Die böse Bärbel.
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und nun begann eine jener entsetzlichen Komödien, deren Ausgang nicht zweifelhaft war.
In einem finstern, feuchten Loche faß das unglückselige Weib Wochen lang und die noch allzeit blühenden Wangen schrumpften ein, die Augen wurden matt und die Haare ergrauten wie mit einem Male, so daß selbst die Richter verwundert sie anschauten, als man sie ihnen vorsührte. Aber Keiner war unter ihnen, der Mitleid empfunden hätte.
Obwohl erst vier Jahre später Papst Juuo- eenz VIII. seine Bulle gegeu die Hexen erließ und das scheusälige Buch des Dominikaners Jakob Sprenger »Nallolm nialktlauruni« zu deutsch „Hexenhammer" noch lange nicht erschienen war, verstand man doch damals ganz gut, mit „llnholdinnen" zu Verfahren. Man begann auch bei Frau Barbara mit der „Ausförscheluug in Güte".
Die Angeklagte gab zu, daß sie an die Existenz von Hexen glaube, hätte auch nicht anders aussagen können, Unstern sie nicht als Ketzerin hätte verurtheilt werden wollen — aber daß sie selbst eine solche sei, leugnete sie entschieden, selbst dann, als man durch Kerker und Hunger sie mürbe gemacht zu haben vermeinte. Da blieb dann nur „die peinliche Frage" übrig.
Auch Hagenau hatte seine Folterkammer, wie jede hochpreisliche deutsche Reichsstadt, und sie war säuberlich ausgestattet mit all' jenen Instrumenten, welche die raffinirte Rohheit der „guten alten Zeit" ausgesonnen, mit Daumschrauben und Streckleitern, gespicktem Hasen und spanischen Stieseln, siedendem Oel und flüssigem Blei und Frau Barbara erschauderte, als sie von Moder- und Blutdust umweht, in dem entsetzlichen Raume stand und der Büttel ihr grinsend sein fürchterlich Handwerkszeug vorwies und ausing, ihr die Kleider vom Leibe zu reißen.
Nur das Ohr der Richter vernahm das unheimliche Knarren der Marterwerkzeuge und das qualvolle Stöhnen der Gefolterten und da man sie an allen Gliedern verrenkt und blutig zu dem Kessel mit glühendem flüssigem Metall hinzerrte, da bekannte sie Alles, was man nur immer wollte, daß sie mit Teufelskunst Herrn Jakob verführt, mit bösen Ränken Unheil über die gute Stadt Hagenau gebracht und auch der jungen Frau Has- lacherin Tod verursacht habe.
Ans sothanes Bekenntniß hin ward sie als Teufelsbuhle zum Flammentode verurtheilt, und zwar mit „Einäscherung bei gehendem Athem", wie nachmals der stehende Ausdruck für das Lebendigverbranntwerden lautete.
Zwei Tage später klang das Armesünder-Glöck- lein durch Hagenau und durch die Straßen ging ein schauerlicher Zug. Auf einem elenden Karren,
in Stroh gebettet, saß die „Unholdin", ein gebrochenes, elendes, altes Weib mit tiefliegenden, irren Augen und stierte in unsäglicher Angst aus die Menschen, die sich mit Fluchen und Verwünschungen um ihr erbärmlich Fuhrwerk drängten. An ihrer Seite saß mit grinsendem, rohen Gesicht der Büttel und Stadtknechte waren ringsumher.
Vor dem Thore war das Holzgerüst errichtet und zwischen den Strohbündeln stand ein hoher Pfahl. Als die Deliquentin das sah, erschauderte sie, aber der Büttel riß sie, als der Karren stand, mit roher Faust herab von demselben, zerrte sie hinan und band sie fest an dein Pfahl, damit sie nicht umsinke. Noch immer wimmerte von der Stadt her die Armesünderglocke und der Richter zerbrach das weiße Stäblein. Die wogende Men- schenfluth ringsumher war stille, nur eine Stimme klang laut und vernehmlich:
„Heute stehst Du am Pranger, Hexe von Hagenau!"
Da richtete die Verurtheilte sich auf und sah mit weitgeöffueteu Augen nach der Stelle, woher der Ruf kam und hier stand Frau Kunigunde Bokel- maun. Die Augen der Beiden begegneten sich, kaum eine Sekunde lang, denn da sie das Wort gerufen, erhielt die ehrsame Meisterin einen unsanften Backenstreich und fühlte sich gewaltsam durch die Menge gezogen. Und da sie die letzten Gaffer hinter sich hatte, hielt Herr Bokelmann an und sah auf sein Weib, dessen Gesicht von dunkler Gluth überdeckt war.
Er hatte niemals die Hand erhoben gegen sie und weil sie das wußte, konnte sie die Augen nicht zu ihm aufschlagen. Sie schämte sich des Wortes, das sie gerufen und schluchzte jetzt laut auf an des Gatten Brust:
„Verzeih' mir's — aber sie hat unser Kind gemordet!"
„Dafür büßt sie jetzt schwer!" sprach ernst Herr Bokelmann.
„So sei Gott ihr gnädig!" entgegnete Frau Kunigunde und preßte ihr Antlitz fester gegen das Herz ihres braven Eheherrn. Dann gingen sie beide still und Hand irr Hand nach der Stadt zurück. Hinter ihnen aber lohten die Flammen aus und wehten wie ein goldner Mantel nur das unselige Weib her, das bei der Stimme der gehaßten Jugendgefährtin in finsterem Todestrotz sich aufrichtete und stolz erhoben stand, bis Rauch und Qualm und Gluth sie verhüllte. —
So starb die böse Bärbel im Jahre 1480. Ihr Bild ist noch heute neben dem Herrn Jakobs zu schallen aus der Stadtbibliothek zu Straßburg und verdankt seinen Ursprung der Meisterhand des Bildhauers Niklas von Lehen.
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