Heft 
(1.1.2019) 10
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Die Erziehung einer neuen Generation.

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Mittel als der pslichtgetreue Arzt von feiner Bildung. Und nur äußerlich mit aller Mühe halten die soge­nannten gebildeten Kreise sich auf der gesellschaftlichen Höhe, im Kampfe mit der Macht des heutigen Le­bens. Ist nun denn aber die christliche Kirche von heute nicht die große Heilsanstalt, welche der Nation neue sittliche Kraft giebt und sie vor dem Versinken in Materialismus zu bewahren weiß, die Kirche, um­faßt sie nicht mehr die Menschen wie eine große Familie? Ist sie nicht mehr unbestechlicher Richter, die genieine Gesinnung unerbittlich trifft und alle Edlen tröstet und stützt, was der Staat im Ganzen nicht thun kann? Hat nicht die christliche Religion die schöne Aufgabe, den rohen Egoismus zu dämpfen und als erstes Gebot zu verkündigen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst? Bringt nicht die Kirche die schöne Harmonie des Gemüthes zurück, die im Kampfe um's Dasein verloren geht, vollendet sie nicht das Wesen des Menschen, der bei der angestrengten Cultnrarbeit einseitig und egoistisch beschränkt wird, und durchdringt sie nicht sein ganzes Wesen mit dem Lichte der Liebe und umfaßt sie nicht mehr alle die zerstreuten und vereinzelten Menschen als Kinder Gottes, vor dem wir Alle gleich sind, durch das Band der Liebe und echten Humanität? Das sollte sie und könnte sie! Denn der innerste Kern des Christenthnms ist für alle Zeiten unvergänglich und steht nicht mit Cultur und Wissenschaft, steht mit keinen socialen Verhältnissen, wie sie auch immer sich gestalten mögen, in Widerspruch. Aber die Kirche sollte bedenken wie die Religionsbegriffe, die man Indianern, Hottentotten, Pescherähs beibringt, andere sind, als die, welche man hochgebildeten Europäern lehrt, daß auch der christliche Lehrbegriff ein anderer sein muß, als im Mittelalter und zur Zeit der Reformation. Mit der zunehmenden Reife der menschlichen Vernunft ist auch ein reineres Erfassen der Gedanken und Lehren Christi ermöglicht worden. Wozu darum heute starr an den Formeln festhalten, die einst Christi Gedanken annehmen mußten, um dem unreifen rohen Verstände der früheren Jahr­hunderte erklärlich und begreiflich gemacht zu werden? Warum hinter diesen Formeln den wahren Kern des Christenthums zurückstellen, Vergeistigung des Menschen in Vernunft und Liebe? Warum über starren Glaubensbegrifsen die Ausgaben der christlichen Religion vergessen, die hohe Aufgabe: die Menschen unablässig zu erinnern, daß sie ein Theil Gottes sind, daß hinter dieser irdischen sinn­lichen Erscheinungswelt ein Reich des Geistes be­steht, das man nicht begreifen, aber wohl ahnen und in frommer Erhebung spüren kann, daß Jeder dies wahre Himmelreich sich aneignen kann, nicht dadurch, daß er den Glaubensbegriff und Dogmen nachspricht und daß er den Katechismus und die Gebote gut hersagen kann, sondern dadurch, daß er die

rohe Selbstsucht in sich besiegt, in liebender Auf­opferung, die den Menschen höher stellt, als alle Kunst und Wissenschaft? Warum so nicht die Aus­gabe der Kirche auffassen? Wie noth thut uns das! Berühmte Reisende berichten, daß bei den Mohammedanern zu jeder größeren Karawane ein Gebetmacher" gehört, welches Amt der Anführer meist selbst übernimmt. Beim Anfbrechen in der Frühe, bei der Rast an der Cisterne um die Mitte des Tages, beim Aufschlagen des Lagers im Boll- mondschein jedes Mal ertönt der ernste Ruf:

Allah akbar" Gott ist groß-Sie steigen herab

von ihren Kameelen, neigen sich nach Osten gerichtet und sprechen: Allah beschützt und bewacht die Guten aus ihrer Fahrt und wendet die Noth, wenn man ihn anrnst." Wenn die Helle Stimme der Mueddin erschallt, aus der Höhe des Thurmes, legt der Handwerker, der in seiner offenen Werk­statt arbeitet, das Gerätst aus der Hand, der Kauf­mann die Waare, unbekümmert um die Kunden, und spricht sein Gebet rc. Durchdringt die christ­liche Kirche auch noch so das Leben ihrer Glieder, giebt sie ihrem Leben auch solche Weihe in der Alltäglichkeit? Was aber sehen wir in unserer Zeit? Ans der einen Seite starres Festhalten an den Formeln, die doch nur Mittel zum Zweck sind, Mittel um die hohe sittliche Aufgabe der Kirche ins Werk zu setzen, an Formeln, die als solche unfähig sind, die Menschen im Innersten zu er­greifen und zu veredeln, ans der anderen Seite Haß, Hohn, Verachtung gegen jede Religion, weil man nur die bestehenden Mißbräuche sieht und die Unfähigkeit der Kirche, wie sie jetzt verfährt, dem rohen Egoismus zu steuern und in ihr nur eine Verbündete des Staates erkennt, um alle Elenden und Bedrängten zu beruhigen, durch die Aussicht aus ein besseres Leben nach dem Tode. Mit der Auflösung der Dogmen ist leider auch Zerstörung des tiesreligiösen Sinnes, der im deutschen Herzen wohnt, einhergegangen, der Discreditirung der Kirche, wie sie im Culturkampf den Ausdruck fand, ist leider auch die Geringschätzung aller religiösen Empfindungen gefolgt. Daher denn auch das Rathlose, Unbefriedigte in unserem Culturleben und andererseits der Druck des Handwerkmäßigen, Alltäglichen, Weihelosen. Diesen Zuständen auf so­cialem, wissenschaftlichem, religiösem Gebiete gegen­über giebt es nur zwei Wege, um einer drohenden socialen Revolution zu begegnen. Entweder man denkt nur an die Gegenwart und verschafft sich gewaltsam Ruhe durch rücksichtsloses Unterdrücken aller Äuße­rungen der Unzufriedenheit und des Schreiens nach Gerechtigkeit und stellt im Uebrigen der Vorsehung anheim, wie es werden soll und mag oder man geht ernstlich an Reformen, wie sie die Wei­terentwicklung der Menschheit verlangt. Hier thut