Heft 
(1.1.2019) 08
Seite
340
Einzelbild herunterladen

340

A. Müller von Brandenburg.

ihr geredet hatte, daß dieser ihre Entscheidung bil­ligen, ihren Bund segnen würde!

Ein holdes, verklärtes Lächeln umschwebte ihr liebreizendes Gesicht, wie in stiller Andacht faltete sie die weißen kleinen Hände über der Brust, und leise flüsterte sie den Namen des geliebten Mannes. Dann erhob sie sich schnell, klingelte ihrer Zofe und fragte die sofort Eintretende, ob der Minister bereits wieder nach Hause zurückgekehrt sei. Das Mädchen bejahte diese Frage, und Leonie beschloß, ihn sofort auszusuchen und ihm alles mitzutheilen, was sie auf dem Herzen hatte, denn das höchste Glück bedarf der Mittheilung, bedarf des fühlenden, theilnehmenden Herzens, und Leonie hätte die Wonne, die sie erfüllte, hinausjubeln mögen in die weite Welt.

Eine Minute später trat sie in das Arbeits­zimmer des Vaters und warf sich jubelnd an sei­nen Hals. Hohenberg, der einen Augenblick vor ihr gekommen war und soeben Conrad nach dem Ausgange seiner Unterredung mit ihr hatte fragen wollen, zog sie sanft an sich und küßte sie.

Nun, Leonie," sagte er leise,hast Du einen Entschluß gefaßt?"

Papa," flüsterte das junge Mädchen verschämt, Dein Wunsch und meine Neigung, glaube ich, stimmen überein."

So danke ich Ihnen, lieber Freund," sagte Hohenberg und reichte Conrad die Hand,also darf ich dem Grafen Rettorf mittheilen"

Dem Grafen Rettorf?" fragte Leonie erstaunt, was soll denn der?"

Hast Du Dich denn nicht entschlossen, ihm Deine Hand zu reichen, mein Kind?" erwiderte der Minister.

Ich? Dem Grafen? Bon dem war ja gar nicht die Rede. Du sagtest mir, ich könnte Conrad so vertrauen, wie Dir selbst; er hätte über meine Zukunft mit mir zu reden. Nun, er warb um mich, und ich"

Hohenberg stand wie erstarrt, als er diese Mit­theilung vernahm, und es dauerte einige Sekunden, bis er sich wieder zn fassen vermochte.

Leonie!" rief er.Was höre ich?!"

Der Augenblick der Entscheidung war da, und Conrad fühlte, daß er jetzt siegen, oder alle Hoff­nungen zu Grabe tragen müsse.

Verzeihen Sie, Excellenz," sagte er mit fester Stimme,wenn ich den Auftrag, mit welchem Sie mich beehrten, nicht in dem Sinne ausgeführt habe, in welchem Sie erwarteten; aber die Ausgabe über­stieg meine Kraft, widerstrebte meinem innersten Gefühl, ich konnte die heiße Liebe, die ich im Herzen trug, nicht selbstmörderisch aus ihrem Boden reißen, mein eigenes Glück nicht mit Füßen treten, um einem Anderen die Wege zu dem seinigen zu ebnen."

Der Minister war tief verletzt, und eine dunkle Wolke flog über seine Stirn, während Leonie ängst­lich bald ihn, bald Conrad anblickte.

So also täuschten Sie mein Vertrauen," be­gann Hohenberg endlich,so mißbrauchten Sie die Stellung, die ich Ihnen in meinem Hause ein­räumte! Aber es ist nun einmal geschehen, und ich will Sie nicht fiir Ihre Thorheit strafen, aber Du, meine Tochter, entscheide Dich: Graf Rettorf hat bei mir um Deine Hand angehalten, ich will Deine Wahl nicht beeinflussen, aber ich muß eine klare Antwort von Dir haben."

Hier ist sie!" rief Leonie und ergriff Conrad's Hand.Conrad warb um mich, und ich liebe ihn. Doch in Deine Hand lege ich die Entscheidung."

Der Minister wandte sich ab und schwieg. Also seine einzige Tochter, seine geliebte Leonie, war entschlossen, diesem Manne für das Leben an­zugehören; er vermochte den Gedanken noch nicht zu fassen, an die Möglichkeit dieser Verbindung nicht zu denken. Aber Conrad ließ ihm keine Zeit, seinen Empfindungen weiter nachzugeben.

Excellenz," sagte er,Sie schweigen, aber dieses Schweigen ist beredt genug und sagt mir, daß von dieser Stunde an unsere Wege sich tren­nen müssen, daß ich den Mann und das Haus verlassen soll, dem ich so gern meine ganze Kraft, mein Leben selbst gewidmet hätte, und deshalb bitte ich Sie um meine Entlassung."

Herr Ministerialrath!" rief Hohenberg auf­fahrend, und leise vor sich hin flüsterte er:Ich kann diesen Mann nicht entbehren."

Ihre Antwort, Excellenz?" drängte Conrad.

In diesem Augenblicke erschien der Diener und meldete den Polizcirath Stürmer, der in einer dringenden Angelegenheit sofort Vorgelaffen zu wer­den wünschte und dem Meldenden auch schon auf dem Fuße nachfolgte.

Verzeihen Excellenz," rief er aufgeregt,daß ich mir erlaube, bei Ihnen einzudringen; aber was ich gefürchtet habe, trifft ein; die Entscheidung, die ich erbat und nicht erreichen konnte, kommt zu spät: die Stelle des Kreispräsideuten soll so gut wie be­setzt sein, und zwar von einem der eifrigsten Geg­ner des Ministeriums, von Baron Alden."

Hohenberg war überrascht und bestürzt. Kam denn heute alles Unheil über ihn!

Stürmer beobachtete den Minister, um den Ein­druck, den diese Nachricht auf denselben machte, genau zu erfassen, denn jetzt schien ihm die Ge­legenheit gekommen, den unbequemen und verhaßten Ministerialrath zu stürzen, und bevor noch Hohen­berg ein Wort erwidern konnte, flüsterte er ihm hastig die Worte in's Ohr:Die Stimmung in gewissen Kreisen ist gegen Eure Excellenz. Man spricht von dem übermäßigen Einflüsse dieses