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A. G. v. Suttner.
wir doch nicht. Na es ist vorüber und mein Reisejournal um einige Seiten reicher: drei verschiedene Routen habe ich jetzt in Uganda gemacht, und ich darf mit Stolz sagen, für das Gebiet südlich von 2 Grad N. B. bin ich wohl der kompetenteste Kenner. Ich bin von Mtesi freundlich ausgenommen worden, und denke nun für einige Zeit hier zu studiren und zu sammeln, bis sich Gelegenheit zur Weiterreise bietet. Meine Sammlungen mehren sich stündlich und ich glaube der Khedive hat nie eine ähnliche ethnologische Sammlung zusammengebracht. Auch meine zoologischen Privatsammlungeu, Spinnen, Landcouchylien, Sämereien schreiten fleißig fort, und wer sie bekömmt, kann schon zufrieden sein. In diesen Tagen geht es hoffentlich nach dem Victoria- See, wo ich ein Paar Tage schießen und sammeln will. Komme ich zurück, so will ich meine Weiterreise nach Karagua und Ruhanda betreiben. Ich sende mein Reisejvurnal nebst Karte von Mruli nach hier zur Veröffentlichung an Dr. Petermann und bitte Sie ganz ergebenst, ihm dasselbe in möglichst sicherer Weise, vielleicht im Cousulatswege zukommen zu lassen. Es wäre Schade, gingen die ganzen hygrometrischen Beobachtungen verloren, da ich die Originale gesandt und keine Copie besitze. Morgen früh geht's nach dem Südende des Victoria- Sees. Hurrah!"
Es gehört schon ein gutes Stück Math und Selbstentsagung dazu, um auf dem in jeder Beziehung armseligen Posten eines österreichischen Viceconsuls ein Viertel Menschenleben hindurch auszuharren; wenn aber dieser Posten Chartum heißt, — wenn man in Erwägung zieht, daß es einer dreißigtügigen Reise bedarf, um von diesem Wüstenexil nach einem halbwegs civilisirten Ort, wie Kairo, zu gelangen, und daß man absolut darauf gefaßt sein muß, geistig und körperlich unter dieser halb- und ganzwilden Gesellschaft von Türken, Copten, Aegyptern, Syriern, Berberinern, Nubiern und Vollblutnegern zu verkommen, so verdient ein solcher Mann wohl mehr Bewunderung, als sein glücklicherer — und deshalb auch angesehenerer — Berufsgenosse, der Ministerresident, der, an irgend einem europäischen Hofe aecreditirt und auch dotirt, der Wissenschaft so gut wie gar keine, — dem Staate oft nur sehr mittelmäßige Dienste leistet, und die verhältnißmäßig leichte Pflicht hat, Dinge zu rapportiren, die gemeiniglich nicht von universeller Wichtigkeit sind, — standesgemäß, — d. h. gut — zu leben und sich nichts zu versagen, damit das Ansehen des Landes, das er vertritt, in jeder Beziehung gewahrt werde!
Solche Gedanken kommen Einem unwillkürlich, wenn man zwischen den Individuen einer und derselben Gattung, oder Klasse, Parallelen zieht, . . . doch leider, — es ist schon einmal so aus der
Welt, daß noch so manches auf dem Kopfe steht!
— Das Verhältuiß zwischen Lohn und Leistung ist ein noch immer nicht richtig gelöstes Problem,
— denn wie käme es sonst, daß der Bahnwächter und der Lokomotivführer, von deren Achtsamkeit das Leben und Wohlsein Tausender abhängen, am Hungertuche nagen, während der Direktor der Compagnie von Austern und Champagner lebt? — Fern sei es von mir, daß ich hier etwa Revolution predigen und Vorschlägen wollte, die Lohnverhältnisse umzukehren, . . . aber dem Einen etwas weniger, dem Anderen etwas mehr, das könnte wohl nicht schaden, und wäre wahrlich gerechter. — Im Verhältuiß des Bahnwächters zum Director steht ungefähr der Viceconsul zum Gesandten und bevollmächtigten Minister, — und vielleicht ist der Kleinvertreter seines Staates sogar noch etwas schlimmer daran, als sein Leidensgenosse von der Eisenbahn, indem dieser wenigstens unter Menschen lebt und verkehrt, während jener, wenn ihn das Schicksal nach irgend einem einsamen Wüstenposten weht, so gut wie lebendig begraben, — für einen Theil seines Lebens, oder auch für immer verschollen ist. — Das war auch das Loos des armen Hansal, der trotz seiner Dienste, die er in vielfacher Weise der Wissenschaft leistete, nur geringe Anerkennung derselben fand,
— denn sonst untre er wohl kaum Deceuuieu hindurch in Chartum sitzen geblieben, um dort auf so traurige Art zu enden.
Die Stadt Chartum, der Mittelpunkt und Hauptplatz des Contiuentalhandels im ägyptischen Sudan, steht in vollkommen ebener Gegend aus einer durch den Zusammenfluß zweier schiffbarer Ströme*) gebildeten Insel. Die Gründung der Stadt fällt auf das Jahr 1823 zurück, in welchem die Türken nach der Eroberung des Sudan das dort stehende kleine Dorf in eine Stadt verwandelten. Der Ort gewann bald durch seine günstige Lage am Zusammenfluß zweier bedeutender Wasserstraßen an Bedeutung, da man hierher alles schaffte, was in den südöstlichen, südlichen nnd südwestlichen Provinzen erzeugt und gewonnen wurde, wie Gummi arabicum, Simsim,**) Durrah,***) Baumwolle, Straußsederu, Wachs, Tamarinden und Elfenbein.
Der Hauptgewinn aber fiel bei dem Sklavenhandel ab, der bis zur Ankunft Baker Paschas, die spezielle Einnahmsquelle des Sudan bildete.
Zugestanden nun, daß dieser Handel eine menschenunwürdige Sache ist, nnd von der Erde ganz verschwinden muß, so wollte man die Angelegenheit doch etwas gar zu schnell über das Knie brechen, ohne zu bedenken, daß zur augenblicklichen
*) Der Bahr el abiad (Weißer Fluß, weißer Nil) und der Bahr el asrak (Blauer Fluß, blauer Nil).
**) Kesairiurn orientale.
***l Sorghum.