Heft 
(1.1.2019) 09
Seite
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Zur Sonnenhöhe.

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Luxus umgab Dich, aber wie ein zweiter Tantalus standest Dir seufzend in der Welt und konntest Deinen Durst nicht löschen, wußtest nicht zu ge­nießen, Arbeit und Sorge war Dein Loos und keine Blume blühte an Deinem Wege."

Der Untcrstaatssecretär schüttelte heftig den Kops, aber Falk ließ sich nicht irre machen und fuhr fort:

So sagtest Du dem Glücke nach und merktest nicht, wie jeder Schritt, der Dich nach Deiner Mei­nung immer näher bringen sollte, Dich nur weiter daöon entfernte, bis dieses Scheinglück endlich in nebelhafter Ferne vor Dir in den Boden versank, bis das Irrlicht erlosch und Deine gierig aus- gestreckte Hand in leere Luft griff, statt das Ziel zu erfassen. Die besten Kräfte hast Du geopfert und vergeudet."

Vergeudet? Habe ich nicht Großes schaffen helfen? "

Dn glaubst es. Doch wo ist es geblieben, wo ist Dein Glück? Kannst Dn mir Dein Wort darauf geben, daß Du auch nur eine Stunde ge­habt hast, wo Dn au der Brust Deines Weibes ruhtest und ihr znflüstern konntest: Leonie, ich bin glücklich? Du verstummst!"

Conrad erwiderte nichts. Die Worte des Doc- tors hatten sein Herz getroffen, und finster blickte er vor sich nieder. Wer ließ diesen Mann dort sein Innerstes so klar durchschauen und so deutlich in seiner Seele lesen? Ja, Falk hatte recht, er hatte nie die Zufriedenheit in seiner Brust ge­tragen, er hatte niemals Ruhe gekannt, niemals das volle, reine Glück der Liebe empfunden, er hatte Bankerott gemacht als Staatsmann, Schiffbruch ge­litten mit seinem Streben, er war elend gewesen in seiner Ehe an der Seite eines schönen, jungen lind liebenswürdigen Weibes."

Ja," rief er,ich bin elend gewesen, unsäg­lich elend und mein Dasein ist verloren! Ans meinem Schiffbruch habe ich wenig gerettet, nur mein Geld. Ich ziehe mich zurück als wohlhaben­der Mann, ich gehe nach Feldingen und dort werde ich versuchen, das wahre Glück zu gewinnen" und ironisch fuhr er fort:Sage mir nur, worin es besteht, da Dn es ja so genau zu kennen scheinst."

Es besteht darin," erwiderte Falk mit Wärme, daß man des Glanzes der Welt nicht bedarf, daß man uneigennützig für Andere denkt und sorgt, daß man den Seinen und Anderen Freude bereitet und sich selbst darüber vergißt. Wenn man dann den Tag über gearbeitet hat und der Abend kommt, legt man sich müde aber froh in sein Bett, ein ruhiger Schlaf umfängt die Glieder und frisch und fröhlich erwacht man am andern Morgen zu neuem Tagewerk. Ich habe nicht nach Macht und Geld gestrebt, ich habe mich aus einen kleinen Kreis be­

schränkt, den ich nach meinen Kräften anszusüllen suche, Freundschaft und Liebe erheitern mein Da­sein, und mit meinem braven Weibe durchlebe ich glückliche Tage."

Wenn ich wie Du wäre, möchte mich der­gleichen auch befriedigen, aber mein Wesen ist nun einmal ein anderes und meine Begriffe von Glück"

Das wahre Glück ist nur eins," unterbrach ihn Heinrich.Aber was hilft das Reden und Streiten! Glaube mir, Du bist auf falschem Wege. Kehre um, blicke in Dich, geh' mit Dir zu Rathe! Denke, daß ein Freund Dich warnt und mahnt!"

Der Unterstaatssecretär schwieg nachdenklich. Sollte er jetzt mit seiner ganzen Vergangenheit, mit seinen Anschauungen brechen, sollte er sich selber gestehen, daß er geirrt und gefehlt hatte? Er äußerte das und schloß:Soll ich demüthig vor die hohnlachende Welt hintreten und xntor, xseeavi! rufen?! Nie! Und ich bin noch nicht ein­mal selber überzeugt, daß ich geirrt habe. Es ist wahr, mich hat Unheil betroffen, ich habe Vieles, ich habe Großes verloren, aber mein Vermögen bleibt mir noch. Ich werde Deiner Mahnung folgen und mit mir selber zu Rathe gehen, was jetzt zu thnn ist. Dn aber habe Dank für Deine gute Absicht."

Er reichte Falk die Hand, die dieser herzlich drückte.

Es wird noch Alles gut werden, Conrad. Ueberlege, denke nach, Dein klarer Geist wird das Rechte finden. Willst Du mir von Deinen Ent­schlüssen Nachricht geben?"

Ich komme selbst, wenn es Dir nicht un­angenehm ist. Jedenfalls verlasse ich bis ans Weiteres die Residenz, und da möchte ich Dir zuvor Adieu sagen, Dir und," setzte er zögernd Hinz», Deiner Frau, die, wie ich höre, mit meiner Leonie Kameradschaft gemacht hat. Empfiehl mich ihr in­zwischen!"

Mit diesen Worten verließ er Falk's Studier­zimmer und fuhr gleich darauf in seinem leichten Wagen davon, gerade noch zeitig genug, um seinem Vater nicht zu begegnen, der bald darauf ans der Stadt zurückkehrte. Bevor er noch zu Bärbi gehen konnte, um ihr die für sie eingekauften Dinge zn übergeben, nahm ihn Falk in Empfang und zog ihn in seine Stube, um mit ihm über die Ereignisse des Tages zn sprechen. Wie er bald bemerkte, wußte Bronker bereits Alles, was vorgefallen war.

Mit dem Sturze des Ministeriums ist auch der des Unterstaatssecretärs unvermeidlich," sagte Falk.

Er hatte feine Entlassung bereits eingereicht, erzählte man mir in der Stadt," entgegnete der Alte gleichgültig.