Gefunden am Nil.
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regung mir bisher gänzlich verhüllt hatte. Nicht nur, daß man mir bei unseren Behörden nicht einmal mit Bestimmtheit sagen konnte, wo Alfred liege — wahrscheinlich in Korosko oder Wadi- Halfa meinte man allerdings, da die meisten Verwundeten bis dort znrücktransportirt worden seien — sondern man rieth mir auch mit aller Energie ab, die weitere Reise zu wagen, sa erklärte sie für eine einzelne Dame geradezu für unmöglich. Ein wohlwollender Generalstabsmajor, den ich zufällig von Edinburgh her kannte, sagte mir schließlich, daß wahrscheinlich Anfang nächsten Monats ein größerer Transport, darunter auch einige barmherzige Schwestern, nach Wadi-Hnlsn abgehen würde und schlug mir vor, mich diesem anznschließen, aber mein Gott, das heißt über vierzehn Tage verlieren und jede Minute muß mir kostbar seiu." In ihren Augen schimmerte es feucht und ihre Hände preßten sich krampfhaft ineinander, als sie nach einer kleinen Unterbrechung ihren Bericht fortsetzte: „Ich entschloß mich also, allen Gefahren trotzend, allein anfznbrechen, der Wirth des Hotels besorgte unreinen Dragoman, den auch unser Consnl als zuverlässig schilderte — da hörte ich zufällig, daß Sie, Herr Doctor, morgen die Reise nach dem Kriegsschauplatz antreten wollen und, nennen Sie es eine innere Eingebung, ich faßte sofort den Entschluß, Sie um die Erlaubnis; zu bitten, mich Ihnen anschließen, mich unter Ihren Schutz stellen zu dürfen. Ich weiß, ich bürde Ihnen damit eine Last, vielleicht eine große Last aus und ich bitte Sie daher zugleich, mir ganz offen und ohne jede Rücksicht zu sagen, ob Sie meine Bitte erfüllen wollen und — können."
Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß ich sofort meine vollste Bereitwilligkeit aus sprach, aber ich konnte mich doch ai.ich nicht enthalten, ja ich hielt es geradezu für meine Pflicht, die junge Dame noch einmal auf die Strapazen einer derartigen Tour, von etwaigen Gefahren ganz abgesehen, aufmerksam zu machen und ihr auch vorzuhalten, ob sie wirklich meine, ihrem Bruder Hülse, Erleichterung, Nutzen bringen zu können, wenn es ihr gelänge, ihn zu erreichen.
Miß Sainpson neigte das Haupt: „Das alles, was Sie mir sagen, ist mir in den letzten Tagen wiederholt entwickelt worden, es kann meinen Entschluß nicht hindern, der unwiderruflich feststeht: Schlimmsten Falls reise ich allein!"
„Keinesfalls, keinesfalls!" rief ich eifrig. „Ich danke Ihnen im Gegentheil auf das herzlichste für das Vertrauen, das sie einem gänzlich Unbekannten erweisen, und ich werde mich bemühen, ihm nach Kräften gerecht zu werden."
Die junge Dame lächelte leise: „Ein ganz Unbekannter sind Sie mir nun freilich nicht, daß ich
es nur gestehe. Zn Köln am schönen Rhein wohnt eine Schwester meiner verstorbenen Mutter, und mein kleines Cousinchen Else hat mir nicht selten von einem jungen Schriftsteller geschrieben, der als ein guter Freund in ihrem Hause aus- und eingeht und dessen Name mit dein Ihrigen, mein Herr, eine so große Aehnlichkeit hat, daß mir das sofort auffiel."
Ich glaube, ich wurde ein wenig roth, besonders bei dem Gedanken an die Erregung, mit der ich vorhin die Treppe zu Nr. 17 heraufgeeilt war — wenn das Else gesehen hätte, was würde sie von der Treue der Männerherzen gedacht haben, hatte ich ihr doch noch beim Abschiednehmen gesagt, indem ich mich über ihre Hand beugte: „Auch in der Ferne werden meine Gedanken nur hier sein!" Ich erinnerte mich jetzt auch, daß im gastfreien Heim der Frau Weller die englischen Verwandten häufiger erwähnt worden waren, aber ich mochte mich wohl zu ausschließlich mit den blauen Angen der Tochter des Hauses beschäftigt und darüber alle näheren Details überhört haben.
„Dann freut es mich doppelt, Ihnen gefällig sein zu können, Miß Sampson," sagte ich nicht ohne eine kleine Verlegenheit. „Ich wollte morgen früh anfbrechen und werde mich daher sofort mit Ihrem Dragoman in Verbindung setzen."
Sie reichte mir die Hand. „Ich danke Ihnen," entgegnete sie mit einfacher Herzlichkeit. „Und sorgen Sie nicht, eine allzu schwerfällige Reisegefährtin in mir gefunden zu haben: Ich bin gesund und kräftig und habe mich schon ziemlich viel in der Welt umher getummelt. Mein Dragoman wird jedenfalls mit den Reiseausrnstungen zur rechten Zeit fertig fein, mit Geld ist er reichlich von mir versehen worden, wenn Sie aber noch irgend etwas für nöthig halten, so bitte, befehlen Sie. Und nun: Auf gute Reisefrenndschaft!"
„Darf ich nicht lieber sagen: Auf gute Freundschaft überhaupt?"
Es war eigenthümlich, das Wort, von mir eigentlich ohne tieferen Sinn gebraucht, schien sie schmerzlich zu berühren, sie zuckte zusammen und antwortete erst nach einer ganzen Weile mit gepreßtem Tonfall: „Meine Freundschaft hat noch Niemand Glück gebracht — am allerwenigsten Denen, denen ich sie ans vollstem Herzen entgegen brachte." Dann aber fügte sie, augenscheinlich alle Energie zusammenraffend, fast geschäftsmäßig hinzu: „Also Sie geben mir heute Abend noch Bescheid wegen der Äufbruchszeit? Auf Wiedersehen bis dahin, Herr Doctor."
II.
Um 5 Uhr früh saßen wir in einein Coupse I. Elasse der Bahn Kairo-Siut. Daß doch Alle
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