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Theodor Fontone.
jedenfalls männlicher vertheidigt und höchst wahrscheinlich gerettet haben würde."
Bald daraus wurde die Tafel aufgehoben und als sich, nach abermals einer Minute, die gesammte Herrenwelt, mit Ausnahme des bei den Damen verbliebenen St. Arnand, in das Rauchzimmer zurückgezogen hatte, nahm v. Rostow — der vor gerade 30 Jahren, als Hauptmann im Alexander- Regiment , einen schwachbesuchten Casino-Vortrag über den „ 2 . December" gehalten hatte — noch einmal in der St. Arnand-Frage das Wort und fugte, während er den dritten ihm präsentirten Chartrense mit einer an Grazie grenzenden Raschheit niederstürzte: „Was übrigens, mein werther
Herr v. Gordon, Ihre Gegenüberstellung oder meinetwegen auch Ihre Parallele betrifft, nun ja, der damalige St. Arnand und der gegenwärtige, sie lasten sich, wenn's sein muß, vergleichen und so viel concedir' ich Ihnen ohne Weiteres, daß mit dem unseren auch schlecht Kirschenpflücken ist. Auch der unsere, wenn ich ihn recht beurtheile, hat ein tiefes Ueberzeugtsein von der Gleichgültigkeit des Einzel-Individuums und daß er das sau liebt, wie sein berühmterer Namensvetter, werden Sie muthmaßlich ebenfalls wissen. Aber der napoleo- nische, der Anno 51 die ganze Geschichte gemacht hat, war ihm denn doch um Einiges über. Ein Deubelskerl sag' ich Ihnen. Und dabei Lion oouuuk- il-tllut. Unsere schöne Cocile läßt sich denn auch, was Sie freilich nicht wissen konnten, in Anbetracht all dieser Umstände nicht gern an die Namensvetterschaft erinnern; St. Arnaud selbst aber ist stolz darauf. Und kann auch. Wenn wir unruhige Zeiten kriegen, und man kann nie wissen, so wächst er sich vielleicht noch in was hinein. Talent hat er. Sehen Sie nur das Faunengesicht, mit dem er zu dem ar- rondirten kleinen Fräulein spricht. Malerin, nicht wahr? Wie heißt sie doch?"
„Fräulein Rosa Hexel."
„Mit einem x?"
„Ja, Herr General."
„Na, das paßt ja. Nur keine Spielverderberei. Da kommt übrigens das Tablett noch 'mal. Chartreuse. Den kann ich Ihnen empfehlen."
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Um 9 Uhr brach man auf. Alles drängte sich im Corridor und Cscile fragte die Malerin, ob der Diener eine Droschke holen solle? Rosa dankte aber, Herr von Gordon werde sie bis an den Platz begleiten und dort finde sie Pferdebahn.
Unten bot ihr Gordon denn auch den Arm und sagte: „Wirklich nur bis an den Platz? Und nur bis an die Pferdebahn?"
„O nicht doch," lachte Rosa. „Was Sie nur denken! So leicht kommen Sie nicht davon. Sie
müssen mich bis nach Hause bringen, Engel-Ufer, und ich schenke Ihnen keinen Schritt. Aber sahen Sie nicht die Gesichter, als ich blos Ihren Namen nannte? Der Geheimrath hob den Kopf, wie wenn er eine Fährte suche. Man muß es den Schandmäulern nicht zu leicht machen. Und das sind sie sammt und sonders, die ganze Gesellschaft."
„Ich fürchte, daß Sie Recht haben. Aber doch alles in allem nicht übel, nicht dumm."
„Nein, nicht dumm."
„Und auch nicht uninteressant."
„Nein, auch nicht uninteressant. Und au touä doch wieder. Es sieht alles nach was aus und klingt leidlich. Aber was ist es am Ende? Chro- nique scandaleuse, Malicen, Absetzen einiger Bitterkeiten. Und dann hat jeder sein elendes Steckenpferd. Der Klügste bleibt immer St. Arnaud selbst, er steht drüber und lacht. Aber dieser alte General! Ich verstehe nichts von Politik und noch weniger von Armee, wer mir aber ernsthaft versichern will, daß ein kluger General Müller allemal eine Landes- calamität und neben einen Hampel von Hampelshausen nie zu nennen sei, wer mir das ernsthaft versichern will, mit dem bin ich fertig, und wenn ich ihn trotzalledem interessant finden soll, so bin ich dazu zwar bereit, aber frag' mich nur nicht wie."
„Schau, schau, Fräulein Rosa, das sprüht ja wie ein pol ü tun."
„Der ich auch bin. Und wenn ich nun gar erst von diesem Geheimrath rede, da sprüh' ich nicht blos, da zisch' ich wie eine Schlange, versteht sich Feuerwerksschlange."
„Und doch war vieles richtig, was er sagte."
„Vielleicht; vielleicht auch nicht. Ich versteh' nichts davon. Aber unehrlich war es jedenfalls. Er ist ein schlechter Kerl, frivol, cpnisch, und kein Frauenzimmer, und wenn es die kensche Susanne wäre, kann eine Minute lang mit ihm zusammen sein, ohne sich einer Unpastendheit ausgesetzt zu sehen. Er versteht unter »protestantischer Freiheit« die Freiheiten/die er sich nimmt, und deren sind viele, jedenfalls genug. Sein ganzer Liberalismus ist Li- bertinage, weiter nichts. Ein wahres Glück, daß man ihn bei Seite geschoben hat. Er schreibt jetzt, natürlich pseudonym, an einer neuen Broschüre. Daß er unterhaltlich ist, will ich nicht bestreiten, aber St. Arnaud könnte 'was Besseres thun, als ihn auszuzeichnen und ihn neben unsere schöne Cacile zu setzen. Ich hoffe, sie duldet ihn nur. Aber auch das ist schon zuviel. Er sollte zum Islam übertreten und Afrikareisender werden. Da gehört er hin. Und irgend so 'was passirt ihm auch noch."
Gordon lachte. „Bravo, Fräulein Rosa. Fehlt von den Gästen eigentlich nur noch die Snatterlöw."
„lieber die zu sprechen ich mich hüten werde. Haben Sie doch, mein werther Herr v. Gordon, in