Heft 
(1.1.2019) 09
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Gefunden am Nil. >

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lachte mich aus, als ich ihm erklärte, mit meinem Vetter theilen zu wallen, als ich aber Fredy selbst zum ersten Male als reiche Erbin gegenübcrtrat, fröstelte mich unwillkürlich ich wußte selbst nicht warum, aber ich fühlte, das kalte Gold schob sich zwischen uns.

Es blieb mir nicht verborgen, daß mein Vetter sich einschränkte, er schaffte seine Mente ab und an­statt des eleganten Cab, mit dem er früher all­abendlich vor unserer etwa eine halbe Stunde vor der Stadt gelegenen Villa vorgefahren war, benutzte er jetzt die Tramway. Er machte auch gar kein Hehl daraus, daß er seine Traber verkauft hatte und sagte mir lächelnd: »Ich muß sparsam sein, Elly.« Als ich ihm. vorwurfsvoll entgegnete: »Aber Fredy, ich bin doch reich und was ich habe, gehört Dir auch«, sah er mich mit einem ganz eigenthüm- lichen Blicke an, der mich in tiefster Seele schmerzte, dann reichte er mir die Hand und meinte kurz: »Ich danke Dir, Elly, aber ich brauche Deine Hülse wirklich nicht«.

»Fredy«, ries ich erschrocken, »habe ich Dir weh- gethan? Ich kann mir nicht denken, daß Dich ver­letzt, was ich als ganz etwas Selbstverständliches zwischen Bruder und Schwester annahm?«

»Zunscheu Bruder und Schwester?« wiederholte er leise, laut aber fügte er gleich hinzu: »Nicht im Geringsten, Elly, aber es ist so, wie ich Dir sagte, ich brauche keine Hülse, selbst Deine nicht. Sprecheil wir nicht mehr davon.«

Und nun kam zu allem Unheil noch ein Wei­teres hinzu und zwar von einer Seite her, von der ich es am wenigsten erwartet hätte. Ich hatte mir mit Zustimmung meines Vormunds eine Pensions- freundin eingeladen, eine junge reizende Französin, voll Liebeilswürdigkeit und heiterer Grazie. Ma­rion war noch nicht lange bei mir, als ich merkte, daß sie auf dem bestell Wege sei, sich in Alfred gründlich zu verlieben, sie machte um so weniger ein Hehl daraus, als sie von unseren Beziehungen, voil den Wünschen meiner verstorbenen Eltern nichts ahnte, und ich war natürlich viel zu stolz, ihr mit- zutheilen, was sie meiner Ansicht nach hätte em­pfinden müssen, ich war ebenso auch viel zu stolz, ihrem Bleiben bei mir irgend ein Hindernis; in den Weg zil legen. Aber eine Empfindung, die ich bis­her für unmöglich gehalten hatte und die mich zu­gleich unsäglich unglücklich machte und doch auch wieder beglückte, loderte plötzlich in mir ans. Mein Herz brannte vor gewaltsam niedergehaltener Eifer­sucht und zugleich damit wurde es zum ersten Male klar in mir, daß ich Alfred liebte, liebte bis zum Wahnsinn. Ich fing an, ihn in seinem Ver­kehr mit Marion zu beobachten, argwöhnisch folgte ich jedem seiner Blicke, lauschte ich jeden; Worte, das er an sie richtete, in harmlosen Neckereien und

Scherzen, wie die Uebermüthige sie liebte, witterte ich versteckte Beziehungen ich gewann schließlich die Ueberzeugnng, daß sie ihm nicht gleichgültig sei, und ich begriff nur das Eine nicht, daß er unter diesen Verhältnissen nicht offen mit seiner Bewer­bung hervortrat, daß er, sonst eine so ehrliche, bie­dere Natur, nicht das Bedürsniß empfand, Klarheit auch zwischen sich und mir zu bringen. Seine Liebe meinte ich ja verloren zu haben, aber ich klammerte mich lange daran, die Achtung für ihn in meinen; eigenen Herzen festzuhalten. Ich grübelte hin und her, und schließlich kan; ich Unglückliche ans den Gedanken, daß er Marion liebe, daß aber ihre und seine eigene Vermögenslosigkeit ihn von einem offenen Aussprechen seiner Neigung abhalte, und die unselige Idee fraß sich so fest in meinen; Herzen ein, daß ich sie nicht herauszureißen ver­mochte.

Es liegt nicht in meiner Eigenart, meine Um­gebung viel von dem empfinden zu lassen, was mich bewegt, ich habe die Wahrheit, daß einen Schmerz anssprechen, ihn mindern heißt, nie verstehen mögen. So trug ich auch jetzt Alles allein und wenn mir Alfred bisweilen meine trübe Seelenstimmung an­merken mochte und mich in seiner herzlichen, ein­fachen Weise fragte, was mir sei, dann schob ich Alles auf körperliches Mißbesinden. Marion mochte vielleicht schärfer sehen, aber sie war zu sehr Egoi­stin und auch wirklich zu oberflächlich, um ihr We­sen zu ändern zudem sie war verliebt! Daß sie nicht wirklich liebte, habe ja ich leider erst später erfahren.

So ging die Zeit ihres Aufenthaltes hin, ohne daß eine Erklärung zwischen ihr und Fredy, die ich besonders in den letzte;; Tagen bestimmt erwartet hatte, erfolgt wäre. Schließlich reiste sie ab; wir brachten sie Beide zur Bahn, ich mußte mir wirk­lich etwas Gewalt anthun, mich bei ihren stürmi­schen Abschiedsliebkosungen nicht zu verrathen und mein Herz krampfte sich zusammen, als ganz zu­letzt, kurz ehe der Train sich in Bewegung setzte, inein Vetter an ihr Conpee trat und ihr chevaleresk die Hand küßte ich meinte nur zu gut gesehen zu haben, wie ihre Blicke sich dabei kreuzten. Und dann pfiff die Locomotive: »Adieu, Mister Samp- son, INON oller Mister Sampson!« winkte sie noch einmal heraus, »au rsvoir, Mademoiselle!« gab er zurück und »Auf ein frohes, baldiges Wiedersehen, naon ollor Fredy!« gellten mir, die ich todtenblaß an einen Perronpfeiler mich halten mußte, ihre letz­ten Worte in den Ohren.

Als der Zug die Glashalle verlassen hatte, wandte sich Alfred zu mir um. Er mochte er­schrecken, als er sah, wie bleich ich war: »UmGvttes- willen, Elly, was ist Dir?« ries er, »darf ich Dir ein Glas Wasser besorgen?«