Zur Sonnenhöhe.
409
Veilchen, Rosen, Astern, Schneeglöckchen nnd Goldregen in einem Strauß, Blumen, die in ganz verschiedenen Jahreszeiten blühen —> nicht wahr, die Stickerei ist von einer Frau ausgezeichnet?"
„Jetzt gehst Du aber ab, Du Unart," rief Bärbi, „meinst Du, wir Frauen verstehen gar nichts? Mehr, wie Ihr! Wenn Ihr Männer mit Eurer Weisheit, Eurer Logik nnd all' dem andern lateinischen Krimskrams und mit einer tüchtigen Portion Heftigkeit Euch gründlich festgefahren habt und nicht mehr weiter könnt, da sind's doch immer die Weiber, die keine Logik haben, wie Ihr sagt, die Euch Herallsziehen und mit einem bischen Herz und Mutterwitz mehr ausrichten, als Ihr studirten Leute mit Eurer gewaltigen Klugheit. So! Und ich sage Dir, dieses Bouquet ist hübsch, und wenn sich hier so verschiedene Blumen znsammenfinden, dann ist das ihre Sache. Und weißt Du, für wen ich das arbeite? Für den Ohm, der bekommt es zu seinem Namenstag. Aber halt! Da seh' ich ihn selbst kommen; schnell die Stickerei bei Seite!"
Bronker trat ein. Sein Aussehen war gegen früher wenig verändert, ja, man konnte sagen, daß er in den zwei Jahreil, seitdem er sein Amt niedergelegt nnd seinen Wohnsitz bei dem jungen Paare anfgeschlngen hatte, frischer und gesunder geworden war, und er selbst behauptete das auch, schrieb aber diese günstige Veränderung der treuen und liebevollen Pflege Bärbi's zu, der er seinerseits sich dafür so nützlich als möglich zu machen suchte.
„Guteil Morgen, Ihr lieben Leute," sagte er beim Eintreten, „seid Ihr schon wieder bei der Arbeit? Ihr beschämt mich ja ordentlich, denn ich habe heilte noch nichts gethan. Aber dafür will ich jetzt auch desto eifriger sein: Ich gehe in die Stadt, llild wenn die Frau Doctor etwas zu besorgen haben, bitte ich, ungenirt über mich zu verfügen. Uebrigens, bevor ich es vergesse, Fräulein Meta läßt schön grüßeil und wird sich bald das Vergnügen machen, selbst hier zu erscheinen; ich traf sie draußen im Park."
„Das ist ja reizend," jubelte Bärbi, „es war doch ein kluger Gedanke voll mir, ihr so dicht bei uns eine Wohnung zu besorgen."
„Jawohl," lachte Falk, „lind da kommen die Gnädigen alle Augenblicke zusammen und plaudern, daß sie Himmel und Erde, Mann und Onkel darüber vergessen, und wenn nicht die Köchin eine so zuverlässige Person wäre, es gäbe gewiß alle Tage ailgebrannten Brateil oder versalzene Suppe."
„Verleumdung!" rief Bärbi lustig, „aber Ohm, wenn Ihr in die Stadt geht, da bringt nur eineil guten Sack voll Neuigkeiten mit und außerdem drei Loth Seide, blau, mittelsein, ein Päckchen Nähnadeln, Nummer sieben, ein halbes Pfund rothe Zephyrwolle, zwei Fläschchen Fleckwasser, eine —
II. 2.
aber da ist der Zettel, da steht alles deutlich draufgeschrieben. Siehst Du, Mann, seit der Ohm bei uns wohnt, habe ich doch wenigstens eineil Menschen im Hause, der für die Wirthschaft sorgt."
„Ja," meinte Falk und reichte dem Alten die Hand, „wenn wir Dich nicht hätten!"
„Und die Meta," ergänzte Bronker. „Die und ich, wir halten das Hauswesen noch so leidlich zusammen; Ihr Beide würdet ja wohl über lauter Studium Uild Liebelei alles jämmerlich zerfalleil lassen. Aber nun gieb mir nur den Zettel; es ist Zeit, daß ich gehe. Ans Wiedersehen!"
Als er aus der Thüre ging, sah der Doctor ihm mit ernstem Gesichte nach. Bärbi bemerkte es.
„Was Haft Du denn, Heinrich, Du machst ein Gesicht, als ob Dich irgend ein Kummer drückte?"
„So ist es auch, Bärbi; es wäre besser gewesen, wenn er heute nicht in die Stadt hinein- gegnngen wäre. Du weißt, daß wir unmittelbar vor einer politischeil Krisis stehen; der Wind in den höchsten Regionen ist, wie das schon länger zu erwarten stand, umgeschlagen, und alle Welt spricht schon davon, daß das gegenwärtige Ministerium sanlmt dem Unterstaatssecretär —"
„Was geht uns der Unterstaatssecretär an," unterbrach Bärbi ihn schnell, „ich will nichts von ihm wissen."
„So? Und dabei bist Du die Freundin seiner Frau?"
„Nun ja. Leonie ist ein liebes Weib, und ich freue mich, daß der Zufall uns im vorigen Sommer in Wiesbaden zusammenführte. Ich habe ihre Bekanntschaft nicht zuerst gesucht, aber nun es einmal so gekommen ist, bin ich vergnügt darüber. Ihr Mann ging mir nicht gerade aus dem Wege, aber er hielt sich doch stets außerordentlich reser- virt. Er ist ja nun einmal stolz und auf seinen Titel, sein Ansehen und sein Vermögen eingebildet."
„Wenn aber alles Das wie eine Seifenblase zerrönne?"
Bärbi sah ihn erschreckt an.
„Was sagst Du?"
„Wenn er von seiner Höhe herabstürzte?"
„Ich bitte Dich um Alles in der Welt! Der Conrad im Unglück? Ja, dann ginge er uns wieder was an. Aber das ist doch nicht möglich! So erzähle doch!"
„Du weißt," entgeguete der Doctor, „welche Schwankungen die Politik des Cabinets seit längerer Zeit durchgemacht hat, Du weißt, wie die Majorität der Kammer dem Ministerium ein Mißtrauensvotum gegeben; bisher hat der Fürst noch keine Entscheidung getroffen, aber dieselbe ist jeden Moment zu erwarten. Fällt das Ministerium, so muß auch Conrad gehen und aus dem Staatsdienst
52