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wie sie's schon unmittelbar nach dem Tode des alten Fürsten beabsichtigt hatte, zu Mutter und Geschwistern zurück, von denen sie sich mit Jubel empfangen sah. Eine verhältnißmäßig glänzende Wohnung wurde genommen und in dieser Wohnung war es, daß St. Arnaud, zwei Jahre später, die still und zurückgezogen lebende Cscile (damals noch katholisch) kennen lernte. Sie soll inzwischen übergetreten sein; einer euerer beliebtesten Hofprediger wird dabei genannt.
„Da hast Du die St. Arnaud-Geschichte, hinsichtlich deren ich Dich nur noch herzlich und inständig bitten möchte, von Deiner durchgängerischen Gewohnheit ausnahmsweise mal Massen und das Kind nicht gleich mit dem Bade verschütten zu wollen. Als Leslie-Gordon kennst Du natürlich Deinen Schiller und wälzst hoffentlich mit ihm, als ob es sich um Wallenstein in Person handelte, die größere Schuldhälfte »den unglückseligen Gestirnen« zu. Wirklich, mein Lieber, an solchen unglückseligen Gestirnen hat es im Leben dieser schönen Frau nicht gefehlt. Ihre frühesten Jugendsahre haben alles an ihr versäumt und wenn es auch nicht unglückliche Jahre waren (vielleicht im Gegentheil), so waren es doch nicht Jahre, die feste Fundamente legen und Grundsätze befestigen konnten. Eva Lewinski, die, wie Du Dich vielleicht entsinnst, lange bei den Hohenlohes in Oberschlesien war und ihre Kinderjahre mit Cocile verlebt hat, hat mir versprochen, alles aufzuschreiben, was sie von jener Zeit her weiß. Ich schließe diesen Brief erst, wenn ich Eva's Zeilen habe . . . Diesen Augenblick kommen sie. Lebewohl. Elsy ist in Görlitz bei der Großtante, daher kein Gruß von ihr. In herzlicher Liebe
Deine
Clothilde.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Gordon war in der höchsten Erregung. Einzelnes, was er in der Charlottenburger Villa, gleich nach seinem Eintreffen in Berlin, und dann gestern wieder aus dem Munde des alten Generals gehört hatte, hatte freilich nicht viel Gutes in Sicht gestellt, aber dieser Schlag ging doch über das Erwartete hinaus. Fürstengeliebte, Favoritin in änxlo, Erbschastsstück von Onkel auf Neffe! Und dazwischen der Kammerherr, — ein Schatten, der sich schließlich gesträubt hatte, sich zum Ehemann zu verdichten.
Er warf den Brief fort und erhob sich, um in hastigen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen. Dann aber trat er an das zweite, bis dahin geschlossene Fenster und riß auch hier beide Flügel auf, denn es war ihm, als ob er ersticken solle.
Der eingelegte Zettel von Eva Lewinski (nur
ein halber eng-bekritzelter Briefbogen) war auf den Teppich gefallen. Er nahm ihn jetzt wieder auf und sagte: „Besser alles in einem. Lieber die ganze Dosis auf einmal als tropsenweis. Und wer weiß, vielleicht ist auch etwas von Trost und Linderung darin."
Und er setzte sich wieder und las.
„An alles Andre, meine liebe Clothilde, hätll ich eher gedacht, als daran, daß ich noch einmal in die Lage kommen könnte, von der Familie Zacha zu plaudern. Und zu Dir! Nun, wir waren Nachbarn, und so lange der alte Zacha lebte, der übrigens nicht alt war, ein mittlerer Vierziger, ging es hoch her. Er war ein Betriebsdirector bei den Hohenlohes, verstand nichts und that nichts (was noch ein Glück war), gab aber die besten Frühstücke. Cavalier, schöner Mann und Anekdoteu- erzähler, war er allgemein beliebt, freilich noch mehr verschuldet, trotzdem er ein hohes Gehalt hatte. Plötzlich starb er, was man so sterben nennt; die Verlegenheiten waren zu groß geworden. Das »Wie« seines Todes wurde vertuscht.
„Ich sehe noch die Frau von Zacha, wie sie dem Sarge folgte, tief in Trauer und angestaunt von der gesammten Männerwelt. Denn Frau v. Z., damals erst dreißig, war noch schöner als Cscile. Diese mochte zwölf sein, als der Vater starb, aber sie wirkte schon wie eine Dame, darauf hielt die Mutter, die wohl von Anfang an ihre Pläne mit ihr hatte. Verwöhntes Kind, aber träumerisch und märchenhaft, so daß Jeder, der sie sah, sie für eine Fee in Trauer halten mußte.
Kurz nach dem Tode des Vaters ging es. Die junge Herzogin aus Schloß Räuden, die sich für die schöne Wittwe mit ihren drei Kindern interessirte, gab und half. Aber die Wirtschaft war zu toll und so zog sie zuletzt ihre Hand von den Zacha's ab. Alles was diesen blieb, beschränkte sich aus eine kleine Pension. An Erziehung war nicht zu denken. Frau von Zacha lachte, wenn sie hörte, daß ihre Töchter doch etwas lernen müßten. Sie selbst hatte sich dessen entschlagen und sich trotzdem sehr wohl gefühlt, bis zum Hinscheiden ihres Mannes gewiß und nachher kaum minder. Es stand fest für sie, daß eine junge schöne Dame nur dazu da sei, zu gefallen und zu diesem Zwecke sei wenig wissen besser als viel. Und so lernten sie nichts.
Oft mußten wir lachen über den Grad von Nichtbildung, worin Mutter und Töchter wetteiferten. Alle Quartal kam ihre Pension. Dann gaben sie Festlichkeiten und schafften neue Rüschen und Bänder an, auch wohl Kleider, aber immer noch Trauerkleider, weil die Mutter wußte, daß ihr schwarz am besten stände. Vielleicht auch, weil sie gehört hatte, daß Königin-Wittwen die Trauer nie ablegen.
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