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U.H. Stromer.
St. Dionysius. Abend.
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Außer diesen Hauptseheuswürdigkeite» besitzt Eßlingen in seiirer Umgebung viele anziehende Punkte, sv daß sowohl der Liebhaber des Alterthums wie der Naturfreund sich gern gefesselt fühlen. Sodann aber kredenzt man hier jenen perlenden Neckarwein, der sich nut Recht eine allgemeine Beliebtheit erworben hat. Ferner wirkt auch der schwäbische Vvlkscharakter ungemein anheimelnd. Es liegt eine Mischung von Biederkeit und Treuherzigkeit in demselben ausgeprägt. Wer endlich Gelegenheit hat, die Volkstrachten vom Lande zu sehen, der wird diese Gegend nicht verlassen, ohne eine Fülle neuer Eindrücke in sich ausgenommen zu haben.
Wie so manche andere Stadt Süddentschlands, hat auch Eßlingen eine sehr bewegte Vergangenheit, aus welcher hier nur einige Momente hervorgehoben sein mögen. Wann es entstanden, ist unbekannt; doch behauptet ein Chronist, allerdings etwas ge
wagt, daß Eßlingen schon lange vor Christi Geburt ein bedeutender Ort gewesen sei, den selbst Julius Cäsar, „als er sonst in Deutschland viel Tapferes gethan," nicht habe bezwingen können. Von solch' hohem Alter sind aber keine Spuren mehr zu finden. Auch der Name gehört einer späteren Zeit an, denn das MscmliuAinm des Ptolemäus, welches einige Geschichtsschreiber für identisch mit Eßlingen halten, lag jedenfalls nicht am Neckar, sondern höchst wahrscheinlich in der Nähe von Minden an der Weser. So bleibt als Anhaltspunkt nur die neuere Benennung, die in der lateinischen Schreibweise llstmlinAn zuerst um die Mitte des siebenten Jahrhunderts auftaucht. Freilich ist damit nicht ausgeschlossen, daß der Ort bereits lange vor dieser Zeit existirt haben kann, ohne geschichtlich erwähnt worden zu sein. Keller, der Verfasser einer Geschichte von Eßlingen, stellt sogar die Hypothese ans, daß die frühere Bezeichnung Heßlingen vielleicht von Attila herrühre, der in der deutschen Heldensage bekanntlich den Namen Hetzel führt — eine Vermuthung, die, wenn sie sich bestätigte, Eßlingen noch um beinahe zweihundert Jahre älter erscheinen lassen würde.
Nach jener ersten Erwähnung verschwindet Eßlingen aus der Geschichte und tritt aus dem Dunkel erst wieder hervor im Jahre 1077, in welchem hier ein Reichsconvent abgehalten wurde. Obgleich noch nicht Stadt, war der Ort damals doch gewiß schon von einiger Bedeutung. Das Stadtrecht erhielt Eßlingen im Jahre 1200 von Otto IV., nachdem ihm bereits vier Decennien zuvor Friedrich I. die Neichs- freiheit verliehen hatte. Darauf umgab es Kaiser Friedrich II. mit Mauern und Gräben, innerhalb deren sich zu den Schlössern und anderen Gebäuden bald noch ein Ritter- oder Rathhaus, sowie mehrere Kloster gesellten. Das Stadtoberhaupt hieß in schwäbischer Mundart Bürgermeister, nach den Burgherren oder burgfähigen Männern, aus deren Mitte es gewählt wurde. Da das Gemeiudcwesen ursprünglich aus den hier begüterten Adelsgeschlechteru bestand, so lag auch die Stadtregieruug in den Händen des Adels. Es gab übrigens damals noch keine Bürger im heutigen Sinne des Wortes, sondern nur adelige Gutsherren und Leibeigene, welch' letztere unfähig waren, ein freies Eigenthum an liegenden Gründen zu besitzen. Weinberge, Aecker, Wiesen und andere Feldgüter wurden entweder im Namen und auf Rechnung des adeligen Besitzers von dem gemeinen Mann bebaut, oder ihm gegen einen gewissen Theil des Ertrages überlassen. Als dann der Adel hier und dort allmählich verarmte, konnte man solche Feldgüter käuflich erwerben, wodurch der Grund zu der späteren städtischen Bürgerfreiheit gelegt wurde.
Nicker mancherlei Schicksalen wuchs Eßlingen