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Hanns von Spielberg.
Ich zwang mich zu lächeln: »Ein leichter
Schwindel, lieber Fredy. Sorge Dich nicht, Du weißt ja, ich habe in der letzten Zeit öfter an derartigen Anfällen gelitten.«
»Du fälltest wirklich den Arzt consultiren,« sagte er besorgt und fügte hinzu: »Der Wildfnng hat Dir auch den Kopf heiß gemacht.«
Meinte er Marion? Ahnte er denn nichts, gar nichts von dem, was mein Innerstes anfwühlte? Wollte er nichts bemerken? Ich konnte mich nicht enthalten zu sagen: »Ja, ich bin auch froh, daß sie fort ist.«
Er sah mich einen Augenblick groß an, als verstände er mich nicht, um dann ganz gelassen zu entgegnen: »Aber man mußte sie doch ^sehr gern haben!«
»Man mußte sie doch sehr gern haben.« Das Wort klang mir unaufhörlich in den Ohren nach, als ich im Wagen saß und allein darin dein Hause zurvllte. Fredy hatte mich durchaus begleiten wollen, ich lehnte es ab. »Dann komme ich morgen, meine liebe, gute Elly!« sagte er endlich, ehe er die Wagenthür schloß, küßte meine Hand ganz so wie er sich vorhin über Marion's Hand geneigt hatte, und der Kuß schien mir auf dem Handschuh zu brennen, daß ich diesen schnell abstreifte. »Man mußte sie doch sehr gern haben« und »meine liebe, gute Elly« konnte er in einem Athemzug sagen — ich hätte verzweifeln mögen an ihm, an der ganzen Welt.
Und dann kam er am nächsten Tage, früher als gewöhnlich, schien es mir, und innerlich erregter — natürlich er fand sie ja nicht vor, er mochte ihr heiteres, übermüthiges Lachen vermissen. Das konnte ich ihm freilich nicht ersetzen, denn mir war Weh, unendlich weh im Herzen und gerade, daß er so aufmerksam war, wie lange nicht, so liebevoll und herzlich, schmerzte mich hundertfach. Wir saßen nach Tisch uns gegenüber in meinem Zimmer, erhalle das alte Schachbrett hervorgesucht, auf dem wir als Kinder stets unsere Kämpfe ausgesuchten, und baute mechanisch die Figuren auf. Aber er war noch nicht weit damit gekommen, als er sie mit einer schnellen Bewegung wieder umstieß und mir die Hand herüberstreckte und sagte: »Meine liebe, gute Elly.«
Ich mußte unwillkürlich wieder an das »Man mußte sie doch sehr lieb haben!« denken, biß die Zähne aufeinander und hielt meine Finger krampfhast auf dem Schooß gefaltet.
»Meine liebe, gute Elly!« wiederholte er noch einmal und sah mich verwundert an. Als ich mich aber immer noch nicht rührte und kein Wort erwiderte, stand er auf, ging um den Tisch herum und setzte sich neben mich, es schien, als ob er meinte, eine Kranke vor sich zu haben: »Liebe
Herzenselly, was ist Dir denn? Sage es mir doch, ich habe Dich ja so sehr, sehr lieb!«
»Wirklich?« machte ich gedehnt.
»Wirklich?« fragte er erstaunt zurück. »Hast Du je daran gezweifelt? O Elly, wie habe ich mich gesehnt danach in diesen letzten, langen Wochen wieder einmal mit Dir allein sein zu können.«
»Davon habe ich Nichts gemerkt — irr diesen letzren, langen Wochen,« sagte ich scharf, obwohl die znrückgehaltenen Thränen meine Worte fast ersticken wollten.
»Aber, Elly, ich verstehe Dich nicht. Liebste Elly, willst Du denn nichts davon Nüssen, wie es in meinem Herzen anssieht', soll ich Dir erst sagen —«
»Das ist ganz unnöthig,« stieß ich hervor. »Ich weiß ganz genau, wie es in Deinem Herzen anssieht. Hältst Du mich für blind oder noch für den unerfahrenen Backfisch von ehedem, daß Dil mit mir spielen zn können meinst! O Alfred, wie habe ich mich in Dir getäuscht: Wenn Du nnr Vertranen zn mir gehabt hättest, wenn Dil offen zu mir gekommen wärst —«
Er versuchte meine Hand zn fassen, ich zog sie krampfhaft zurück: »Elly, um Gotteswillen, was habe ich gethan, daß Du so zn mir sprichst—heute, heilte gerade, wo ich Dir sageil wollte, wie sehr ich Dich liebe, wie Dil allein mein ganzes Sein ansfüllst! Elly, denke jener Stunde an dem Lager Dcines, unseres Vaters, als er sterbend nnsere Hände ineinanderfügte und uns sagte: Seid glücklich!«
»Seid glücklich!« rief ich unter Thränen. »Dil hast es wahr gemacht sein Wort »seid glücklich« — sehr wahr. Du thust nicht gut, mich heilte an jene Stunde zu erinnern, während Dein Herz sich nnr mit einer Anderen beschäftigt, mit jener Marion—«
Er hatte sich langsam erhoben, sein Gesicht entfärbte sich, aber kein Wort der Entschuldigung kam über seine Lippen, kein Wort der Erklärung. »Alfred,« fuhr ich in steigender Erregung fort, »daß sie Dich liebt und Dil sie liebst, dafür kann Niemand ans der Welt, Euch trifft kein Vorwurf deshalb — ich wollte nur, Dil nähmst mein Geld, dieses elende, erbärmliche Geld, und führtest sie heim und Ihr wäret glücklich! Aber daß Du, sic im Herzen, zu mir kommst und mir Liebe schwörst —«
»Halte ein, Elly!« rief er und streckte abwehrend beide Hände aus, aber ich ließ mich nicht unterbrechen: »Daß Dil mich heilte darc.il mahnst, daß mein Vater uns einst für einander bestimmte, daß Du sie, das arme Mädchen, liebst lind mir, der Erbin, von Liebe sprichst, das, Alfred, das ist — erbärmlich!«
So war es heraus, das schreckliche Wort. Ich