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In der lllittagsgluth.
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Liebling, denn sie hatte Schönheit des Leibes und eine gesunde Seele, die nicht Unrecht, noch Un- sanberkeit leiden konnte an sich und Anderen. Manche Leute hielten sie für stolz, denn sie ging nicht zu Tanz und hatte keinen Liebsten. Der dicke Jan hatte sich fast die Beine nach ihr abgelanfen, sie wollte den dicken, reichen Jan nicht. Auch sonst keinen. Wir allein wußten, daß ihr Herz nicht stolz und nicht spröde. Wir wußten es seit dem Tage, wo sie die prächtigen Steinbntt, welche wir ihren Angeln zngetrieben, ans dem Kopfe in die Stadt trug; in das große, reiche Kanfmannshaus.
Die folgende Nacht, das war eine Nacht, da Erd' und Himmel im Gewitter sich vermählten. Im Verein mit dem Donner sangen wir das Brautlicd, für Erd' und Himmel und für ein junges Men- schenpaar. Wie lieb mußte er sie haben! Er war ja gekommen durch Sturm und Regen zur verabredeten Stelle. Daß etwas Anderes als Liebe den feinen Mann zu ihr treiben könnte, das fiel denn Mädchen nicht ein. Im Stnrmeswüthen ward sie sein. Ihr Herz jubelte lauter und stürmischer denn Wind und Wellen. Ein Menschenherz ist stärker als wir, es ist das stärkste Ding unter der Sonne. Hintennach kam nicht der blasse Jammer über das Mädchen, sie trug den Kops hoch und frei. Bis zu dem Augenblicke, da sie den Geliebten fragte, wann kommst Du, Dein Weib an's Herz zu nehmen vor aller Welt? Nun mußte sie erkennen, daß noch etwas Anderes als Liebe den Mann zum Weibe ziehen kann, ein Gelüst, eine Laune, ein flüchtiges Entstammen aller Sinne, welches das Herz kalt läßt. Sie weinte nicht, sie führte keine Scene ans, denn sie war keine Artistin von der großen Weltbühne, sondern nur ein Weib, ein Weib mit starkem großen Herzen. Vor seinen Augen schleuderte sie mit kräftigem Wurfe die blanken, runden Stücke in die brandende See — die Stücke, welche er in ihre Hand zu drücken versucht hatte. Ans seiner Wange brannte der Schlag wie ein feuriges Mal. Keine Meerflnth kann ein solches Brandmal anslöschen. Gar ungezählte Menscheil
laufen mit solchem Brandmal in der Seele umher, die blöde Menge sieht's nur nicht, desto heftiger brennt es in einsamen kühlen Stunden.
Sie hatte ihm den Rücken gekehrt. Hier ließ sich keine goldene Brücke bauen. Ihm grauste vor dem Mädchen, er fühlte sich nicht sicher vor ihr, daher zog er es vor, mit der Brigg seines Vaters nach London zu gehen und Thee zu holen. Das Mädchen ging ihres Weges wie bisher; sie fühlte sich nicht gering und schlecht; sie hatte geliebt, echt und recht. Doch die Perle ihrer Liebe hatte sie hin- gegeben für eine leere Schale. Das trieb sie in den Tod. Sie ging auf's hohe Meer hinaus, allein und kehrte nicht wieder. Wir haben sie weich und sanft in die ewige Finsterniß gebettet. Dort ruht das getäuschte Herz ans. Auch hielten wir Wacht auf die Rückkehr der Brigg, welche den Mann trug, der in müßiger Laune die Liebe als Spielzeug betrachtete. Unter schwellenden Segeln kam die Brigg zurück mit kostbarer Fracht. Wir wollten das getäuschte Herz rächen und waren nicht faul. Da liegen die Trümmer, sieh hin! Doch der Elende rettete sein selbstherrliches Leben, er läuft mit dem Brandmal in seiner Seele nach wie vor lustig herum. Die Niedrigkeit ersäuft nimmer.
Klatsch! ein kalter Guß über das heiße Gesicht des Träumenden. Er sprang auf die Füße, schüttelte die Tropfen ans dem lockigen Haare und schaute verwirrt umher. Närrische Träume! verrücktes Zeug! das kommt vom Schlafen am Mecres- strande in der Mittagsgluth. Nie wieder! nie wieder! — Er sagte es mehrere Male halblaut vor sich hin und trottete dann stromabwärts nach Hanse. An dem Wrack vorübergehend warf er einen scheuen Seitenblick auf das Gerümpel. Eine Möve schwang sich kreischend zum Mittaglicht. Zu seinen Füßen neckten und gurgelten die Wellen der Hochsluth.
Der Poet hat an diesem Tage noch sehr viel geschrieben und es soll sehr schön zu lesen sein, was er geschrieben hat. Die braune Fischerdirne mit den nackten Füßen mußte nun doch daran glauben, daß ein erster Kuß zitgleich ein letzter sein kann.
MH
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