Heft 
(1.1.2019) 08
Seite
380
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Piglhein's Panorama in München: Jerusalem und die Kreuzigung Christi. Wir haben das neue Pano­ramagebäude an der Goethestraße, welches sich gestern dem allgemeinen Besuche öffnete, nicht ohne ein Gefühl der Be­klommenheit betreten; wußten wir auch, daß der Künstler die großartige und dankbare Aufgabe in figürlicher, archi­tektonischer und landschaftlicher Hinsicht zu losen vollkommen befähigt, so mußten wir doch während der langen Zeit der darauf verwendeten Arbeit leise Zweifel hegen, ob Piglhein, der nach seinen bisherigen Arbeiten mehr ein Künstler für Künstler als für das große schaulustige Publi­kum war, ein Panorama im populären Sinne schaffen würde.

Beim ersten Betreten des Podiums, welches ans einer Anhöhe neben dem Golgathahügel gedacht ist, stutzten wir etwas ob der Dunkelheit, die uns umfing; das eben aus dem Sonnenlicht der Straße gekommene Auge mußte sich erst gewöhnen, bis allmählich die malerische Wirkung, deren schleierhaftes Dunkel durch die während der Kreuzigung Christi herrschende Sonnenfinsternis; bildlich gerechtfertigt ist, wie aus einem Nebel heraustrat. So erfaßten wir, wenn auch langsam, die eigenthümliche Stimmung in der Beleuchtung, welche durch eine Sonnenfinsterniß bedingt, jenen eigenthümlich kalten Ton Hervorrust, den unser Auge beispielsweise an grellen Sommertagen wahrnimmt, wenn die Sonne hinter Gewitterwolken tritt, und Gebäude und Buschwerk, etwa wie durch ein farbiges Glas beobachtet, wirken. Aber nach kurzem Verweilen ist man Herr dieser Stimmung und man sagt sich, daß es so sein muß.

Zergliedern wir nun dieses Piglhein'sche Kunstwerk denn ein solches ist es im edelsten Sinne des Wortes in Landschaft, Architektur, figurale Scenerie und Perspec­tive, so finden wir. diese Factoren zunächst zusammen­gefaßt, unsere Erwartung nicht nur erfüllt, sondern über- troffen: Piglhein's Panorama der Kreuzigung Christi ist ein gelungenes, das Künstler- und das Laienauge hoch- befriedigendes Meisterwerk. Die Lobesposaune verstummt vor der erhabenen Charfreitagsruhe, die uns umfängt: Hut ab! möchten wir rufen, Hut ab! vor dem-Künstler, der das vollbrachte, wäre nicht auch dieser Ruf ein banaler, ein überflüssiger, Angesichts der großartigen Erhabenheit des Gegenstandes, vor dessen gewaltiger Schönheit uns ein Schauer der Andacht und tiefinnerster Rührung zwingt, in stiller Ehrfurcht unser Haupt zu entblößen. Das Bild wirkt wie eine Charfreitagspredigt, die in rührender Heilig­keit in unser Herz eindringt.

Zuerst muß hervorgehoben werden, daß das Gesammt- bild in allen Einzelheiten ein Erzeugniß der lautersten Wahrheit ist; gewissenhaft an der Hand der neuesten bibli­schen Forschung, mit welcher Herr Professor Sattler in München dem Künstler an die Hand gegangen, führt der­selbe uns in monumentaler Ruhe den 7. April des Jahres

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29 unserer christlichen Zeitrechnung vor Augen, jenen Frei­tag, welcher die aufgeregte Bevölkerung Jerusalems vor die Thore der Stadt lockte, jene Stunde, welche wie ein festgefügter Markstein in der Geschichte die ewige Wahrheit der Liebe und Versöhnung allen Menschen, allen Con- fessionen kündet. Und ein Abglanz der Wahrheit dieser göttlichen Lehre von der Liebe ruht über dem Bilde. Da ist kein Baum, keine Straße, kein Hügel, kein Mauerwerk, keine Tempelzinne, die nicht ihre Berechtigung hätte. Wer sich eine üppige Landschaft, eine architektonische Prachtstadt in Salomonischer Herrlichkeit erwartet, wird vielleicht ent­täuscht sein; wir sehen eine sterile Gegend, eine dürre, sonnenversengte Vegetation, nackte zerstückelte Felsen und eine Stadt architektonisch aufgeschichtet wie ein Trümmer­haufen, aber es bedarf keines feinfühligen Auges, um den ganzen künstlerischen Reiz dieser charakteristischen Vedute zu empfinden, die Gesammtwirkung, hervorgeholt durch die denkbar einfachsten Mittel, spottet jeder Beschreibung und die Feder vermag den Besucher des Panoramas wohl vorzubereiten, aber niemals den Eindruck wiederzugeben, welchen Landschaft, Farbengebung, Stimmung, Lustper­spective, abgegrenzt durch ferue Tlivenhaiue und lichte, von der herrschenden Sonnenfinsterniß noch unberührte Thäler und Hügel in uns wachrufen.

Zuerst ist unser Auge durch das dunkele Firmament gefangen gehalten, welches sich weit über die Hälfte des Rundgemäldes ausbreitet, das Licht eines einsam leuch­tenden Sternes ist durch die Sonnenfinsternis; wachgerufen. Durch diese in Bestürzung gesetzt ziehen flüchtigen Fußes Handelskarawanen mit ihren Kameelen auf der Straße von Joppe nach den schützenden Thoren Jerusalems; im Vordergründe vereinzelte Gruppen den ängstlichen Blick auf Golgatha gerichtet; etwas weiter Karawauserei, die Bergkuppe Mizpa und der Flecken Emmaus mit Hirten­ansiedelungen. Die Regenzeit ist vorüber, in den flachen Thalmulden hat die Sonne das letzte Wasser aufgesogen, dann ein Complex von Landhäusern und die Landstraße nach Damaskus, und im Vordergründe die Felsengräber des Nikodemus und des begüterten Joseph von Arimathia. Dann folgt die Kreuzigungsgruppe, welche auf den Be­schauer so naheliegend wirkt, daß man wähnt, den Stamm des Erlöserkreuzes fassen zu können. Auf diese Gruppe concentrirt sich, abgesehen von der grelleren Lichtwirknng am Horizont, das höchste Licht. Der Künstler hat den Augenblick des Scheidens gewählt:Vater! in deine Hände befehle ich meinen Geist." In Ehrerbietung stehen die Angehörigen und Freunde in gemessener Entfernung vom Kreuzesstamme, voran die Maria, das Haupt wie fragend und forschend aus das Antlitz des Sohnes gerichtet, dessen Dnlderantlitz sich zu ihr gewendet, es ist wie eine letzte Zwiesprache zwischen Mutter uud Sohn und die Um­stehenden: Maria Klopä, Johannes, Maria Magdalene,