Heft 
(1.1.2019) 08
Seite
338
Einzelbild herunterladen

338

A. Müller von Brandenburg.

machte, davonzulaufen, und Leonie war auch viel zu neugierig auf seine Eröffnungen, als daß sie in der That darauf hätte verzichten mögen.

Darf ich von mir reden?" begann er.

Leonie nickte mit dem Kopfe.

Ach mein Gott, ja, auch das," sagte sie lachend, wenn es zur Sache gehört. Aber fangen Sie end­lich an, denn ich habe wirklich keine Geduld mehr."

Fräulein Leonie," fing Conrad an,ich bin ein Sohn des Volkes. Aus einer kargen Kindheit, durch eine arbeits- und sorgenvolle Jugend rang ich mich empor mit eigener Kraft. Was Ihnen na­türlich scheint, wie das Athmen in freier Luft, mußte ich erkämpfen wie ein unerreichbares Ziel. Noch vor einer Stunde, hier an dieser Stelle, schal­ten Sie mich wortkarg, gleichgültig im Treiben der Gesellschaft. Wenn Sie wüßten, was im Herzen kämpfte, wenn ich um mich her in den Schimmer blickte, der mir so neu war! Geblendet erst, ge­wöhnte sich mein Auge allmählich an den anmuthig spielenden Glanz und dann sah ich nur Eins, dachte ich nur Eins an Sie, Leonie!"

Das junge Mädchen zuckte zusammen; Leonie fühlte, wie ihr das Blut in's Gesicht stieg, und un­willkürlich legte sie ihre Hand aus den Busen, der sich stürmisch hob und senkte.

Dieses Geständniß hatte sie nicht erwartet.

Conrad fuhr fort:

Deshalb war mir das Lob, die Beachtung aller Audereu gleichgültig, deshalb war ich so oft stumm."

Leonie wandte sich ab und blickte wie abwesend aus dem Fenster. Es war, als ob der Schreck sie gelähmt hätte, aber dieser Schreck schien doch ein freudiger zu sein.

Wenden Sie sich nicht ab, Leonie," nahm er wieder das Wort,hören Sie mich zu Ende. Ich schwieg auch zu Ihnen. Mit keinem Blick, mit kei­ner Silbe habe ich Ihnen verrathen, was mir das Herz zu sprengen drohte. Ich hätte auch heute, ich hätte vielleicht noch lauge geschwiegen, weil ich das Ideal meines Herzens so unerreichbar für mich und unerreichbar für alle Anderen hielt. Aber heute giebt die Gefahr, das höchste Glück des Lebens ver­lieren zu können, mir den Muth, Alles zu wagen, um es zu gewinnen."

Leonie zitterte und ihre Hand griff nach der Lehne eines Stuhles, an dem sie sich halten mußte. Dieser Mann, den sie nur für einen nüchternen Beamten, für einen von Ehrgeiz ganz erfüllten Menschen gehalten hatte, erschien wie umgewaudelt, von glühender Leidenschaft erregt, verzehrt, und mit dieser Leidenschaft liebte er sie! Schreck und Freude zugleich ergriffen ihr junges Herz, und wie durch eine höhere Offenbarung wurde es ihr plötzlich klar, daß auch sie ihn liebte, daß sie ihn längst geliebt hatte.

Ja, ich liebe Sie, Leonie," führ Conrad hastig fort,ich rang mit mir, diese Liebe zu unterdrücken, denn ich erkannte die breite Kluft, die zwischen uns beiden liegt, aber ich kämpfte vergebens, meine Liebe war stärker, als meine Vernunft, und jetzt, Leonie, jetzt will ich nicht, kann ich nicht mehr von der seligen Hoffnung lassen, die mein ganzes Sein erfüllt, mein Leben ausmacht. Sie schweigen, Leonie? O, reden Sie zu mir! Ich will ja nicht, daß Sie jetzt schon das Wort aussprechen, das mir Leben oder Tod bedeutet, ich will keine Entschei­dung, so vermessen bin ich nicht. Aber geben Sie mir ein Zeichen, daß ich hoffen darf, daß Sie mir nicht zürnen!"

Leonie hatte sich gefaßt; und wenn auch die fieberhafte Erregung, die sich ihrer bemächtigt hatte, keineswegs gänzlich geschwunden war, so hatte sie doch so viel Ruhe wieder gewonnen, ihm antworten zu können.

Und das war der Auftrag meines Vaters?" fragte sie;o, ich weiß, wie sehr er Sie schätzt und verehrt, wie wohl er anzuerkennen weiß, was Sie ihm sind"

Fragen Sie nicht, was ich Ihrem Vater bin," rief er hastig,fragen Sie nur Ihr eigenes Herz, Leonie. Nur ein Wort, ein einziges Wort!"

Conrad hatte ihre Hand ergriffen, die er mit glühenden Küssen bedeckte; einen Augenblick ließ ihn Leonie gewähren, dann aber riß sie sich mit sanfter Gewalt von ihm los.

Nicht jetzt," flüsterte sie rasch,nein, nicht jetzt. Später vielleicht!"

Der Ministerialrath wollte etwas erwidern, aber in demselben Augenblicke wurden Stimmen draußen vor der Thüre laut, diese öffnete sich schnell und Bronker trat herein.

Conrad fuhr zusammen. Sein Vater, in die­sem Augenblicke! Und in Leonie's Gegenwart! Es war eine peinliche Situation. Der Sohn hatte nicht den Muth, sich zu seinem Vater zu bekennen.

Grüß Dich Gott, Conrad," begann der Alte, ihm die Hand schüttelnd,nicht wahr, das ist eine Ueberraschung! Ich war schon in Deiner Wohnung

ja, ja, wir Leute vom Lande stehen früh auf

aber die Leute sagten mir, Du wärest schon hier im Bureau, kämest erst spät zurück, und so entschloß ich mich denn kurz und bündig, da ich doch heut noch nach Hause znrückreisen muß, Dich hier aufzusuchen. Aber denke Dir, der Diener wollte mich nicht einmal hereinlassen. Da kam er aber schon an, ich sagte ihm, für mich würde der Herr Ministerialrath wohl zu sprechen sein und schob ihn 8UN8 ta^on bei Seite."

Meine Geschäftsstunde ist freilich vorbei," be­merkte Conrad verlegen.

Dann will ich Dich auch nicht lange mit