386
Hanns von
doch irgend einem Transport Evacuirter und kann sich, wie sich's für einen ordentlichen Corresponden- ten schickt und geziemt, von ihnen die tollsten Geschichten aufbinden lassen.
Ich saß also wie gesagt im Garten des trefflichen Hotel du Nil und hoffte, daß mir eine der Sykomoren, die sich über meinem sorgenschweren Haupte wölbten, etwas Originelles vom Wüsten- ! fände erzählen würde. Da trat plötzlich Franz, der Oberkellner, ein fescher Wiener, der mich schon von meinem letzten egyptischen Aufenthalt her kannte, an mich heran und raunte mir lächelnd iu's Ohr: „Herr Doctor," wir Leute von der Feder können nämlich sogar am Nilstrande dem Doctortitel nicht entgehen, selbst wenn wir uns noch so sehr dagegen sträuben, „Herr Doctor, die hübsche Lady von No. 17 läßt fragen, ob sie den Herrn Doctor in einer wichtigen Angelegenheit sprechen könne."
Wie elektrisirt sprang ich auf, mein ganzer Bericht war in: Nu vergessen: No. 17, oder vielmehr Miß Eleonore Sampson, war nämlich in den beiden letzten Tagen, so lange weilte sie in Kairo, der Gegenstand der allgemeinsten Aufmerksamkeit des Hotels gewesen, und zwar nicht nur ihrer wirklich auffallenden Schönheit halber, sondern mehr vielleicht noch wegen der scheuen Zurückgezogenheit, die sie beobachtete; keiner von uns Herren konnte sich rühmen, auch nur ciu Wort vou ihren Lippen oder gar einen Blick aus ihren tiefen, seelenvolleu Augen erhascht zu haben. Und nun begehrte mich Miß Eleonore Sampson — den Namen hatte uns das Fremdenbuch verrathen -— zu sprechen, mich, den jungen, unbekannten deutschen Literaten?! „Sofort, Franz — nein, ich muß ja erst meinen Frack anziehen. O weh, der ist bereits eingepackt. Franz, schaffen Sie Rath, was thun?"
Der Ganymed lächelte wiederum. „Ich würde dein Herrn Doctor ja gern meinen allerbesten zur Verfügung stellen," meinte er gnädig. „Aber Miß Sampson scheint es nicht zu erwarten, sie fragte mich wenigstens, ob sie den Herrn sofort sprechen könne."
„Schön, ich komme. Wo ist die Dame?"
„Alis ihrem Zimmer. Sie hat den Konversa- tionssalvn noch nie betreten."
Ans ihrem Zimmer wollte sie mich sogar empfangen. Ich wußte gar nicht, was mir geschah — es wclr zu wunderbar. Diese kalte Schönheit befahl, nein bat mich um ein Gespräch, sofort, auf ihrem Zimmer: Ja, ja, Aegypten ist immer noch das Land der Wunder, wie zur Zeit des seligen Herrn Osiris und der Madame Isis! Ich gestehe, mir pochte ein wenig das Herz, als ich die Treppe hinaufhüpfte und als ich endlich an die Zimmerthür No. 17 pochte — Franz hatte gemeint, anmelden sei nicht nöthig, da ich erwartet würde — fühlte ich, daß ich ganz roth geworden war.
Sxielberg.
/
Miß Sampson stand in der Mitte des Zimmers, es war augenscheinlich, sie hatte mich wirklich erwartet. Mit einer freundlichen Handbewcgung bat sie mich, Platz zu nehmen und fragte verbindlich: „Ist es Ihnen angenehmer, wenn wir deutsch sprechen? Ich bediene mich beider Sprachen mit gleicher Leichtigkeit."
„Ganz wie Sie befehlen."
„Nun gut, mein Herr, so sprechen wir deutsch
— es die Sprache meiner Mutter, und ich freue mich stets, wenn ich ihre Klänge höre." Dabei sah ich zum ersten Male ein leises, sanftes Lächeln über ihre Züge gleiten und in diesen: Augenblick empfand ich erst ganz, wie schön sie war. Das zarte, feine Gesicht vom edelsten Schnitt, nur der Mund vielleicht, aber auch nur vielleicht, etwas zu energisch geformt, die Angen mandelförmig und von jenem feuchten Schimmer, den nur noch gewisse Edelsteine besitzen, den aber die Palette keines Malers wiedergeben kann. Das junge Mädchen — ich mochte ihr etwa zweinndzwanzig Jahre geben
— war nicht groß, aber die fein prvportionirte Gestalt war ungemein elastisch, Füße und Hände schienen mir von gradezu erschreckender Kleinheit.
„Ich muß sehr um Entschuldigung bitten, mein Herr," fuhr sie mit ihrer weichen, melodischen Stimme fort, „daß ich Ihre gewiß sehr kostbare Zeit in Anspruch nehme, und Sie werden mich gewiß noch unbescheidener finden, wenn ich mit meinem eigentlichen Anliegen znm Vorschein komme."
„Befehlen Sie ganz über mich, Miß Sampson. Was in meinen bescheidenen Kräften steht, werde ich gewiß gern, sehr gern thun, wenn ich wirklich so glücklich sein soll, Ihnen einen Dienst leisten zu dürfen."
„Meine Bitte ist allerdings sehr eigenartiger Natur, und nur die Verhältnisse können es entschuldigen, wenn ich als junges Mädchen Ihnen hier dieselbe vortrage. Vor zehn Tagen empfing ich in Cannes, wo ich mich augenblicklich anfhielt, die telegraphische Benachrichtigung von der schnüren Verwundung," ihre Stimme bebte leise und ich bemerkte, wie sie sich zwingen mußte, ruhig fortzn- fahren: „vou der schweren Verwundung meines — Bruders, der als Capitain bei dein sechsten Linien- Jnfanterie-Regiment steht, aber für die Dauer der Expedition zum Stabe des General Wolseley cvin- mandirt war. Wir haben keine Eltern mehr und stehen überhaupt ganz allein in der Welt, sie werden es daher erklärlich finden, daß es mein höchster Wunsch war, an das Schmerzenslager Alfreds zu eilen. Ich brach denn auch, nur von meiner alten Kammerfrau begleitet, sofort aus und reiste mit nwglichster Beschleunigung hierher, um in Kairo erst die ganze Schwierigkeit meines Unterfangens zu übersehen, die meine wohl verzeihliche Auf-