Ara« Ava.
Novelle von Moritz von Kentzrnvaltz.
(Fortsetzung.)
ehen Sie, ich liebe stille und blasse Frauen nicht und kam: nicht behaupten, daß Tante Eva mir sympathisch wäre — aber leid thut sie mir trotzdem. Sie ist doch immerhin die Wittwe und Universal-Erbin meines Onkels und könnte als solche einige Selbstständigkeit beanspruchen. Statt dessen hat sich die Stiefmutter bei ihr eingenistet unter dem merkwürdigen Vorwand, daß Tante Eva zu jung sei, um allein zu bleiben und seit sie da ist, benutzt sie sie nur als Folie für Jrenchen und lebt — stets mit einer zerdrückten Thräne im Auge, aber in Wahrheit doch so gut als irgend möglich, von den Einkünften ihrer Stieftochter. Dazwischen macht sie sich noch das Vergnügen, meinen Alten nach Möglichkeit anzufeinden, was dieser ihr reichlich vergilt und mich und meinen Bruder heranzuziehen und von der »Erbtante« zu gleicher Zeit fern zu halten. Sie calculirt: entweder macht Eva ihre Stiefschwester zur Erbin, oder diese letztere heirathet einen von uns und kommt auf diese Weise in den Besitz des Vermögens. Also muß Irene sowohl der Stiefschwester als uns den Hof machen. Sie werden begreifen, daß man sich zwischen all diesen Jntriguen manchmal wie in einem Narrenhause vorkommt. Ich wünsche nur, der Himmel verwandelte mich einmal für 24 Stunden in Tante Eva — ich wollte Ordnung in diese Wirthschaft bringen!"
„Wie kommt es nur, daß die Baronin nicht den Versuch macht, sich das Leben etwas behag
licher zn gestalten — nach allem, was Sie sagen, liegt es doch in ihrer Macht" —
„Lüge in ihrer Macht, wenn sie energisch, lebensfroh und jung wäre!"
„Aber sie ist doch nicht alt!"
„Nicht alt? Eine Frau, die nie lacht, kaum spricht, schwarze Spitzentücher um die Ohren trägt und bei einer Bergparthie Neberschnhe und zahllose Plaids mit sich schleppen muß? Ob sie 30, 40 oder 50 Jahr alt ist, darnach fragt man doch nicht — 20 ist sie keinesfalls mehr, und was darüber ist, das ist vom Uebel. Sehen Sie sie doch an, wie sie am Arm meines Vaters den Berg hinanschleicht — ist das der Gang und die Haltung einer jungen Frau?"
Horst dachte daran, wie er mit ihr den Bergabhang hinabgelaufen war, wie sie beide glühend und hochathmend Hand in Hand auf dem unteren Waldwege gestanden, das schwarze Spitzentnch ans ihre Schultern gesunken war und muthwillige blonde Löckchen sich unter ihrer schweren Flechtenkrone hervorgestohlen und ans ihrem weißen Nacken gekräuselt hatten. Damals war sie ihm jung erschienen und seitdem waren doch nur wenige Stunden vergangen.
„Ich habe diese ganze Wirthschaft übrigens satt und amüsire mich jetzt auf eigne Faust," bemerkte Paul.
„Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrem Entschluß, fürchte aber, der Ort ist wenig geeignet Ihnen Amüsement zu bieten."