Gefunden am Nil.
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schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte krampfhaft, ohne Thräueu finden zu können. Um in ich war es still, ganz still — ich hörte nur nach einer geraumen Weile die Thüre gehen —- als ich endlich anfznschanen wagte, war ich allein im Zimmer, ganz — ganz allein. Tausend andere Mädchen in meiner Lage, ich weiß es wohl und tief im Innersten möchte ich die Glücklichen beneiden, wären aufgesprungen, wären dem Geliebten nachgeeilt und hätten ihn vielleicht selbst wider die eigene Ueberzengnng um Vergebung gebeten — in mir gähnte nur eine entsetzliche, nnausfüllbare Leere. Ja, ich liebte ihn, geradeso wie ich ihn heute noch mit allen Fibern meines Herzens liebe, aber die edle, weibliche Kraft, mich selbst um seinetwillen zu überwinden, versagte mir, ich sah in seinem Schweigen nicht die Empörung darüber, daß ich ihm, dem stolzen Manne, eine so unendlich niedere Denknngsweise zngetraut hatte, ich sah in seinem Schweigen nur Scham und verletzte Eitelkeit. Erst die Zeit lehrte mich tiefer blicken.
Trotzdem wartete ich Tag nm Tag, daß er kommen solle — ich schämte mich in meinem unbezähmbaren Hochmnth der Hoffnung, die ich tief im Innersten barg, und wollte sie doch nicht misten. Dann hörte ich durch dritte, vierte Hand, daß er auf Urlaub gegangen sei und dann erhielt ich endlich von ihm ans Portsmouth datirt einige wenige Zeilen, die mir das Herz zerrissen: »Im Begriff nach Indien nbzngehen,« schrieb er, »— ich habe nämlich endlich meine Versetzung dnrchgesetzt, da mich nichts mehr an mein Vaterland fesselt — muß ich Dir sagen, Elly, daß ich nie ein Weib geliebt habe, denn Dich: ich weiß nicht, ob Du mir glauben wirst, aber ich schwöre es Dir beim Andenken jener Stunde am Sterbebett Deines Vaters, der mir selbst ein zweiter Vater war. Und ich muß Dir auch sagen, weshalb ich ohne Dich noch einmal zu sehen, gehe: Deine Eifersucht ans jenes flattersüchtige Mädchen, Elly, hat mich nicht berührt — im Gegentheil, auch Eifersucht ist ja ein Zeichen von Liebe! Daß Du mir aber, den Dn kennst seit frühester Jugend, eine so erbärmliche Gesinnnngsart Zutrauen, daß Dn glauben konntest, ich strebe nach Deiner Hand um Deines Geldes willen, Elly, das traf den Ehrenmann in mir und ich fühlte zugleich in jenem Augenblick, daß Dn mich nicht so liebst, wie ich es von einer Frau, die ihr Leben mit mir theilen will, erwarte: Eine Frau, die liebt, darf den Mann, den sie liebt, nicht erniedrigen wollen. Ich will Dir nicht von meinem wehen Herzen erzählen, fern sei es auch von mir, bitter zu sein —- ans treuem Bruderherzen wünsche ich Dir alles Glück der Erde! Gott sei mit Dir!«
Und wie wunderbar das Schicksal oft spielt:
II. 2.
Noch lagen die Zeilen Fredy's vor mir, die mir die letzte Hoffnung raubten, da kam ein anderes Billet iills Hans geflattert, ein kleines rosenfarbe- nes Briefchen — von Marion! »klon jonr, obäro Illlv.« schrieb sie etwa, „Sie müssen die Erste sein, die von meinem Glück erfährt! Seit gestern Abend bin ich Braut — Braut, denken Sie, ellära amis! Zwar ist inein Zukünftiger kein schmucker Lieutenant — L propoö, grüßen Sie »unseren« Fredy — sondern ein ehrlicher Bourgeois, denken Sie, Monsieur Bataille ist sogar trotz seines stolzen Namens Seifensieder — erschrecken Sie aber nicht zu sehr, liebste Elly, Seifensieder sn Aro8! Papa und Mama wollten die Partie so gern, Monsieur Bataille ist auch ein ganz hübscher Mann und sehr wohlhabend, er hat mir sogar versprochen, Equipage zu halten u. s. w., u. s. w.« —- lassen Sie genug sein davon, mich ekelt, wenn ich daran denke."
Miß Sampson schien zu Ende zu sein mit ihrer Erzählung, sie stützte den schönen Kops in beide Hände und blickte lange still vor sich hin — auch ich schwieg, mir wäre es wie ein Sacrileg vorgekommen, diesem Schmerze gegenüber nach Worten zu Haschen. Endlich erhob sie sich langsam: „So, mein Freund, jetzt wissen Sie Alles — jetzt wissen Sie auch, was mich zwingt, Alfred ansznsuchen: Nicht seine Liebe, deren ich mich Unwerts) machte, nur seine Verzeihung will ich, nur einen Blick ans seinen Augen, der mich wissen läßt, daß er mir vergeben hat. Gute Nacht, mein Freund!" schloß sie tonlos.
„Gute Nacht!" gab ich leise zitrück. „Ich will Ihnen nicht sagen, Eleonore, was ich von dem Allen denke, das Sie mir erzählt haben — heute nicht. Aber die Abschiedsworte Ihres Vetters muß ich Ihnen wiederholen: Gott schütze Sie! Er wird Alles znm Besten wenden."
Sie wandte sich noch einmal um, ein trübes, wehmüthiges Lächeln glitt über ihre Züge. Leise schüttelte sie das Haupt: „Gute Nacht, mein Freund!"
III.
Um die Mittagsstunde des nächsten Tages, die Sonne lag glühend auf den schwerfälligen Wassermassen, rief unser Patron mit dem Finger nach Südwesten deutend mir vom Steuerruder aus zu: „Da ist'Korosko!"
Miß Eleonore stand an meiner Seite, wir hatten das Gespräch des gestrigen Abends nicht wieder erwähnt, sie schien gefaßt. Jetzt griff sie aber doch nach meinem Arm, als suche sie eine Stütze. „Korosko," flüsterte sie leise. „Ich fühle es, er ist dort."
Langsam stiegen die zwei Minarets des Ortes am Horizont empor, mühsam kreuzte unsere Dahabyie
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