Heft 
(1.1.2019) 08
Seite
381
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Allgemeine Rundschau.

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Maria Salome, Simon von Cyrene, Snsanna, die Wittwe des Jairus, Veronika, Nikodemus und Joseph von Ari- mathia, lauschen alle mit emporgerichtetem Antlitz auf jedes Wort, welches noch von den Üipper: des Gekreuzigten fließen soll.

Diese ganze Gruppirung in ihren einfachen plastischen Gestalten wirkt erschütternd und tief zu Herzen gehend, nicht fascinirend durch theatralischen Aufbau oder durch gesuchte Gesten, wie man sie auf so vielen Kreuzigungs- bildcrn sieht: nein, ergreifend durch die einfache Wahrheit, mit welcher sich die menschlich natürliche Körperhaltung von selbst ergiebt, keine Störung, kein Laut geht durch diese Versammlung, deren Blicke und Herzen nur dem einen Erhabenen zugewandt; mit einem Worte: es ist hier ein kurzer Augenblick bildlich verkörpert, der wie ein leiser Orgeltvn die Schwingen unserer Seele erzittern macht, ein Empfinden, wie es sich unser bemächtigt, wenn wir in weihevoller, ernster Stunde stille Einkehr bei uns selber halten.

Nach diesem Hauptvorgange auf dein herrlichen Rund­gemälde können wir alle übrigen Details, wie sie eine bunt- und lantbewegte Volksmenge bewirkt, füglich über­gehen und deren Erfassen in richtiger Würdigung dem Beschauer selbst überlassen. Gesagt sei nur noch, daß keine Gruppe, keine Figur zwecklos, überflüssig erscheint, alle sind gedacht, empfunden und in ihrer Wirkung selbstredend, und wenn wir mit der Behauptung schließen, daß München um ein großartiges, erhabenes, würdiges Kunstwerk reicher geworden, das in seiner harmonischen Gesammtwirkung bis auf deu letzten Punkt über jedem Tadel erhaben, das Wort der Spötter verstummen macht, das Achselzucken der Skeptiker vernichtet, so haben wir ein wohlüberlegtes, wahres Wort ausgesprochen, welches wir für alle Zukunft vertreten. Glück und Heil dem wackeren Künstler, der solches vermochte. F. 7^.

Zu unseren Illustrationen.

LX 6 U 862 ! Nach einer Originalzeichnung von Hugo Kauffmann. Der Künstler, welcher ans dem Gebiete der Genremalerei Bedeutendes geleistet, ist am 7. August 1844 zu Hamburg geboren und erhielt die erste Anleitung für seine Laufbahn von dem Landschafts- und Genre­maler Hermann Kauffmann, seinem Vater. Im Jahre 1861 begab er sich dann an das Städelsche Institut in Frankfurt a/'M., wo Jaeob Becker, auch Zwerger, seine Lehrer waren. Zwei Jahre darauf wählte er Cronberg am Taunus zum Wohnsitz und machte von dort größere Reisen, auch nach Paris, wo er sich längere Zeit aufhielt, um dann nach München überzusiedeln. Die Motive seiner Genremalerei entnahm der Künstler zum größten Theil dem Leben der unteren Stände, so z. B. seine Segelnden Bauern" undBauern beim Kartenspiel" (1872t,müde Musikanten" (1874),wandernde Musi­kanten" (1876),Wilderer in der Almhütte vom Förster überrascht", und sein größtes GemäldeRauflustig" (1884). Auch seine Zeichnungen, von denen wir heute unfern Lesern eine von originellem Humor durchwürzte Probe Vorführer:, sind frisch und naturwahr in der Situation dargestellt und in den einzelnen Figuren drastisch charak- terisirt. Der im Vollbewußtsein der Würde breitbeinig in der Hausthür stehende biedere Herbergsvater, der der: Hut lüftend, mit einem schüchterner::Dxcuse?" herantretende arme Handwerksbnrsche, sind so echte Typen ihrer Klasse, wie sie der Künstler nur dem wahren Leben entnehmen konnte. X.

