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(L. Zoeller-Lionheart.
dort obeir in der Weltabgeschiedenheit von Ana Capriva begraben wollte.
Lady Enimily protestirte, — der Professor sagte kein Wort, obgleich Sybillens Augen in unwillkürlicher Frage zu ihm erhoben waren. Sanftes Nachgeben schien jedoch in ihrer Natur zu liegen, denn wieder siegte die Forderung Lady Emmily's, die mehr einem Befehl, denn einer Bitte glich. Sybille mußte bei ihnen bleiben. Es gab kein Entrinnen mehr aus den Zauberkreisen, die sich enger und enger um die beiden Furchtsamen legten.
Kämpfet nur gegen die höheren Mächte — ihr ringet vergeblich gegen die zwingende Gewalt in Eurer eigenen Brust, im Rahmen der Märcheninsel Capri. Das Zaubereilaud mit seiner Farbenglnth, — das stündliche Beisammensein, der Duft, der aus südlich üppiger Vegetation sich träumerisch um ihre Sinne legte, das Ausrnhen im süßen Nichtsthnn und zwei noch junge, heiße, glückesdurstige Herzen, an denen die Leidenschaften noch nicht gezehrt und dabei widerstehen den kategorischen Forderungen des ewigen Naturgesetzes? — — Es konnte nicht sein.
Sie fühlten Beide die Gefahr und sie wehrten sich wie Verzweifelnde. Stumm, mit gesenkter Stirn schritt Sybille an der einen Seite Lady Haughtons, die ihre Arme zur Stütze um des Professors und des Mädchens Nacken gelegt, und langsam wandelten sie von der Marina, dem einsam pittoresken Fischerörtchen, am Strande aufwärts einen steilen Weg zwischen Blumengärten nach der Stadt Capri zu.
Durch die engen Straßen, an den zierlichen weinumrankten Häuschen, mit den moscheenartig gewölbten, in der Mitte platten Dächern, auf denen blühende Gärten schweben, schritten sie vorbei, ein gar wortkarges Trio. Nur Lady Emmily stöhnte, daß man hier zu Laude seine eigenen Füße gebrauchen müsse und jammerte, daß sie ihr unvergleichliches Vaterland für diese uncultivirte Gegend mit uncivilisirten Menschen verlassen; und unwirsch wies sie bildschöne Fischerkinder und anmuthsvolle Mädchen von sich, die zierlich geflochtene Strohkörbchen mit Korallen, Muscheln und Steinchen oder bunten Blumen mit der unvergleichlichen Grazie dieser Naturkinder ihr anboten. Verächtlich betonte sie das „uncivilisirt" und ihr Finger deutete dabei auf junge reizende Gestalten, die in plastischer Haltung antik geformte Krüge und andere schwere Lasten, selbst Steine auf den klassischen, vom rothen Mucadore bedeckten Köpfen trugen.
Es war Alles, auch das Alltägliche von einem Hauch poetischer Schönheit hier verklärt und diese Ueberfülle des Schönen legte sich immer berauschender nur die beiden Empfänglichen, während die
kleinen Unbequemlichkeiten Lady Emmily immer verdrossener machten.
Endlich war die Locanda erreicht. Eine blühende Terrasse neigte sich zum Garten hinab, den riesige Palmen und rosenroth blühender Oleander beschatteten. Von der Pergola hing traubenschwer der Rebenschmuck und umschlang die corinthischen weißen Säulen bis hinauf zum grünen golddurchleuchteten Rebendach. Märchenschön und still, wie Dornröschens Schloß, lag das Gasthaus und balsamisch dufteten die tausendfarbigen Blumen hinein in die gewölbten kühlen Zimmer.
„Wie im Himmel," hatte Sybille gemurmelt, während sie Mylady behülflich war, sich aus ihren Tüchern zu wickeln und mürrisch und verdrossen und auf Alles und Jedes in dieser weltvergessenen Einöde scheltend, sich auf dem harten Sofa des Staatszimmers auszustrecken. Es war Alles „slloeüiüg" hier und alle Welt hatte sich verschworen, sie zu ärgern.
„Lord! Wie konnte Doetor Nebel mich hierher beordern, wo gar kein Comfort ist," schmollte sie übellaunig. „Es ist eine Schande, mich hier einzupacken für den Spätherbst, und ich begreife Spencers Selbstsucht jetzt, erst nach den Fuchsjagden hierher kommen zu wollen. Wenn ich den Gebrauch meiner Füße hätte, wäre ich auf und davon in — no tiino — ehe Sie es ahnten. Meine Brust könnte in Monaco ebenso gut restaurirt werden, dächte ich. Nicht so — Doetor?"
„Und Ihre Nerven, Lady Emmily? Glauben Sie wirklich, daß das ruhelose Monaco ein passender Aufenthalt für Sie wäre? Hat Sie die Saison in London nicht schon ernstlich krank gemacht, daß Sir Spencer Sie mir Hals über Kopf zuschicken mußte? Mit meiner vollen ärztlichen Autorität trete ich gegen den Ortswechsel auf."
„Wären Sie nur erst wieder im Stande, am Strande herumzulausen," tröstete Sybille die Unmuthige nun auch, „und Sie sollen dies köstliche Stückchen Erde noch lieb gewinnen. Nirgend findet man so großartige Landfchaftsschönheit vereinigt wie hier."
„Ihr seid närrisch mit Eurer Landschafts- schwärmerei! -— Hyde-Park, Mittags- und Abendgesellschaften lcsttls äralli8 und äranäaA - roorQ8, selbst Loi8 äs LouloMs sind mir interessanter," meinte sie geringschätzig. „Blaues Wasser, Felsen, Blumen und wieder Fels, die sehen alle Tage gleich aus und man wird krank vor Ueberdruß; und was Ihr gar an diesen Weibern mit dem braunen Teint und den furchtbar niederen Stirnen malerisch finden könnt, das begreife ich in der That nicht. Gott bewahre mich, Ihr seht ja Beide so entsetzt aus, als wär's ein Sacrilegium, diese vielgepriesene Insel und ihre Schönheiten anzutasten.