Heft 
(1.1.2019) 08
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A. Müller von Brandenburg. Zur Sonnenhöhe.

es auf meinen bescheidenen Wegen auch kennen ge­lernt und des Tages Last und Hitze oft getragen, daß ich schier ermattet umgesunken bin, aber man muß sich in Geduld fassen und sich mit dem Worte des Apostels trösten, daß selbst das köstlichste Leben nur Mühe und Arbeit ist."

Gelt, das ist wahr," sagte Bärbi, während sie emsig bemüht war, den Tisch zu decken und dem willkommenen Gaste einige Erfrischungen darzubieten, und deshalb, Conrad, solltest Du einmal zu uns herauskommen, in's Freie, in unser Dorf, wo die Lust rein und besser ist, als in den engen Häu­sern Eurer Stadt, und wo die Menschen nicht so falsch und gottlos sind. Seit Du so ganz fort bist und Dich nie mehr sehen lässest bei uns und Umgang hast mit so vielen schlimmen Menschen, da denke ich oft, Du könntest verdorben werden, und dann ist es mir just so, als müßte ich hin zu Dir und auf Dich acht geben."

Das harmlose Geplauder des jungen Mädchens berührte ihn unangenehm; er fühlte sich verlegen und wußte nicht, was er Bärbi antworten sollte und sagte ausweichend:

Ich kann es mir denken."

Mitunter," plauderte sie unbefangen weiter, fürchte ich mich fast vor Dir und meine, Du seist ein Fremder und gar nicht mehr der Conrad, mit dem ich durch Feld und Wald gelaufen bin. Jesses, wenn ich Dich mir vorstelle mit dem Frack und mit der Masse blanker Orden aus der Brust, da glaub' ich manchmal, ich gehört' gar nicht mehr zu Dir."

Conrad versuchte zu lachen, aber es wollte ihm nicht gelingen.

Die Zeiten ändern sich eben," sagte er,und wir mit ihnen, das haben schon die alten Römer behauptet; andere Umstände, Pflichten, politische Con- stellationen doch das verstehst Du nicht, Bärbi, das sind Dinge, die Dir fern liegen."

Der Alte sah den Sohn verwundert an; er konnte sich in sein verändertes Wesen nicht mehr hineinfinden. Alles, was Conrad sagte, war so kalt, so gleichgültig, sein Benehmen gegen Bärbi eigenthümlich verlegen, und der Vater erkannte bald, daß hier nicht alles war, wie es sein mußte und sollte. Aber er war auch fest entschlossen, seinen Sohn zum Reden zu bringen und Klarheit über seinen Zustand und seine Absichten zu erlangen.

Bärbi hatte inzwischen unbefangen weiter­

geplaudert.Ich habe schon oft gedacht," sagte sie, wie sauer es mir wohl werden wird, mich in der großen Stadt unter den feinen Damen zurecht zu finden, die so klug und so schrecklich vornehm sind, aber ich mein', der liebe Gott hat den Mädeln vom Lande auch ein bissel Verstand gegeben, und damit läßt sich wohl schon zurecht kommen. Meinst Du nicht?"

Er zuckte die Achseln:Die Formen der guten Gesellschaft zu beachten, ist nicht eben leicht für den­jenigen, der nicht von Jugend ans daran gewöhnt ist, und nichts Schlimmeres gicbt es, als sich lächer­lich machen."

Das junge Mädchen wurde nachdenklich, der Vater aber ersah eine passende Gelegenheit, den Sohn einen Augenblick bei Seite zu nehmen und mit ihm zu reden.

Was ist Dir, Conrad," fragte er sorglich, Du bist ja heute so seltsam, als ob Dir irgend etwas das Herz bedrückte, und wie kalt und herz­los ist Dein Benehmen gegen Bärbi!"

Wenn man, wie ich, mit Geschäften überhäuft ist," entgegnete Conrad,so fehlt es natürlich auch nicht an allerlei Verdrießlichkeiten und Aufregungen, und deren habe ich zumal in den letzten Tagen un­gewöhnlich viele durchzumachen gehabt."

Das magst Du einem Anderen Vorreden," sagte Bronker,aber nicht mir, der Dein ganzes Wesen seit Deiner Geburt so genau kennt. Du hast et­was auf dem Herzen, das Dich bedrückt, und hin­ter dieser zur Schau getragenen Maske des Glückes birgt sich irgend ein Weh. Mein Sohn," fuhr er fort, als er sah, daß Bärbi inzwischen das Zim­mer verlassen hatte,Du bist in kurzer Zeit un­gewöhnlich hoch gestiegen zum Erstaunen aller. Höre, Conrad, mich beschleicht ein seltsamer Arg­wohn, und eine ernste Frage drängt sich ans meine Lippen, die Du mir jetzt klar und recht beantwor­ten sollst: Hast Du Alles, was Du erreicht hast, auf ehrliche Weise und ans geradem Wege er­worben?"

Des Lebens Bahnen sind oft wunderbar, und des Menschen Wille vermag nicht immer, sie sich vorzuzeichnen," erwiderte er ausweichend. Aber sein Vater beruhigte sich bei diesen Worten nicht.

Das ist keine Antwort auf meine einfache Frage, mein Sohn; gieb mir ohne Winkelzüge Be­scheid: Ja oder nein?"

(Schluß folgt.)

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