378
Helene Pichler.
dem sie in weiten Bogen einige Male gekreist, schoß sie ans der lichten Hohe hinab, ein zappelndes Fischlein zu fischen. Sonst hatte kein lebendes Wesen den Kuß gesehen.
Die Fischerdirne wußte, es würde nicht der letzte Kuß gewesen sein, und der junge Mann, welcher ein Dichter war, wußte es erst recht; er kannte den Feuertrank, welchen der Mann von Müdchenlippen trinkt und sie suhlte es am Pochen ihres Herzens, — es konnte, es durfte nicht das letzte Mal gewesen sein. Nun lag er auf seinem alten Platze im Sande und blinzelte in den lichtgewobenen Aether hinein.
„Und Licht ward überall! da war die Liebe geboren!" In seinen Adern rollte stürmisch das Blut. Er liebte diesen süßen Sturm, weil er in ihm des Lebens sich bewußt ward. Außer dem Sturm in seinen: Hirn lauschte er aus die raunenden Weisen der schwellenden Wogen. Die dunklen weißgekrönten Wellen waren seine Vertraute. Er verstand ihre Sprache, er war ja ein Poet und der versteht Alles, was der Verstandesweisheit ewig ein Geheimnis; bleibt.
Unten am Strande lag auch ein Wrack. Nicht alte vermorschte Planken. Noch vor sechs Monaten war es eine schmucke Brigg gewesen, fest und wohlgefügt in den Spanten. Sie war in Sturmesnacht gestrandet. Die Wellen machten sich Tag und Nacht mit dem Wrack zu schaffen, trugen rieselnden Sand hinzu, um es eiuzusargen. Was hat das Todte im Lichte zu thun?
„Sollen wir dir erzählen?" srugen die geschäftigen Wellen den halbschlnmmernden Mann. Er nickte im Traume.
„Wir Nüssen Alles. Alles Leben wird aus uns geboren und jedes Leben kehrt in unseren Schoos; zurück. Wir kennen Alles. Auch das Geheimnis; der Liebe. Der Feuertrank ^ der Leidenschaft ist süß. Für das Weib bleibt ein bitterer Bodensatz zurück, das Evaerbtheil.
Da war ein Mädchen, frohgemnth, leichten Sinnes, wenig in: Kopfe, noch weniger im Herzen. Doch hörte sie gern, daß sie schön sei. Sie konnte es kaum genug hören in einer funkelnden Sternen- nacht. Aus die funkelnde Sternennacht folgte ein grauer trüber Tag, wo das feine Mägdlein die weißen Hände rang. Da war auch ein Vater, ein rauher Mann — des Mädchens blonde Haare konnten von seinen rauhen Händen erzählen —, ein reicher Mann — die rauhen Hände konnten auch mild sein. Mit runden blanken Dingern deckten sie Geschehenes zu. Mit den hübschen, goldenen Dingern läßt sich Alles zudecken. Alles doch nicht, und das ist ein Glück für die Menschen. Der Schaden, welchen das Mägdlein genommen, lief; sich zudecken. Es war gut so. Wir trugen das Mägd
lein über den Abgrund hinweg, sie lächelte, als die Sonne znm ersten Male vor ihrem Auge im Meere verschwand. Gestern war es ein Jahr. Gestern kehrte sie heim. Der Vater, der alte, rauhe, reiche Mann stand am Hafenqnai und küßte die stattliche, vornehme Tochter, die in Gold und Seide ging, er küßte den bleichwangigen Schwiegersohn, den prächtigen Menschen von Cuba's heißen Küsten, er küßte den Enkel, das liebe Kind. Und Alle waren sehr glücklich. Die goldene Brücke hatte gehalten.
Kennst du die Armuth? Die ganz gemeine Ar- muth, die sich nicht scheut, Lumpen zu dulden auf dem Leibe und auf der Seele? Auch auf der Seele, obwohl es lächerlich klingt. Blut haben auch.diese Menschen und ebenso das Bedürfnis;, der täglichen Noth, des grinsenden Elends zu vergessen. In: Dorfwirthshaus gniekt die Pfeife und stöhnt der Brummbaß. Heissah, sie läßt sich schwingen im Tanz, die arme Dirne mit dem geflickten Rock und den arbeitzerrissenen Händen. Sie jauchzt, ihr ge- gehört diese Stunde. Es giebt kein Gestern, kein Morgen. Es wird lauter, wilder; schwere Dnnst- wolken schweben durch das niedrige Gemach. Da kommen die mit Lumpen angethanen Seelen zum Vorschein. Was thut's? Sie leben ihr eigenes Leben, das geht keinen Anderen was an.
Darnach kommt eine Stunde, da läßt die zerlumpte Dirne den Karst auf dem Felde fallen, setzt sich an den Rand des Ackers und weint bitterlich. Nach einer Viertelstunde hat sie genug geweint. Sie nimmt die Hände vor den Augen weg, streicht das Haar ans der Stirn und lacht. Sie lacht. Was thut's? ich bin nicht die Einzige, der es so geht, Hab' einen breiten Rücken, Werst immer zu, es fällt Alles wieder herunter. Das freche Geschöpf!
In Lumpen gehüllt die Dirne, in Lumpen gehüllt das zarte, junge, eben zum Licht erwachte Leben. Trübe brennt das qualmige Oellämpchen im bretterverschlagenen Winkel der Scheune. Wie sollte aber die Dirne die Lumpen sehen? wie die erbärmliche Umgebung? Sie sieht ja in das kleine Gesicht in ihren: Schooße. Ueber das eigene freche Gesicht legt sich der Heiligenschein der Mutterliebe. Sie lächelt! Es ist ja ihr Kind. Das ist ein Moment des reinsten Glückes. Nur ein Moment. Dann beginnt das Leben voll Elend und Plackerei, das Leben für die Sorge um's Tägliche, das nun doppelt sein soll, das Leben, in welchem Beide untergehen oder — nur Eins und das Andere treibt ans der einmal betretenen Fläche sein menschenhöhnendes Dasein weiter.
Auch von dem Wrack wissen wir eine hübsche Geschichte zu erzählen. Es war eine schöne Fischerstochter. Schön und stark. Sie arbeitete mit Ruhe und Kraft am Herde und als Gehülfin des Vaters im schwankenden Boote. Sie war der Menschen