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August Silberstein.
Thal und in die Ferne über alle Gipfel und Wipfel gerufen hatte.
Das Geläute von Grußkirchen war wirklich schön. Es bekam einen Ruf. Es bildete namentlich als Neuheit den Stolz des Ortes und man merkte auf feine Töne vorerst noch viel mehr, als es später, wie bei allem Beginnenden, der Fall sein konnte.
Daß Leute anr Sonntage herankamen, eifriger als zuvor, gerade wegen des „schönen Geläutes", darf nicht erst gesagt werden. Es bestand bei Manchem ein heimlicher Wunsch — vor dem er sich doch im Stillen bekreuzte — zu wissen, wie sie „anfchlagt", das heißt „Feuer!" . . . „Sturm!"
— Der Pfarrer hatte das von der Kanzel schrecklich gemalt, und hatte gewarnt und gesegnet, daß es lange Jahre nicht geschehe. Wenn aber . . . dann soll sie ein Mahnruf sein . . . und so weiter! Die Feuerwehr horchte sehr zu. im Innern besonders bewegt.
Die Feuerwehr und die Glocke, das waren aber so sehr zwei im Gespräche zusammengehörige, fast unzertrennliche, dauernde Anlässe, daß viel Wasser darüber verfloß, noch mehr aber Wein und Bier.
Der Meßner bemerkte nur, daß seit der Glocke und der Feuerwehr seine Landl weit öfter zu einer Freundin ging, deren Scheiben gerade auf das Spritzenhaus gerichtet waren und da genau alle Exercitieu besah, wobei besonders der Hauptmann
— jedesmal mit einem auszeichneuden Merkmale an sich — und da er auch beim Militair gedient hatte, mit Abrichtungen geschäftig zu thun hatte.
Und eines Tages hatte er — gerade in Abwesenheit des Meßners — die „vorschriftsmäßig" gebotenen Löscheimer unter'm Kirchendache, getreu seinem Berufe, nachzuzählen. Landl mußte die Schlüssel nehmen, öffnen, und nach längerer Zeit fand er endlich, daß einer fehlte. Diesen mußte ein Feuerwehrmann bei früheren Untersuchungen des Daches oder beim Glockenaufziehen — ganz unabsichtlich oder irrthümlich — mit ins Spritzenhaus genommen haben. Er begab sich also ins Gemeinde- Spritzenhaus und lud Landl ein, auch dahin in weiterm Verfolgen der Angelegenheit mitzukommen.
Es war bereits Feierabend, halbdämmerig und Niemand in dem Zeughause für Flammenlöschen und Brand-Ersticken als der Steiger, eine Art Unteroffizier der Feuerwehr, und also nebst ihm nunmehr auch der Hauptmann. Jener aber stieg bald frei zwischen deui Gezeuge herum, während sich der Hauptmann in einer dämmerigen Ecke befand, immer mit Landl dem Eimer nachsorschend. — Und als ganz unversehens der Meßner hinzutrat, huschte eine weibliche Gestalt wie ein Blitzstrahl oder wenigstens wie ein ausgespritzter Wasserstrahl davon — und das schien ihm seine Tochter. Sie waAs. Er er
kannte das sehr Wohl, und der Herr Hauptmann, welcher allerlei Erörterungen begann, war doch dabei so verlegen und entbehrte der höheren Würde, als wäre er blos Einer von denen, die nur zum Pumpen verwendbar.
Der Meßner und Vater hielt daheim eine furchtbare Strafpredigt. Er hörte sich sogar gerne predigen. Er meinte immer, er hätte es nur um's Studium versäumt. Wenn er daran gekommen wäre, so gäbe es in aller Weite und Breite keinen Kanzelredner, der es ihm zuvor thun könnte. Er hätte es den Leuten, den Alten und Jungen, der ganzen bösartigen Welt ordentlich gesagt! Heute war er aber nur der letzte Diener Gottes, und da er nirgends frei zu reden hatte, so that er es daheim, und Landl hörte Grundvers und Texte und Abtheilungen, die nichts zu wünschen übrig ließen. Er nahm sie auch ordentlich ins Gebet, sprach sehr anzüglich im Hinblicke aus das Feuer der Hölle und war überhaupt als Vater seiner Hausgemeinde sehr strafend, erzürnt und wachsam.
Was er gesagt, braucht keineswegs genauer angedeutet, noch weniger wiederholt zu werden. Der Grundvers lautete: Der Alois ist ein „Hallodri", (Schelm) ein Mädchenjäger, deAs vom Militair her gewohnt, und sein ebenso frommer wie reicher Vater ein strenger Mann, der die reiche Braut schon lange im Sinne und im Warten hat!
Also alle dumme Liebhaberei und das Sich-an- den-Hals-wersen sei vergeblich, sündhaft, teuflisch, Höllengesüge, und er wolle ebenso Gott bitten, wie der Landl mit aller nachdrücklichen Strenge auftragen, daß sie ihr verblendetes Auge und Herz nicht dem Alois Wiesbichler zuwende, sondern daß sie es der gütigen Fürsehung noch wieder anheimstelle, wer ihr, in Ehrbarkeit, nach Stand und Vermögen, als Zukünftiger beschieden sein möge und werde.
In allen Fällen kenne sie seine Strenge, sei erzürn Aeußersten entschlossen — und damit Punktum!
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Feierliche Stille breitete sich über Dorf und Thal. Die Grillen zirpten, die Vögel sangen ihre frühe Abendandacht. Sie mahnten, wie die Uhr, den Diener der Kirche und Besorger der Glocke zum Läuten des „Ave!"
Als aber er, der sich heute ein wenig festlich herausgeputzt hatte, gerade nach den Schlüsseln griff und zum Fenster hinaus, genau nach der Uhr am Glockenthurme sah, da bemerkte er an einer Ecke, wie verstohlen, den feuerfesten Alois Wiesbichler herumspazieren, vielmehr herumschleichen.
Ah! wieder drohende Feuer-Inspektion! sagte sich der besorgte Vater. Der Loisl weiß, daß ich