnte: der Präceptor Rvdenstein. Und so war es denn auch.
„Erlauben Sie mir, mein hochverehrter Herr Präceptor," Ihnen meine Frau vorzustellen. Und hier Herrn von Gordon. Die Tagesaufgabe Beider war augenscheinlich, das Unausreichende cavalleristi- scher Leistungsfähigkeit auf's Neue zu beweisen und die Superiorität der alten Garde zu Fuß."
Der Präceptor hatte sich von seinem Stuhl erhoben und hieß Cacile willkommen. Eine zweite Verbeugung galt Gordon. Er stützte sich, all' die Zeit über, auf ein Weichselrohr mit Elfenbeingriff und gab, als er sich gleich danach wieder an den Eßtisch lehnte (das Stehen wurd' ihm schwer), eine bequeme Gelegenheit, ihn in seiner ganzen Erscheinung zu mustern. Er konnte füglich als der Typus eines knorrigen Niedersachsen, eines in Eichenholz geschnitzten Westphalen gelten und vernahm denn auch nichts lieber, als »daß er einen Waldeck- Kops habe.« Wirklich ließ sich von einer solchen Ähnlichkeit sprechen. Ein Fall, den er vor Jahr und Tag gethan, machte, daß er seitdem eines Stockes bedurfte, sonst aber war er verhältnißmäßig jung geblieben und glich, in der Fülle seines krausen Haares, darin sich nur wenig Grau mischte, mehr einem Fünfziger als einem hohen Siebziger, der er doch war. Sein Bestes aber war sein Organ und man begriff völlig, daß er mit dieser seiner Stimme 40 Jahre lang die Altenbraker zusammengehalten und ihnen durch Epistel- und Bibelvorlesung von der Kanzel her, den Prediger ersetzt hatte.
Cscile fühlte sich sofort angezogen durch seine Persönlichkeit und sprach ihm unbefangen und liebenswürdig aus, wie sehr sie sich freue, seine Bekanntschaft zu machen. Der Herr Emeritus, in