Aur Sonnenhöhe.
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Mannes da" — und er deutete auf Conrad, der mit Leonie zur Seite stand — „von Eigenmächtigkeiten, von —"
„DieStelle des Kreispräsidenten," sagte Hohenberg, „muß ich mit einem Manne besetzen, den ich kenne, dem ich vertrauen kann und der mir ergeben ist. Ich weiß nur einen Beamten, der zu diesem wichtigen Posten tauglich ist —" und plötzlich sich zu Conrad wendend, fuhr er sort: „Sie wollten aus meinem Cabinet scheiden, Herr Mini- sterialrath. Es sei! Aber entbehren und verlieren kann ich Sie nicht. Ich eile zu Seiner Hoheit, eine Stellung für Sie zu erbitten, die man — meinem künftigen Schwiegersohn nicht abschlagen wird."
„Excellenz!" rief Conrad überrascht, „Sie wollten?!"
„Mein Vater! Mein gütiger Vater!" schluchzte Leonie und warf sich an seinen Hals.
Jetzt war die Reihe, überrascht zu sein, an dem Polizeirath.
„Erwerben Sie sich einen Namen," sagte der Minister hastig zu Conrad, „und dann, dann ist Leonie die Ihrige!"
Zehn Minuten später fuhr Se. Excellenz der Staatsminister Freiherr von Hohenberg vor das Schloß des Fürsten, der ihm sofort die erbetene Audienz gewährte.
Die Wogen der Wahlbewegung gingen hoch. Ueberall im Lande waren die verschiedenen Parteien eifrig bemüht, sich den Sieg zu verschaffen, und in allen Tagesblättern, in Flugschriften, Broschüren und Wahlversammlungen wurde mit Lebhaftigkeit, ja mit Erbitterung gekämpft. Besonders heftig war der Kamps auch in der kleinen Provinzialstadt Weidenfeld, die den Hauptort des Amtsbezirkes bildete, in welchem Conrad's Heimaths- dorf lag. Der neue Kreispräsident war in die Agitation mit hineingezogen und als Candidat für den Landtag ausgestellt worden, so sehr auch eine solche Candidatnr seinen Neigungen zuwider gewesen war.
Nun stand der Tag der Wahl unmittelbar bevor.
In einem behaglichen Zimmer des vornehmsten Gasthofes des Städtchens saßen Stürmer und Strauß vor einem Tische, auf welchen: ein Frühstück servirt war, und plauderten lebhaft und erregt miteinander.
„Es war wirklich zum Todtlachcn," ries Stürmer und stürzte abermals ein Glas Wein hinunter, „ich hatte mit guter Absicht unser Kreispräsident- chen erst im letzten Augenblicke aus der Residenz hierhertclegraphirt, denn er durfte von der wahren Sachlage nicht unterrichtet sein. Er kam mit dein
Nachtzuge, und der Zufall, den zu dirigiren ich mir allerdings erlaubt hatte, fügte es, daß einer unserer Freunde zu ihm in das Coupöe stieg und den Herrn Präsidenten die ganze Nacht hindurch so interessant über alle möglichen Dinge zu unterhalten wußte, daß er keinen Augenblick der Ruhe fand und übermüde, bleich und nervös hier anlangte. In diesem Zustande schickte ich ihn in die Wahlversammlung und ans die Tribüne."
„Das war sehr unvorsichtig," warf Strauß ein, „denn dadurch konnten Sie ihr: um jede:: Erfolg bringen."
„Im Gegentheil," rief Stürmer, während er mit beneidenswerthem Appetit zu frühstücken begann, „gerade am sichersten wirkt er, wenn er unvorbereitet sprechen muß, dann geht er direct und scharf aus die Sache los und läßt sich nicht von der thö- richten Sentimentalität beeinflussen, der dieser sonst so verständige Mensch nicht selten verfällt. Pro- biren Sie nur diese deliciöse Majonnaise, die wird selbst Ihrem verwöhnten Gaumen zusagen. Uebri- gens hat unser Held auch entschiedenen Eindruck gemacht, und ich habe bereits nach der Residenz telegraphirt, daß unser Sieg sicher ist."
„Zu früh, Stürmerchen, zu früh! Dieser Mann ist unberechenbar und wird uns noch über den Kopf wachsen und uns ans den Händen schlüpfen."
„Sie sind aber merkwürdig kurzsichtig," lachte der Polizeirath und schob den: Banquier die Assiette mit dem Caviar zu, „Ihr Finanzleute begreift nichts, was über Eure Rechenexempel hinausgeht. Ich sage Ihnen, heute haben wir ihn in der Hand, Freundchen, — der Caviar ist vorzüglich; finden Sie nicht auch? Von Geschäften abgespannt, ermüdet in Folge der durchwachten Nacht, berauscht von dem vermeinten Siege und nahe am Ziel aller seiner Wünsche — ich will nie wieder in meinem Leben einen Bissen Gänseleberpastete zu mir nehmen, wenn wir ihn nicht, ohne daß er es merkte, auf den Weg führen, wo wir ihn habe:: wollen und ans dem er uns nicht mehr entwischen kann."
Mit dem Ausdruck der Bewunderung sah Strauß aus das Gesicht seines klugen Genossen, der seiner Sache so sicher schien und mit dem größter: Behagen speiste , als ob er gar keine Schwierigkeiten mehr zu befürchten hätte, und in seinen: Innern beschloß er, bei der Durchführung ihrer Pläne sich gänzlich der größer:: Klugheit seines würdigen Freundes zu fügen. Dieser aber, der soeben Schritte aus dem Corridor vernahm, horchte einen Augenblick gespannt auf dieselben, dann flüsterte er den: Banquier hastig die Worte zu: „Er kommt. Ueberlasseu Sie mir jetzt das Feld, ich mache ihn vollends mürbe, und Sie mit der bankerotten Herrschaft müssen dann den zweiten Schlag führen. Gehen Sie dort hinein, in Ihr