Heft 
(1.1.2019) 06
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Lscile.

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zurückliegenden Woche. Selbst von einer gewissen Herzensbewegung dars ich sprechen, zu der ich mich, Dir gegenüber, gern bekenne. Der Aus­gang der Sache machte doch einen Eindruck auf mich und so bot ich ihm die Hand zur Versöhnung. Aber er wies sie zurück. Eine Minute später war er nicht mehr.

Ich hoffe, daß Du das Geschehene nimmst, wie's genommen werden muß. »In 1'us vouln, OoorZs vunckin«. Sein Benehmen war ein Affront gegen Dich und mich und er hätte mich bester kennen müssen. Uebrigens bin ich seinem Mnthe Gerechtigkeit schuldig und mehr noch seiner unsen­timentalen Entschlossenheit, die mir beinah impo- nirt hat. Denn er wollte mich treffen und seine Kugel, die mir die Rippen streifte, ging nur zwei Finger breit zu weit rechts. Sonst war ich da, wo er jetzt ist. Daß Du mit ein paar Herzens­fasern an ihm hingst, weiß ich und war mir recht, eine junge Frau braucht dergleichen. Aber nimm das Ganze nicht tragischer als nöthig, die Welt ist kein Treibhaus für überzarte Gefühle.

Daß ich mich den Langweiligkeiten einer aber­maligen Processirung entzogen habe, wirst Du na­türlich finden. Ich werde mit Nächstem sechszig und fühle keinen Beruf in mir, abermals ein Jahr lang (oder vielleicht noch länger) um den Julins-Thurm spazieren zu gehen. So zog ich denn die Riviera vor.

Empfiehl mich Rostow. Er hat sich in der ganzen Afsaire brillant benommen und theilte nach seinen Verhandlungen mit Gordon ganz meine Mei­nung über diesen. G. täuschte durch glatte For­men; Anfangs auch mich. Im Grunde seines Her­zens war er hochmüthig und eingebildet, wie die meisten dieser Herrn. Er überschätzte sich, weil ihm das Weltfahren zu Kopfe gestiegen war und miß­achtete die gesellschaftlichen Scheidungen, die wir, diesseits des Großen Wassers, vorläufig wenigstens noch haben.

Wenn Deine Gesundheit es zuläßt, erwart' ich Dich spätestens in nächster Woche. Die Luft hier ist entzückend, keine Spur von Winter, Alles noch in Blüthe oder schon wieder in Blüthe. Komm also. Der Pflicht der Abschiedsbesuche sind wir ja Gott sei Dank überhoben; jede Situation hat ihre Meriten. Im Uebrigen wird es gut sein, wenn Dich Marie begleitet, die hier, was ihr den Abschied von Fritz vielleicht erleichtert, das Ka­tholische näher und bequemer hat, als in Berlin.

rovoir. Dein St. Arnaud."

H -j-

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Drei Tage nach Eintreffen dieses Briefes rich­tete der Hofprediger Dörffel das folgende Schreiben an den Obersten v. St. Arnaud:

Mein Herr Oberst. Es liegt mir die Pflicht ob, Sie von dem am 4. dieses erfolgten Ableben Ihrer Gemahlin in Kenntniß zu setzen und mich dabei der mir Seitens derselben gewordenen schrift­lichen Aufträge zu entledigen.

Ich bitte zunächst chronologisch berichten zu dürfen.

Ihre Frau Gemahlin war schwer leidend seit dem Tage, wo die Zeitungs-Nachricht eintraf; sie wollte Niemand sehen, folgte widerwillig den An­ordnungen des Arztes und sah von den Bekannten nur Fräulein Rosa und mich. Ich ffprach täglich vor, in der Regel in den Mittagsstunden. Vor­gestern, bei meinem Erscheinen, fand ich die Jung­fer in Thränen und erfuhr, die gnädige Frau sei todt.

Als ich in das Zimmer trat, sah ich, was ge­schehen.

Frau v. St. Arnand lag auf dem Sopha, ein Battisttuch über Kinn und Mund. Es war mir nicht zweifelhaft, auf welche Weise sie sich den Tod gegeben; ihre Linke hielt das kleine Kreuz mit dem Christuskopf, das sie beständig trug. Der Aus­druck ihrer Züge war der Ausdruck derer, die die­ser Zeitlichkeit müde sind. Auf dem Tisch neben ihr lag ihr Gebetbuch, in das sie, zusammengeknifft und nach Art eines Lesezeichens, einen an mich adressirten Brief gelegt hatte. Dieser Brief, das Beichtgeheimniß eines demüthigen Herzens, ist mir unendlich werthvoll, weshalb ich bitte, den Inhalt desselben Ihnen, mein Herr Oberst, nur abschrift­lich und nur in seinem sachlichen Theile mittheilen zu dürfen.

Es heißt in diesem letzten Willen:

»Ich wünsche nach Cyrillenort übergesührt und aus dem dortigen Gemeindekirchhofe, zur Linken der fürstlichen Grabkapelle, beigesetzt zu werden. Ich will der Stelle wenigstens nahe sein, wo die ruhen, die in reichem Maße mir das gaben, was mir die Welt verweigerte: Liebe und Freundschaft, und um der Liebe willen auch Achtung . . . Vornehmheit und Herzensgüte sind nicht Alles, aber sie sind viel.

Mein Vermögen erhält meine Mutter, mein Gut St. Arnaud. Nach seinem Tode fällt es an die fürstliche Familie zurück.

Ueber die Dinge, die mich täglich umgaben bitt' ich St. Arnaud Verfügung treffen zu wollen und bestimme meinerseits nur noch, daß die Consol-Uhr und der türkische Shawl an Marie, das Gebetbuch mit den Aquarell-Initialen an Rosa, das Opalkreuz aber, das mir beistehen soll bis zuletzt, an Sie, mein väterlicher Freund, fallen soll. Ihre hundertfach erprobte Milde wird nicht Anstoß daran nehmen, daß es ein ka­tholisches Kreuz ist, und auch daran nicht, daß