344
A. NlnIIer von Brandenburg.
„Was mich herführt? Das Vergnügen ist es nicht. Die Zeit ist vorüber, wo ich die Welt durchstreifte, um Pflanzen zu suchen und Blumen zu studiren, ich habe fetzt wichtigere Aufgaben zu lösen und andere Studien zu treiben; wie du mich hier siehst, bin ich in politischen Angelegenheiten hier, daß ich es kurz ausspreche: der Wahlen wegen."
Conrad trat überrascht einen Schritt zurück, denn daß der sonst nur seinen Studien lebende Freund thätigen Antheil an politischen Händeln nehmen könnte, war ihm ebenso neu als unerwartet, und er gab seiner Ueberraschung unverhohlen Ausdruck. Falk lächelte ruhig.
„Man hat mich eingeladen, in einer Wahlversammlung für den ausgestellten Candidaten zu reden und mir sogar die Ehre erwiesen, mich in das Wahleomitee zu setzen. Unsere Sache ging auch ganz nach unserem Wunsche, als man plötzlich noch im letzten Augenblicke Dich in unserem Wahlkreise als unseren Gegenkandidaten aufstellte und eine Partei für Dich warb. Deshalb komme ich zu Dir. Unsere Ansichten weichen von einander ab, die Parteien, die wir vertreten, stehen sich gegenüber —
Conrad machte eine ungeduldige Bewegung und wollte etwas erwidern, aber Falk ließ ihn nicht zu Worte kommen.
„Ich komme nicht," sagte er, „Dich für uns zu gewinnen, denn wir, wie das ganze Land, kennen Deine politischen Ansichten, ebenso gut, wie wir wissen, was wir von Deiner Conseguenz und Energie zu halten haben."
„Höre auch mich jetzt, Heinrich," rief Conrad lebhaft: „Du stehst in den Reihen der Opposition, aber ich mache Dir keinen Vorwurf daraus, denn ich achte jeden Widerspruch, sofern er berechtigt ist."
„Der unsere ist es!"
„Die Schuld an dem Streit und Hader —"
„Liegt an Euch. Gebt uns, was wir fordern!"
„Unmöglich, Falk!"
„So sagt ihr immer, und enthaltet uns vor, worauf wir ein gutes Recht haben. Aber wozu streiten mit Euch; Ihr lasset Euch nun einmal nicht überzeugen."
„Nein," rief Conrad heftig aus, „Ihr seid unbelehrbar. Was willst Du? Was wollt Ihr? Ihr Leute von der Opposition, kämpft Ihr für das Volk? Ist die Nation nicht bloßer Vorwand für Eure persönlichen Interessen? Du persönlich vielleicht nicht, Du handelst in gutem Glauben; aber die Anderen! Und wenn sie egoistisch für sich selber wirken, haben sie vielleicht nicht unrecht, denn das Volk dankt es ihnen nicht, verläßt sie im Augenblicke der Gefahr. Die Geschichte lehrt das. Denke an die großen Männer des Alterthums, hat man sie nicht ver- vannt, erwürgt, einen Miltiades in das Gefängniß geworfen, den Retter seines Vaterlandes, weil er
einige lumpige Talente nicht zahlen konnte? Denk' an Sokrates, Themistokles, Camillus, an die armen Narren Masaniello, Rienzi, Egmont —".
Falk unterbrach ihn.
„Undank ist stets der Welt Lohn gewesen, und wer für die Menschheit wirkt, muß aus Dank verzichten. Was ich thne, das thne ich meiner selbst willen, um das Bewußtsein zu haben, daß ich das Grete wollte und nach meinen besten Kräften förderte."
„Das ist Schwärmerei ohne positiven Hinterhalt," rief Conrad, „alle Menschen sind geborene Egoisten, jeder wirkt, kämpft, duldet im Grunde, doch nur für seinen eigenen Vortheil, und das ist auch seirie Pflicht. Bedenke das, Falk, gestehe es ein, und dann — verlaß die Leute, die dir niemals danken noch auch nur nützen können, komm' herüber in unser Lager, wo das Recht ist, wo der Lorbeerkranz der Ehre, der Macht Dir winkt. Wir brauchen Kräfte wie die Deinigen, wir brauchen Männer von Talent, schlage ein, da ist meine Hand!"
Falk schüttelte den Kopf und nahm die dargebotene Hand nicht an.
„Von dem, was ich als Recht anerkannt habe," sagte er ruhig, „bringt mich selbst Deine warme Rede nicht ab, und so lange Ihr auf Euren Wegen weiter wandelt, werde ich aus den meinigen bleiben."
„Sie werden Dich in das Verderben führen."
„Möglich; aber ich schrecke nicht davor zurück, und keine Aussicht auf Macht, Ehre und Gold wird mich voir meinem Ziele ablenken. Aber Du, Conrad" — und seine Stimme klang dringend, bittend, fast schmerzlich, „laß mich Dir sagen, was meine Freundschaft zu Dir mich sprechen läßt, heute, wo wir uns vielleicht Zinn letzten Male begegnen: Du ringst nach dem Glück, Du willst in kühnem Fluge zur Sonnenhöhe des Lebens, ein zweiter Ikarus; aber das Glück wird uicht erbeten, nicht geschenkt, nicht errungen, cs ist eure Gabe, die sich selber giebt, sich in den Schoos; dieses oder jenes Menschen, oft gerade des unwürdigstell, wirst. Kannst Du das leugnen? Nein! — Null denn, du wilder Jäger, der Du nach dem flüchtigen Phantom jagst, das wie ein Irrlicht über Sümpfen tanzt, was treibst Du das rasende Roß Deines Ehrgeizes über die schwankende Decke des grundlosen Moores — Du wirst darin versinken."
Conrad fuhr heftig ans und gebot ihm Schweigen, aber Falk ließ sich nicht irre machen.
„Ich habe Dir die Gefahr gezeigt," sagte er, „als Freund glaubte ich Dir das schuldig zu sein, und ill Gefahr bist Du, oder meinst Dir, ich wisse nicht, woher Dein schneller Reichthum stammt, ich wisse nicht, auf welchen Staffeln Du so, hoch gestiegen bist, wie Du speknlirst, wie Du Deine