Kleine Poststation in Thüringen. Nach dem Gemälde von Paul Tübbecke. In dem an landschaftlichen Reizen so reichen Thüringer Lande liegt auch der kleine romantische Flecken, den der Künstler uns in seinem Bilde

wiedergegeben. Still und einsam, nur reizvoll in seiner ländlichen Einfachheit, bietet er zu gewissen Stunden am Tage durch der: Postverkehr eine interessante Abwechslung dar, die zu weitgehendster: Beobachtungen führt. Wie Mancher erinnert 'sich nicht mit einem gewissen grausamen Vergnügen an den alten Postverkehr, an eine Zeit, in der man tagelang in den abscheulichen Rumpelkasten ein­gepfercht auf holprigen Wegen von Ort zu Ort langsam vorrückte und bei den schlimmsten Stößen der gelben Kutsche, die selbst den innersten Menschen erschütterten, sich nur durch herzhaftes Fluchen Luft zu machen suchte. Welch' interessante Reise-Bekanntschaften wurden aber auch dabei geschlossen, man klagte sich gegenseitig seine kleinen Leiden, erfrischte sich durch humorvolle Erzählungen, stieg an jeder Station mit einem freudigen Lächeln aus, um die Glieder zu recken und mit einem Stoßseufzer wieder in den Marterkasten hinein. Es hatte das lang­same Reisen aber auch den Vorzug, Land und Leute ge­nauer kennen zu lernen. Heute durchfliegen wir mit dem Dampfroß die Gegend und genießen nur in Momenten, wo wir früher stundenlang schwelgten. Die Zeit des Dampfes und der Elektric'ität hat die Romantik einer verflossenen Aera gewaltsam vor: sich abgestreift. Wir sind nüchterner und materieller in unfern Genüssen geworden, und den: Reisenden der Jetztzeit behagt nicht mehr die kleine idyllische Poststation. v. U.

Ein Besuch (nach dem Gemälde von A. Treidler). Die Zitta ist die Bäuerin auf dem blauen Hofe. Den Namen hat der Hof davon, daß alle seine Fenster und Thüren mit schöner ultramarinblauer Farbe umrahmt sind. Das sieht zwar nicht besonders geschmackvoll aus, aberes schreit". Und um das Schreien ist es dem Pezzo, dem Bauern auch am meisten zu thun. Er ist ein wohlhabender Bauer, uud er liebt es, das Geld klap­pern zu lassen, wenn er es auch nicht gern ansgiebt. Und er liebt die ultramarinfarbenen Ränder um die Thüren und Fenster: und er liebt breitkarrirte Hemden und gelbe Bandschleifen an den Ohren seiner Muli.

Zitta ist eine hübsche, fleißige, heitere, energische Frau. Sie ist mit Pezzo verheirathet worden, weil sie Beide Geld hatten, aber man hat nie gehört, daß die Ehe unglücklich sei. Die beider: Ehegatten hausten ganz gut miteinander, denn Pezzo war es zufrieden, für sein schönes Haus eine schöne Frau zu haben, sowie er auf seine seidenen Hals­tücher hielt und auf seine silberne Uhr.

Daß sich Zitta viel um Freundinnen kümmerte, hätte mar: nicht sagen können. Sie lebte mit keiner Nachbarin in Unfrieden, aber auch mit keiner in Vertraulichkeit.

Das thun sonst nur Weiber, die ein schlechtes Gewissen haben und sich vor den Augen der Freundinner: scheuen!" hatte die magere Gevatterin mit der Warze auf der Nase giftig gesagt. Nachdem sie es einigemale vergebens versucht hatte, sich in das Vertrauen Zitta's zu drängen. Aber trotzdem sie und die dicke Gevatterin mit dem wackeligen Zahne ihre Nasen in alles Thun der Zitta steckten, konnten sie doch nichts Böses entdecken. Denn so viel umworben Zitta auch war von Burschen und sogar Ehemännern, so zeichnete sie doch Keinen aus oder gab ihrem Manne Grund zur Eifersucht.

Und doch nahm sich das Mannsvolk Mühe genug, ihr den Kopf wirklich zu machen, denn sie meinten: von zärtlicher Gattenliebe ist ja im blauen Hofe doch nicht die Rede warum sollte die hübsche, frische Bäuerin nicht einen Herzensfreund suchen? Aber Zitta suchte Keinen. Ihre alte Muhme Gina hatte sogar den Auftrag, mit dem Ausschütten von Spülichtwasser recht unvorsichtig zu sein von der Gallerie aus, wenn Mannsvolk an den Stein­treppen unten lungerte an dunklen Abenden.

Da nun aber Zitta wederglücklich", nochklatsch­süchtig", nochverliebt" war was war sie denn?