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<L. Zoeller-Lionheart. Ihr Geheimniß.
ob ich sterbe vor Quälereien?" stieß sie schluchzend hervor.
„Was soll das Alles heißen? Wo ist Mrs. Jenkins?"
Da stieß er in ein Wespennest. Mit funkelnden Angen schnellte Lady Emmily aus ihrer gebrochenen Haltung im Fauteuil auf. Mrs. Jenkins war die impertinenteste und die herzloseste Person der Welt, die sie ihrem Elend hier hilflos überlassen. Die wisse recht gut, was sie ihr damit an- thäte, sie könne nicht mal etwas aus den Sachen in den Koffern herausfinden und diese seien noch alle unausgepackt. Mrs. Jenkins sei eine fürchterliche Person und sie würde froh sein, sie los zu werden, wenn sie nur gleich Ersatz hätte. Der männliche Bediente sei gleich nach Neapel Per Extrabarke abgeschickt, um solchen aufzutreiben um jeden Preis.
Es hätte am Frühmorgen eine arge Scene zwischen Herrin und Dienerin gegeben. Lady Emmily hätte Brod anstatt des süßlichen Maisgebäcks mit Oel zum Frühstück verlangt und Jenkins war hinausgegangen, um es zu beordern. Jenkins und Steward verstünden kein Wort italienisch, der Wirth keine Sylbe englisch, Miß Sybille war so selbstsüchtig gewesen, auszugehen, ehe die Anderen an Aufstehen dachten. Die Kammerfrau war nun auf den Ausweg gekommen, die paar französischen Brocken, die von Paris aus in ihrem Gedächtniß haften geblieben, bei dem Wirth zu versuchen. Französisch verstände er, hatte er mit Kopfnicken zugestanden. Signore Michele verschwor sich später hoch und theuer, er habe wiederholt gefragt: ,,än xuin?" und die Kammerfrau habe gravitätisch immer wiederholt: „nn buin"; worauf hin das Ungeheuerliche geschehen, daß ein großer Bottich mit lauwarmem Wasser von zwei handfesten Mägden in Lady Emmilys Schlafzimmer geschleppt worden, wobei die halbe Stube unter Wasser gesetzt wurde.
Lady Emmily hatte, nachdem sie den Sachverhalt erfahren, Jenkins eine Gans genannt. Diese sei, wüthend darüber, daß man ihr, die zehn Jahre bei der Herzogin von Nottingham gedient, so etwas
zu bieten gewagt, und habe ihre sofortige Entlassung gefordert. Sie bleibe nicht eine Stunde mehr in dem gottvergessenen Lande, in dem es nach Knoblauch und Oel röche und berühre weder Kamm noch Bürste mehr in Myladys Diensten. Sie sei eben keine Gans mehr.
Mylady hatte klein beigeben wollen, aber die beleidigte Kammerfrau habe jede Handleistung energisch verweigert und sei mit der Barke schon auf und davon.
Professor Lenz nahm Alles von der scherzhaften Seite, und die Situation hatte den Höhegrad des Komischen erreicht, als er, mit sanfter Ueberredung Lady Emmily zurück auf ihren Stuhl vor dem Toilettespiegel führend, mit Bürste und Kamm an dem Haarreichthum von Mylady, mit zagenden Händen herum zu hantiren begann. Ein etwas zweifelhaftes, ja verzweifeltes Unternehmen, bei dem sie unaufhörlich aufzuckte und ausschrie, und ihm der Angstschweiß zuletzt auf die Stirn trat, da er mit Dutzenden von Haarnadeln die aufgerollten Haarpufsen nicht bändigen konnte, die er aufzustecken bemüht war, und die unter der eigenen Schwere immer wieder herabrollten.
„Halloh, oläbozL Bist Du Friseur geworden?" rief da eine lustige Stimme von der Thür her. Sie drehten blitzartig die Köpfe, Lady Emmily mit ihrem verweinten Kindergesicht und der Coiffeur wider Willen mit der kläglichen Miene eines Menschen, der sich in einer etwas lächerlichen Situation überrascht sieht.
Die lustige Stimme gehörte dem immer gut- gelaunten Sir Spencer Haughton an, welcher der unenglischste Engländer war, den man sich denken konnte. Lady Emmily hat ihm von Neapel aus heimlich telegraphirt; der galante Ehemann, der erst seit ein paar Monaten die Flitterwochen überschritten, war diesem Hülfeschrei mit der Eile des Windes gefolgt, — und da stand er in sein Plaid gewickelt, den Nachtsack in der Hand, auf der Schwelle, starrte die seltsame Gruppe au und wollte sich vor Lachen ausschütten.
(Fortsetzung folgt.)