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A. Müller von Brandenburg.
scheiden, denn seit sein Schwiegervater todt ist, hält ihn auch dessen Sippschaft nicht mehr."
Bärbi sann einen Augenblick ernstlich nach. Diese Eröffnung hatte sie überrascht und eine Möglichkeit gezeigt, an die sie noch nie gedacht hatte. Der Conrad gestürzt, vielleicht gar irr Nvth — das war ihr ein peinlicher Gedanke, vor dem Alles znrücktrat, was dieser Mann gegen sie gefehlt hatte. Und was würde Meta dazu sagen, die noch immer an diesem Conrad so lebhaften Antheil nahm?
„Wenn Deine Befürchtung wahr wird," sagte sie endlich, „dann fangen unsere Pflichten an."
„Gewiß," rief Falk. „Den Politiker habe ich bekämpft, wie ich es für meine Pflicht hielt, dem Menschen will ich nicht nachtragen, was er uns beiden Böses gethan hat, als ihn sein Dämon ans die Bahn des Ehrgeizes trieb."
„So ist's recht," rief Bärbi, „und für diese Gesinnung sollst Du einen Kuß haben!"
„Nun," sagte Falk, „Du entwickelst ja einen bedenklichen Eifer für unseren Jugendfreund, und wenn ich nicht wüßte, daß er verheirathet ist, ich hätte wohl allen Grund, eifersüchtig zu werden. Merkwürdig! Alle Weiber interessiren sich für den Conrad, Du, die Meta und seine Frau natürlich auch. Nun, wenn es mit ihm schief geht, dann vertraue ich ihn Euch dreien an; wenn drei so kluge und zärtliche Weiber für ihn eintreten, da kann er ja gar nicht zu Grunde gehen."
Die junge Frau wollte schmollen; es blieb ihr jedoch keine Zeit dazu, denn in diesem Momente meldete der Diener Fräulein von Wenkenstern.
„Störe ich?" fragte Meta.
„Nein, liebes Fräulein," erwiderte Falk. „Sie sind uns im Gegentheil außerordentlich erwünscht. Wir sprachen eben von dem Schicksale Conrad's, das sich trübe zu gestalten droht."
„Es ist schoil trübe genug," sagte Meta, sich neben Bärbi aus die Chaiselongue niederlassend. „Mißgestimmt sitzt er zu Hanse bei seiner Arbeit, schreibt, grübelt, heckt neue Pläne aus, wie er wohl das Heft irr der Hand behalten könnte, und Leonie, um die er sich fast gar nicht kümmert, schleicht mit rothgeweinten Augen umher. Ein Bild zum Erbarmen ist es!"
„Da muß geholfen werden," meinte Bärbi.
„Aber wie?" fragte Meta.
Wie viele Pläne wurden nun gefaßt, besprochen, wieder verworfen, weil sich jedem Schwierigkeiten der Ausführung entgegenstellten, wie viele Hoffnungen tauchten auf, um im nächsten Momente wieder zu versinken. Vor Allem fragte es sich, ob Conrad überhaupt bereit sein würde, die Hülfe von Leuten anzunehmen, deren Freundschaft er bisher wenig zu würdigen gewußt, die er sogar von
sich gestoßen hatte. Ungeduldig sprang die junge Frau endlich ans.
„Was wir hier reden und denken," sagte sie, „hat keinen Zweck, da wir nicht wissen, was er will. Das beste ist, Dil selbst gehst zu ihm, Heinrich, offen und frei; suche ihn ans, warte nicht, bis er etwa bittend zu Dir kommt; und wenn ihm noch zu Helsen ist, dann wirst Du ihm helfen."
Falk weigerte sich anfänglich, diesen Rath seiner Gattin zur Ausführung zu bringen; endlich jedoch ließ er sich bereden. Bärbi holte ihm sogleich den Hut und die Handschuhe und drängte ihn fast zur Thüre hinaus.
„Geh' mit Gott und kehre froh zurück!" sagte sie, und der Doctor ging.
Die beiden Damen waren allein. Das Gespräch stockte einige Minuten, denn jede war mit ihren Gedanken beschäftigt. Endlich ergriff Meta das Wort:
„Es ist mir lieb, daß Dein Gatte nicht hier ist; ich kam nämlich, um Dir Leonie von Bronker anzumelden. Sie sagte mir heilte Morgen, daß sie gern mit uns Beiden sich einmal aussprechen möchte. Es ist in ihrem Hanse nicht Alles, wie es sein sollte, lind zu uns, den Jugendfreundinnen ihres Mannes, hat sie das meiste Vertrauen."
„Er hat seine Jugendfreundinnen garstig genug behandelt," sagte Bärbi.
„Laß es vergessen sein," entgegnete Meta, ,Sollrad ist eine ungewöhnliche Natur, und Männer seiner Art dürfen nicht mit dem gewöhnlichen Maße gemessen werden, wenn sie ans Wegen wandeln, die von denen der Alltagsmenschen abweichen."
Bärbi schwieg. Meta ergriff ihre Hand, zog sie an sich und fragte:
„Bist Du glücklich, Bärbi?"
„So glücklich eine Frau nur sein kann, die den Himmel ans Erden hat, die liebt und von dem besten Manne wieder geliebt, ja auf Händen getragen wird."
„lind Dll trägst in Deinem Herzen keine schmerzliche Erinnerung an entflohene Tage, an zerstörte Hoffnungen?"-
„Ich habe sie gehabt, wie könnte ich es leugnen; aber das ist nun Alles vorbei, und wenn ich so allein bin und Alles bei mir überdenke, was einst war und wie es jetzt ist, dann glaube ich bisweilen selbst, ich habe den Conrad doch nicht so recht eigentlich geliebt, wie man den Mann liebt, dem man für das ganze Leben angehvren will."
Meta erwiderte nichts, denn eine Equipage rollte vor das Haus, und gleich darauf trat Leonie in das Zimmer und begrüßte die beiden Freundinnen.
Sie war noch immer schön und glänzend, wenn auch die Farbe ihres Gesichts etwas bleicher, wie