Zur Souuenhöhe.
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des Augenblicks reißt Sie fort; aber ich bin ruhiger und gefaßter. Aus Ihrer Hand, das werden Sie begreifeil, kann, darf und will ich kein Almosen und keine Wohlthat annehmen. Irr einen: Angenblicke jugendlichen Uebermuthes verletzte ich Sie, und ich habe es bereut, schmerzlich bereut. Sie aber konnten und wollten mir nicht verzeihen, und von da an schied sich unser Weg. Doch wozu davon reden! Ich danke Ihnen für Ihr Anerbieten, denn ich glaube, daß es Ihnen mit demselben Ernst war und daß Sie wirklich Freundschaft für die Gespielin Ihrer Jugend empfanden, aber — verzeihen Sie mir, Conrad", und ihre Stimme wurde weich und zitterte -— „ich bin zu stolz, um ans die edle Regung Ihres Herzens zu — spekuliren. Lassen Sie uns scheiden, ziehen sie ein in das Schloß meiner Väter, führen Sie Ihre junge Gattin an den traulichen Kamin, an welchem wir beide so oft gesessen haben, werden Sie glücklich mit ihr, und — — wenn Zufall oder Neugier Sie einmal hinabführt in jenes Gewölbe, wo die Meinigen schlafen, wenn dann Ihre Gemahlin sich ängstlich an Ihre Schulter schmiegt, dann Conrad, nicht wahr, dann denken Sie wohl auch einen Augenblick an die Freundin Ihrer Jugend? Leben Sie wohl!"
Bevor Conrad noch zu erwidern vermochte, hatte Meta die Thür geöffnet; als er aber, tief erschüttert und leidenschaftlich zu ihr eilte, als er sie mit bittenden Worten zurückhalten wollte, schüttelte sie leise das Haupt und schritt bewegt aus dem Zimmer. Conrad brach wie bernichtet zusammen und schluchzte wie ein Kind.
„Sie liebte mich, und ich habe es nie geahnt," stöhnte er schmerzlich, „sie geht, und ich habe sie vertrieben! Das ist ein theurer Preis für Glanz und Glück!" —
Lange hatte er, in dumpfes Sinnen versenkt, so dagesessen, als endlich Stürmer mit Strauß zurückkehrte. Er mußte sich gewaltsam ausraffen, nur diesen beiden Männern seine Stimmung nicht zu verrathen, und es gelang ihm, seine Ruhe wieder zu gewinnen, seine Aufregung zn bemeistern und sich selbst zn überreden, daß er sich von seinen Gefühlen zur Unzeit habe Hinreißen lassen. So war es ihn: denn auch recht, daß die beiden mit ihm zum Notar eilten, und mit fester Hand Unterzeichnete er dort den Contract, der ihn znm Besitzer der Herrschaft Feldingen machen sollte.
Am Nachmittage des nächsten Tages fuhr er mit seinen beiden Begleitern nach Schloß Feldingen hinaus. Es war ein herrlicher Oetobertag, die Lust klar und ziemlich warm, das Laub aus den Bäumen meist noch grün, und leise bewegten sich die Blätter im goldenen Sonnenlichte.
Was hatte der vorige Tag dem jungen Manne, der dort in der leichten Chaise dahinrollte, alles
gebracht, welche Gefühle, Gedanken, Erinnerungen und Ereignisse hatten ihn umstürmt, wie weit war er dem glänzenden Ziele, daß er sich gesteckt hatte, näher gekommen! Diese Felder, Wiesen und Wälder, die er so wohl kannte, die er als armer Knabe einst sorglos durchstreift hatte, sie sollten fortan ihm gehören, jenes Schloß dort auf der Airhöhe, die er so oft emporgestiegen war, sollte er bewohnen — es war ein Gedanke, der den Sinn berücken, das Herz erfreuen konnte, und dennoch empfand er keine Freude, keine Befriedigung und nahm an der Unterhaltung seiner Reisegefährten fast gar keinen Autheil, so lebhaft dieselbe auch geführt wurde.
Endlich war das Schloß erreicht. Der Verwalter empfing die Ankommender: sehr devot und verbeugte sich unzählige Male vor dem gestrenger: Herrn Kreispräsidenten, den er auf Verlangen dann mit Stürmer und Strauß überall umherführte. Das gnädige Fräulein, so meldete er ans Befrage::, war ausgefahren. Die Besichtigung dauerte nicht lauge; Conrad sehnte sich hinweg, und bald saß mar: wieder im Wagen, um nach seiner Heimath hinunter zu fahren, wo er dem Vater einen Besuch abzustatten gedachte, bevor er wieder in die Residenz zurückkehrte. Vor dem Lehrerhause stieg er ab; Stürmer und Strauß fuhren nach Weidenfeld zurück, da Conrad erklärte, erst am Abend Nachkommen und die nicht lange Strecke zu Fuße zurücklegen zu wollen. — Dann war auch der Wahlakt vorüber, dessen Ausgang der Kreispräsident nicht in der Stadt abzuwarten wünschte.
Der Vater und Bärbi empfingen ihn in der Wohnstube.
„Da ist er ja, der gewaltige Herr Kreispräsidcnt," sagte Bronker scherzend zu Bärbi.
„Habt Ihr denn gewicht, daß ich kommen würde?" fragte Conrad.
„Wir hörten, daß Du drüben in Weidenfeld warft; nun, da dachten wir uns schon gleich, daß Du uns nicht vergessen würdest und daß wir die Ehre haben würden, den Herrn Kreispräsidentcn bei uns zu sehen."
„Ja," sagte Bärbi, „die Buben und Dirnen im Dorfe können es gar nicht aufkriegen, daß Du so etwas Großes geworden bist und gar mit nuserm gnädigsten Herrn Fürsten sprechen und ihn: Deine eigene Hand geben darfst."
„Ich habe allerdings manches erreicht," sagte Conrad, und ein zufriedenes Lächeln flog einen Moment hindurch über sein Antlitz, „aber glaubt mir, werrn das Glück mich auch begünstigt hat, der Weg zur Größe geht über scharfe Dornen und spitze Steine."
„Glaub's schon," rief Bronker, „ich weiß, was es heißen will, im Leben etwas durchsetze::, habe
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