Heft 
(1.1.2019) 06
Seite
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lag, allerlei Weiterungen und Hemmnisse vermieden zn sehen, wie sie nicht wohl ausbleiben konnten, wenn Cocile davon erfuhr, so kam man überein, an demselben Abende noch den Dresdner Schnell­zug benutzen und am andern Morgen, in einem in der Nähe des großen Gartens gelegenen Wäldchen, den Handel ausfechten zu wollen.

Cacile, so gut sie St. Arnaud's ungestümen Charakter kannte, gewärtigte keinen unmittelbaren Zusammenstoß und war deshalb nur verstimmt, aber nicht eigentlich geängstigt, als sie den andern Mor­gen hörte, der Oberst, dessen Unregelmäßigkeiten sie kannte, sei Tags vorher nicht nach Hause gekommen.

Er ist der Mann der Excentrieitäten. Was wird vorgekommen sein? Ein Sport, eine Clnb- Lanne, vielleicht ein Wettritt neben dem Eisenbahn­zuge her. Und dann Nachtquartier in einer Dorf­schenke mit der Devise:je schlechter, je besser."

Sie nahin ein Buch zur Hcmd und versuchte zu lesen. Aber es ging nicht, und als auch ein Gespräch mit dem Papagei versagte, zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück, um hier früher als sonst Toilette zu machen.

Ich will zu Rosa. Freilich am Ende der Welt. Aber seit Wochen Hab' ich ihr einen Besuch versprochen und ich sehne mich nach einem guten Menschen."

In ihrem Schlafzimmer war ein eleganter Ka­min, vor dem die Jungfer sich eben beschäftigte. Diese warf Kohlen und Tannäpfel auf und suchte mit einem kleinen Blasebalg das halb ausgegangene Feuer wieder anzufachen.

Ah, das ist gut, Marie. Mach' es uns warm; ich friere. Du könntest mir noch den Shawl bringen."

Während dieser Worte ging draußen die Klingel und Cacile hörte, wie des Obersten Diener ein län­geres Gespräch hatte.

Sieh, was es ist."

Marie ging und kam mit einem Briefe zurück, der eben abgegeben war. Er trug nur die Auf­schrift:Frau von St. Armand, Hasenplatz 7a." Und Cocile sah, daß es Gordon's Handschrift war.

Geh, Marie . . nein, bleib."

Und mit zitternder Hand riß sie das Couvert auf und las.

Verzeihung, gnädigste Frau, Verzeihung, liebe Freundin. Ich hatte wohl Unrecht, nein, ich hatte gewiß Unrecht. Aber der Sinn war mir gestört und so kam es wie es kam. Ein berühmter Weiser, ich weiß nicht alter oder neuer Zeit, soll einmal gesagt haben «wir glaubten und vertranten nicht genug und das sei der Quell all unsres Unglücks und Elends«. Und ich fühle jetzt, daß er Recht

hat. Ich hätte statt Zweifel zn hegen und Eifer­sucht groß zn ziehen, Ihnen vertrauen und der Stimme meines Herzens rückhaltslos gehorchen sollen. Daß ich es unterließ, ist meine Schuld. Ich werde Sie nicht Wiedersehen, nie, was auch kommen mag. Sehen Sie mich allezeit so, wie ich war, ehe die Trübung kam. Immer der Ihre. Wieder ganz der Ihre. v. G."

Das Blatt entglitt ihrer Hand und ein heftiges Schluchzen folgte.

Marie sprang herzu, ließ die halb Ohnmäch­tige in den Fauteuil nieder und griff nach dem Kölnischen Wasser, das aus dem Kaminsims stand. Aber Cacile richtete sich mit Anstrengung wieder ans nnd sagte:Laß. Es geht vorüber. Weißt

Du, Marie . . Herr v. Gordon . ."

Jesus Maria, gnädige Frau . ."

Da. Lies. Das sind seine letzten Worte."

Und die Jungfer bückte sich nach dein auf den Kaminteppich gefallenen Brief, um ihn Cacile zn- rückzngeben. Aber diese schüttelte nur den Kopf nnd sagte, während sie nach der Consol-Uhr zeigte: Merk' die Minute . . Er ist erschossen . . jetzt."

Nennnndzweinzigstes Kapitel.

Am andern Morgen brachten alle Zeitungen folgende gleichlautende Notiz:

Wie wir ans Dresden erfahren, hat gestern um neun Uhr früh, in Nähe des großen Gartens, ein Duell zwischen dein Obersten a. D. v. St. Ar- nand nnd dem früher ebenfalls der preußischen Armee zugehörigen Civil-Jngenieur v. Leslie-Gor- don stattgesnnden. Herr v. Leslie-Gordon siel, während v. St. Arnand nur leicht an der linken Seite verwundet wurde. Herr v. Gordon wird, einer letztwilligen Verfügung entsprechend, nach Lieg­nitz, wo zwei seiner Schwestern leben, übergesührt werden. Herr v. St. Arnand hat Sachsen un­mittelbar nach dem Rencontre verlassen. Ueber die Veranlassung zn dem Duell verlautet nichts Bestimmtes, da die Secundanten jede Auskunft verweigern."

Vier Tage danach traf unter der Adresse der Frau v. St. Arnand nachstehender Brief in Ber­lin ein:

Mentone, den 4. December. Meine liebe Cacile! Was geschehen ist, wirst Du mittlerweile durch Rostow erfahren haben und über meinen persönlichen Verbleib giebt Dir der Poststempel Auskunft. Ich habe hier im Hotel Bauer (es findet sich überall dieser Name) Wohnung genom­men und genieße der Ruhe nach all' den Vor­kommnissen und unruhigen Bewegungen der nun