Heft 
(1.1.2019) 10
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Frank-Lfarkut. Zickzack.

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die stolzen Gebäude des Mode-Seebades Biarritz, welches die Laune der modernen Niobe, die ihren Lebensabend comfvrtabel im gastlichen England ver­trauert, aus einem armseligen baskischen Fischer- dörschen geschaffen hat.

Das Kaiserreich ist gefallen, aber Biarritz re­giert noch.

O, die herrliche Seeluft! Mein Freund, welcher Hunger hat, sagt, sie rieche nach Austern und Hummersalat. Er mag Recht haben.

St. Jean de Lnz! Draußen auf dem Perron stehen baskische Weiber, bunte Tücher um das reiche Hinterhaar geschlungen, baskische Männer in Blonsen mit der blauen, flachen, aus feiner Wolle gefilzten Boina auf den runden Köpfen. Scharfgezeichnete, nicht unschöne Gesichter, gedrungene aber doch be­wegliche Gestalten, zäh an Körper und Geist, wie die knorrigen Eichen ihrer Berge.

Die Leute sprechen in ihrer uralten, barsch­klingenden Sprache. Kein Wunder, daß, wie einst die Römer es einem römischen Munde nicht für möglich erachteten, daß er das Baskische aussprechen könne, so auch die modernen Spanier die Sprache nicht lernen können.Verrückte Sprache," sagte der andalnsische Witzbold;Salomon schreiben sie das Wort und Nabuchodonoser sprechen sie es aus."

Hendaye, die französische Grenzstation. Wir rollen über die Bidnssoa und sind in Spanien, in Jrun. Man sieht, riecht und fühlt es, daß man in Spanien ist. Aber man kann sich an Alles gewöhnen, auch an Spanien, und am Ende findet man gar, daß Land und Leute nicht so übel sind.

Das Gepäck wird untersucht, nicht allzustrenge, der Zug setzt sich endlich wieder in Bewegung und eine Stunde später sind wir in San Sebastian, dem Mode-Seebad der spanischen Aristokratie, an­gelangt.

Die liebe, warme Sonne lockt uns in's Freie. Am Strande entlang, an den im Winter leer­stehenden Prachtbauten vorbei, gelangen wir an den Pfad, der um den Hügel führt, von welchem das alte Castell drohend, aber ungefährlich auf See und Stadt hinabschant. Zwar sind die Bäume, trotz der schwellenden Knospen, noch kahl, aber das Gras ist herrlich grün, und die ersten Blumen blühen, Primeln, Veilchen und Maaßliebchen.

Während ich hinaus aus die rollende See schaue und das Schifflein verfolge, welches wie trunken auf den Wogen taumelt, erst kaum den wehenden Wimpel zeigt und im Augenblick darauf schier ans den Fluthen zu Hüpfen scheint, besichtigt mein Freund die altersschwachen Geschütze einer Strand- Batterie.

Morsch und verfault, wie das ganze spanische Staats-Gebäude."

Je näher dem Verfall, um so näher der

Wiedererhebung," entgegnete ich, denn ich liebe Spanien, Land und Volk.

Darüber gab es eine kleine Debatte. Wir schritten, eifrig sprechend, fürbaß und ehe wir es uns versahen, waren wir an die ephenüberwachsene, enge Pforte und an die noch engere Straße ge­kommen, welche abwärts in den nördlichen Stadt- theil führt. Wir hatten den Hügel umwandert.

Unter dem Thor, hinter dem herabhängenden Epheu, im tiefen Schatten blieben wir stehen. Wir sehen ein kleines Haus, und aus einem kleinen Fenster im ersten Stock schaut ein Mädchenkopf heraus. Ein herrlicher Kopf, das reiche, schwarze Haar in zierlichen Flechten und Löckchen über Stirn und Wangen geordnet. Das Kinn ist auf die kleine, weiße Hand gestützt. Die dunkeln Augen blitzen.

Gegenüber dem Fenster, auf der andern Seite der Straße, gegen die Mauer gelehnt, steht ein junger Bursche und dreht sich eine Cigarette.

Halt," flüstere ich zu meinem Freunde,warten wir ein wenig. Hier ist ein Liebespaar."

Was Ihnen nicht Alles einfällt," brummt mein Freund. Aber er wartet. Ueber uns fallen die Sonnenstrahlen in die enge Straße. Die Fensterscheiben blitzen wie Diamanten und die Kleine hält sich die Hand vor die Augen.

Weint sie?" frage ich flüsternd.

Der Bursche hat endlich seine Cigarette fertig gedreht, zündet sie an, steckt seine Hände in die rothe Schärpe, welche ihn nmgürtet, und wendet sich um. Ein hübscher Kerl. Seemann, wie es scheint. Dann blickt er zu ihr hinauf, streicht die Asche von seiner Cigarette ab und raucht wortlos weiter.

So sahen sie sich eine Weile stumm an.

Dann ruft sie mit leiser, bittender Stimme Carlos!"

Er rührt sich nicht.

Carlitos!" ruft sie flehend.

Er raucht ruhig weiter.

ä6 ml alma (Licht meiner Seele), komme hier unter das Fenster, zu Deiner armen kleinen Carmen. Komme, Freund meines Herzens. Komme. Ich habe Dir etwas Wichtiges zu sagen!" Sie sieht furchtbar ernst aus, hebt die schönen Brauen und endet im Flüsterton, mit rundem Mündchen: Ein Geheimniß!"

Antwort: Eine dichte Rauchwolke.

Du warst sonst so gut zu mir!" Ihre Stimme zittert, ich glaube wirklich, sie weint.Warum zürnst Du? Wenn ich Dich beleidigt habe, dann komme dicht hier unter's Fenster dann, ich thue es, ich bitte Dich um Verzeihung." Sie verbirgt ihr Antlitz hinter den Händen.

Arme Carmen! Trotziger, hartherziger Carlos!