Novelle von Moritz
I.
ie Saison des Bades Lorbcck neigte sich ihrem Ende entgegen. Man schrieb einen der letzten Augusttage. Mißmuthig schleuderte der Assessor von Hagen durch die verödeten Anlagen, ärgerlich über seinen Arzt, der ihn nach Lorbeck geschickt und über seinen Präsidenten, der ihm so spät Urlaub ertheilt hatte. Er wollte zwar von den Strapazen der Arbeit ausruhen, wollte keinen lärmenden Bade-Carneval feiern und noch weniger irgend ein Paar Modeschönheiten den Hof machen. Aber er wollte mit ein paar vernünftigen Männern und vielleicht auch schönen Frauen ab und zu ein anregendes Wort wechseln. Aus seinem Programm war Langeweile ausgeschlossen, und Horst von Hagen langweilte sich. Mit einem leisen Anflug von Neid sah er ein junges Paar auf einer Bank am Wege sitzen, und sich, wie es schien, sehr lebhaft und angeregt unterhalten. Der junge Mann hielt die Hand der Dame in der seinen und hatte sich so dicht zu ihr gebeugt, daß sein blonder Schnurrbart fast ihre dunklen Stirnlvcken berührte. Bei Hägens Näherkommen rückte das Paar offenbar erschreckt auseinander.
Dieser ging discret eilig vorüber, aber er hatte doch bemerkt, daß der junge Herr dort ihm merkwürdig bekannt vorkam und er dachte während des Heimweges darüber nach, woher er ihn kenne, ohne es ausfindig machen zu können.
Am nächsten Tage begegnete er dem Paare wieder. Die beiden Männer sahen einander an, es war als wollten beide stehen bleiben, aber die junge Dame schritt eilig weiter und ihr Begleiter folgte ihr, ohne weiter Notiz von Horst zu nehmen.
II. 2.
Von Reiltzrnbartz.
„Jetzt weiß ich, wer Du bist," dachte Horst, dem Paare verstohlen nachblickend, — „ist das aber ein Pech! In dieser Einöde hier trifft man endlich einen Bekannten — da ist derselbe aber offenbar so mit Süßholzraspeln beschäftigt, daß er einen nicht kennen will! Das war ja der kleine Karl Hersall — er war freilich Fuchs und ich war schon ein bemoostes Haupt bei den Heidelberger Vandalen, als wir dort zusammen poculirten — aber wir waren doch gute Freunde und haben lustige Zeiten zusammen verlebt. Und sie, wer mag sie sein? Sehr hübsch ist sie jedenfalls. Ich will doch gleich die Kurliste studiren, wenn ich in's Bad komme."
Er schlug den Rückweg ein und ging, um denselben zu verkürzen, durch ein kleines, ziemlich dichtes Gehölz, welches sich hinter der Colonnade der Verkaufsläden hinzog.
Da glaubte er plötzlich bei einer Biegung des Weges wiederum Karl Hersall vor sich zu sehen, aber diesmal trug seine Begleiterin eine halb ländliche Tracht und hatte blonde Zöpfe. Die Unterhaltung wurde auch lauter geführt als die vorige.
„Ach was, ein Kuß und eine Rose, das gehört zusammen," rief der junge Mann, den der Assessor für Karl Hersall hielt. „Die Rose habe ich gekauft, den Kuß will ich nun geschenkt haben."
In diesem Augenblick knackte ein trockner Zweig, auf den der Assessor getreten war.
„Jesus Maria!" schrie das Mädchen auf und lief, ohne sich weiter umzusehen, in der Richtung der Colonnade davon. Horst sah sich jetzt den jungen Mann näher an, doch dieser drückte den Hut tiefer ilüs Gesicht und ging mit großen Schritten davon.
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