Heft 
(1.1.2019) 09
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R. Tenge.

anberanmten Süeularseier des Geburtstages seines erhabenen Großvaters in Frage gezogen, so muß der düstere Eindruck, den der plötzliche Tod des Enkels hervorries, und die Betrübniß, in welche derselbe das Land und namentlich die Stadt Mün­chen versenkt, die Abhaltung der Feier in unabseh­bare Ferne rücken. Die Nachrichten dieser traurigen Begebenheiten erreichten dasUniversum", als das Heft, siir welches der nachstehende Artikel über die Lndwigsfeier bestimmt worden, schon für die Presse vorbereitet war. Bei der Ungewißheit, wann nun die Jubelfeier des Königs Ludwig I. stattfinden wird, mag das nachfolgende Charakterbild desselben und die darin enthaltenen Mittheilungen über die von ihm geschaffenen Monumente und Knnst- schöpfnngen unseren Lesern zur Erinnerung an seine Verdienste bei dem bevorstehenden hundertsten Geburtstage nicht unwillkommen sein.

Die Feste Münchens, nicht nur die der Künstler, sondern auch jene, welche von der Bürgerschaft und deren zahlreichen Vereinen ausgehen, erfreuen sich eines weitverbreiteten Rufes: sie unterscheiden sich von den Festlichkeiten anderer, so größerer als kleinerer Städte, selbst wenn dort reichere Pracht darauf verwendet wird, durch einen eigenen, man möchte sagen idealen Anstug, der dieselben wie der Schmelz die Blätter der Blume oder die Flügel des Schmetterlings mit besonderem Glanze über­zieht und sättigt. Das ist kein zufälliger Charakter- zng und läßt sich nicht auf die sogenannte Münchener Gemächlichkeit zurücksühren, von der wenig mehr als die Schlacke übrig geblieben ist, sondern es er­innert an die Art, wie in kleinen Universitäts­städten alles, der Bürger und die Magd, Kind und Kegel eine gewisse burschikose Stimmung athmet, und beruht unverkennbar ans dem Grund­sätze, den der Urheber des modernen München, König Ludwig der Erste von Bayern, an die Spitze seiner segensreichen Wirksamkeit aus dein Gebiete der Künste stellte: daß die Kunst das belebendste Bildnngsmittel für das Volk sei, wenn sie ins Leben übergehe und dasselbe durchdrungen

Die heutige Stadt München liefert eine beredte Probe zu dieser Maxime. Beim Regierungsantritte Ludwnsts, 1825, war sie eine mäßige, stilllebige Stadt von ungefähr 60,000 Einwohnern, die wenig mehr als ein Anhängsel zum Hofleben bedeuteten und ans kleinem Raume in engen, unfreundlichen Straßen wohnten; bei seinem Rücktritte vom Throne 1848 war sie auf 130,000 Köpfe gestiegen, und die letzte Zählung ergab 260,000, ungerechnet zwei Ortschaften von fast 20,000 Seelen, die eng in ihr Weichbild verflochten sind, und der vortheil- hafte, es ist nicht übertrieben zu sagen vornehme

Eindruck, den sie gewährt, ist unvergleichlich. Aller­dings haben die überall waltenden Einflüsse des Eisenbahnverkehrs, der Dampfkraft und des Ma­schinenwesens zu den: raschen Anwachsen und der Entwickelung der Industrie und des Handels mit­geholfen, allein sie übten ans den der Stadt von Ludwig eingeprägten Charakter keinen Einfluß, wenigstens beeinträchtigten sie denselben nicht, son­dern kräftigten ihn vielmehr, indem sie unwillkür­lich von dem Hauche desselben durchdrungen wurden. In München ist die Kunst der Grnndton, die Feder­kraft des großen Getriebes, welches die verschie­denen Schichten und Interessen der Bevölkerung darstellen. Es fehlt anderwärts nicht an Samm­lungen, Akademien und Kunstschulen, allein sie sind nicht in demselben Grade Gemeingut geworden, dessen Mitgenuß alle erfreuet, auf sie einwirkt, ohne daß sie cs wollen und fühlen; Künstlerschaft und Bürgerthnm sind nicht so innig mit einander verschmolzen wie die Kinder einer Familie, die Glieder eines Körpers. In München spielt der gefeiertste Künstler nie den steifen, stolzen Professor, Hofrath oder welchen Titel und Orden ihm seine Leistungen eintrngen, die alte Tradition der Bau­hütte hat sich vererbt: der berühmteste Lehrer und Meister sitzt mit dem Schüler und Anfänger in demselben Vereine wie Gleicher bei Gleichen und hilft zu den schalkhaften Scherzen und Späßen traulich mit, er nimmt den Uebermuth der Jugend nicht mürrisch ans, wenn ihn derselbe zur Ziel­scheibe erkieset, und handelt es sich um ein Schaffen, eine gemeinschaftliche Unternehmung, so legt jeder seine Kraft aus den Tisch, die Jüngeren ihren Witz und die rege Phantasie, die Meister ihre Er­fahrung, und weil Bürger und Künstler ebenso innig mit einander Verkehren, so macht es sich von selbst, daß durch die knnst-und regelrechten Leistungen der Münchener Festanordnnngen immer ein besonders blitzender und glitzernder, kecker Gedanke zuckt, der in die schulmäßig correete Erscheinung einen genialen Zauber wirst, mit elektrischem Glanze entzückt und in nachhaltiger Erinnerung bleibt. Es ist der Geist Lndwig's, der mit seinen Künstlern verkehrte wie mit Freunden und gleichstrebenden Genossen, der nach seinem Rücktritte ins Privatleben lustig in die Hände klatschte, als sich bei einem Künstlerfeste der König Max zurückzog, und jubelte:Kinder, jetzt wird es gemüthlich, der Hof ist fort!"

Die Künstler in München wußten den Werth ihres hochherzigen Gönners frühzeitig zu würdigen, schon 1841 dachten sie daran, demselben ein ehernes Standbild inmitten seiner Schöpfungen zu errichten; Thorwaldsen, der damals in München weilte, wollte das Modell zic einer Reiterstatne formell; sein Tod hinderte die Ausführung. 1850 bei der Enthüllung derBavaria" wollten sie ihn durch Ueberreichung