Heft 
(1.1.2019) 03
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August Silberstein. Die Glocke von Grußkircheu.

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damit Punktum!" So strenge, als wenn er die Kirchenthüre unerbittlich schloß, Niemand mehr hineinließ, und den Schlüssel im Schlosse drehte Punktum!

Vielleicht war es die Frömmigkeit, welche die beiden Häuser, das des Meßners und des Wies- bichler's in nähere Verbindung oder vielmehr in eine gewisse Anziehung brachte. Allerdings die Alten. Denn der alte Wiesbichler stand beim feier­lichen Akte gleich vornean, nachbarlich, als der Vor­nehmste des Dorfes, denn er hatte extra fünfund­zwanzig Gulden in blanken Silberstücken hergegeben für die Glocke, daß diese nach seinem besten Willen eingeschmolzen werden mögen ins Metall, und da­mit die Glocke sodann einen schönen Klang habe.

Er hatte also sein Bestes für das Ganze gethan. Und sein Sohn, der Feuerwehrhauptmann, bedauerte nur, daß man zu all dieser Pracht nicht auch noch die Feuerspritze aufführen und in Bewegung bringen könne. Die Steigleitern waren da und lehnten weiß und roth angestrichen an der Kirchthurm- maner, bis znm breiten Fenster oben, wo die Glocke hinein mußte.

Endlich war alle Feierlichkeit beendet und die Leute zerstreuten sich. Es war an einem Samstag­nachmittage und morgen am Sonntage sollte die Glocke zum erstenmale zur Kirche, zum erstenmale beim Gottesdienste läuten. Und der Pfarrer ging heim, vom Meßner begleitet. Eine ansehnliche Schar der andern Leute ging ins Wirthshaus und eine Anzahl der Feuerwehrleute sammt dem Haupt­mann blieben da, um bei dem Geschäfte des Auf­ziehens der Glocke zu helfen, denn eine Art Krahn mit seinen Rollen und Stricken streckte sich hoch am Thurmgesimse heraus. Ein Arbeiter der Glocken­gießerei war auch da und lenkte die Leute bei der Mithilfe. Der Hanptmann hatte mehr das Zusehen als die Arbeit, aber er that freiwillig sein Bestes und war sehr geschäftig.

Landl blieb, wie schier festgebannt, aus dem Platze. Sie stand im gutmüthigen Erstaunen, in der Theilnahme an allen Dingen und Vorgängen und Personen, ein wenig mit offenem Munde aus dem Platze und guckte . . . guckte.

Da kam plötzlich und wie unversehens der Vater Meßner wieder, stand gleichsam aus dem Boden gewachsen hinter seiner Tochter und ries ihr zu:Hast an's Heimgehen vergessen, Landl? Mach' Du Feuer daheim auf dein Herd .... und die Hausglocken wartet auf Dich!"

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Sollte man meinen, daß bei allem frommen Sinn und bei allem Frohmuthe, welchen der Besitz der Glocke in Grußkirchen hervorgebracht, doch beim Durstlöschen in dem Gemeindewirthshause die Frage

entstand: wieviel Eimer sie Wohl fassen möge? Es gab Köpfe, die sich irgend ein hohles Gesäß nicht ohne Flüssigkeits-Jnhalts-Berechnung vorstellen konnten, und daß dies zuerst mit Bier oder Wein in Verbindung gebracht war, versteht sich von selbst. Einige thaten ihre Kundigkeit sofort mit festen Ziffern hervor, die Andern widersprachen. In der Hitze des Gefechtes gab es sogar angebotene Wetten der Gegner. Aber sie konnten ja nicht klar werden. Wäre die Glocke nicht schon geweiht und sogar schon in der Schwebe über den Köpfen gewesen, sie wären mit Zollstab und Aichmaß herbeigekommen und hätten es genau nach Eimern und Krügen aus­gerechnet. Es blieb noch zuletzt die Appellation an den Meßner, aber dieser wies empört jede der­artige Zumuthung zurück und sagte, er wolle den Thurm vor solch' weltlichen Eindringlingen so ver­schließen, wie der heilige Petrus die Himmelsthür vor jedem Sünder und Ketzer!

Dies wahrte nur das Ansehen für einen so strengen und unbeugsamen Manu, obwohl man nicht allseits mit ihm einverstanden war. Und damit hatte die Sache noch kein Ende. Denn man sing an, über Glockengießerei und Glockenmetall zu sprechen, und da kamen die seltsamsten Dinge zum Vorschein. Der Eine meinte, man könne nur Kanonen dazu brauchen. Der Andere wußte es ganz genau, daß pures Gold darinnen sein müsse. Der Dritte be- maß das Silber dafür hatte ja auch der Wies­bichler das Seine gethan. Und noch ein Anderer lachte Alle aus, die da meinten, irgend etwas außer Kupfer und Zinn komme zum Schmelzen.

Der Arbeiter wurde herbeigerufen, stark traktirt und dann gefragt. Dieser trank zuerst so viel wie möglich und sagte zuletzt das Ganze sei ein Geheimniß. Es richte sich auch je nach dem Preise der Glocke. Er zog sich damit in seiner Unwissen­heit blos aus der Schlinge und noch schwerer ans dem Glase, denn er war nur Fuhrmann und Haus­knecht, that blos hier so groß und zechte um so besser auf Kosten der Darbietenden.

Ein andermal brach ein Meinungsunterschied darüber aus, ob die Glocke zuerst gegossen und dann auf einer Art großen Drechselbankabgedreht" worden; oder ob sie nur geseilt und geglättet sei. Für das erstere schienen Ringe und schnurartige Streife rings stark zu sprechen. Dann gings dar­über los, ob sie nicht in zwei Hälften gegossen und nur zusammengelöthet oder oben und unten anfeinandergearbeitet sei wie derHelm" hinein­gekommen, gegossen, getrieben, gelöthet kurz Jeder wußte sein eigenes Kunststück und überwand alle Räthsel aus seine Weise, während der Wirth schon viele Eimer mehr als zuvor ausgeschänkt hatte und während die Glocke schon lange hing und sogar ihr herzschmelzendes Getöne weit ins