Heft 
(1.1.2019) 08
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Zur Sonnenhöhe.

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Geschäften belästigen," rief Bronker lachend, indem er aus der Brusttasche seines Rockes ein wohl ein­gewickeltes Schriftstück hervorholte, welches er sei­nem Sohne überreichte,hier bringe ich Dir ein Gesuch unserer Gemeinde, nöthige Communalbauten betreffend, die wir bisher nicht durchsetzen konnten, und wenn Du das Promemoria durchlieft, denke auch ein wenig daran, wer es Dir überreicht hat!"

Der alte Mann sieht so würdig aus," sagte Leonie, als Courad die Schrift genommen und auf den Tisch gelegt hatte,gewähren Sie einmal seine Bitte, die gewiß nicht unbescheiden sein wird, ohne weiter zu prüfen, und dann genug für heute von den Geschäften; ich erwarte Sie im Salon und rechne bestimmt auf Ihre Unterstützung bei meinen Vorbereitungen."

Lächelnd reichte sie ihm die Hand, nickte dem alten Manne freundlich zu und verschwand in den Salon, Vater und Sohn allein miteinander lassend.

Es war lautlos still in dem weiten Raum; Conrad stand gesenkten Auges gegen einen Tisch gelehnt und nagte mit den Zähnen in einem Ge­fühl des Unmuthes und der Beschämung an seiner Lippe, Bronker stand ihm gegenüber und ließ sein bekümmertes Auge mit Trauer auf dem jungen Manne ruhen, dem er, wie er nur zu gut fühlte, außerordentlich ungelegen gekommen war.

Du hast mich ihr nicht vorgestellt, Conrad," sagte er endlich mit leicht zitternder Stimme,Du hast ihr nicht gesagt, daß ich Dein Vater bin, Du hast mich verleugnet."

Conrad erwiderte nichts; er wußte nicht, was er deni Alten antworten sollte, und schweigend er­griff er feine Hand.

Komm," sagte er endlich,komm mit mir, Vater, in meine Wohnung, dort wollen wir in Ruhe miteinander reden, hier ist das nicht möglich, wir find hier keinen Augenblick ungestört."

Nein, Conrad," erwiderte Bronker mit einer gewissen Bitterkeit,befürchte nichts. Die schöne junge Dame erwartet Dich in dem Salon, ich will Dich nicht aus ihrer Gesellschaft zurückhalten, ich will und werde ihr nicht sagen, daß ich Dir das Leben gab, Dich erzog, daß ich den Schlaf der Nächte von meinem Auge scheuchte, um Deine Athemzüge zu bewachen, wenn Du krank warst, ich will ihr den Namen verschweigen, den Du mir sonst gabst und den Du vor ihr nicht auszuspre­chen wagtest, um nicht erröthen zu müssen."

Conrad wollte auffahren und eine heftige Ent­gegnung schwebte ihm auf der Zunge, aber er be­zwang sich, war es doch sein Vater, der da zu ihm redete und der leider ein Recht hatte, ihn anzuklagen.

Vater," sagte er leise,zürne mir nicht! Ich bin nun einmal meiner Stellung mancherlei Rück­

sichten schuldig, von denen Du Dir keinen Begriff machen kannst, und im Leben und zumal in der vornehmen Gesellschaft kann und darf man nicht einzig und allein seinem Gefühle folgen."

Dann bedauere ich diese Gesellschaft! Wie klein ist diese Eure große Welt! Ja freilich, sie bedarf der Sterne und der bunten Ordensbänder, um ihre öde Leere zu verdecken und sich den An­schein von Gesundheit zu geben, die sie nicht be­sitzt. Aber" und seine Stimme verlor alle Bitterkeitich gehe jetzt meines Weges, damit das schöne Fräulein nicht ungnädig wird, wenn Du sie allzulange warten lässest, und sich nicht wun­dert, daß der gute Alte Dich ungebührlich aushält. Entschuldige Dich nur bei ihr, sage ihr, ich sei ein guter alter Bekannter aus der Heimath, ein wunderlicher Mann, der, wenn er erst in's Schwatzen komme, gar kein Ende finde, und den man doch nicht so ohne Weiteres abweisen möge und nun lebe wohl, die Hand brauchst Du mir nicht zu geben, die junge Gnädige könnte es vielleicht sehen, und es paßt sich doch nicht, daß ein Dorsschul- meister und ein Geheimrath adieu, Conrad!"

Und bevor der Sohn noch ein Wort zu ent­gegnen vermochte, hatte sich die Thür hinter dem davoneilenden Vater geschlossen.

Vernichtet sank Conrad in einen Fauteuil und bedeckte mit beiden Händen das Gesicht. Diese Qual! Diese fürchterliche Pein! Und er machte sich bittere Vorwürfe über die Feigheit, seinen Vater verleugnet zu haben, und suchte doch zugleich sein Benehmen vor sich selber zu rechtfertigen, sich zu überreden, daß er unmöglich den alten Mann Leonie als seinen Vater hätte präsentiren können.

In ihrem reizend eingerichteten traulichen Bou­doir lag in derselben Zeit Leonie auf der blausei­denen Chaiselongue mit geschlossenen Augen und träumte im Wachen den entzückendsten Traum, den Traum der ersten Liebe, die das Herz wie auf Adlerssittichen emporträgt über die Welt, daß die Erde mit ihren kleinlichen Sorgen und großen Schmerzen, ihren Enttäuschungen und ihrem Weh verschwindet und die Seele schwelgt in unendlichem Glück. Und sie sah ihn wieder vor sich, diesen schönen, stolzen, vielbewunderten und gefeierten Mann, für den so manches junge Mädchenherz vergeblich schlug, sie sah ihn, wie er mit gerötheten Wangen ihre Hand ergriffen hatte, wie er mit leidenschaftlichen Worten ihr seine Liebe gestand, sie um Gegenliebe anflehte, trotzig und zaghaft zu­gleich, und sie liebte ihn, liebte ihn, sie fühlte es, und ein Wort von ihr konnte sie beide unsäglich glücklich machen. Und dieses Wort wollte sie, durste sie sprechen, hatte ihr Conrad doch selbst gesagt, daß er mit der Zustimmung ihres Vaters so zu