Heft 
(1.1.2019) 10
Seite
466
Einzelbild herunterladen

466

Robert Waldmüller.

Badenden entbehren, denen 23^0 N. genügen. Die Gasteiner Thermen haben bis 39" R. natürliche Wärme, nämlich in Wildbad Gastein, in Hof Gastein langt das durch Röhren dahin geleitete Wasser in einer Temperatur von etwa 2?0R. an. Im wür- temberger Wildbad beträgt die Quellenwärme 27 bis 300 R.

In der Höhenlage steht Warmbad Wolkenstein gegen Wildbad Gastein natürlich erheblich zurück. Letzteres steigt in seinem höchsten Theile bis zu 1048 Meter Seehöhe hinan. Warmbad Wolken­stein hat 458 Meter Seehöhe, das würtemberger Wildbad gar nur 450.

lieber die Wirksamkeit der Mineralbäder giebt es bekanntlich keine zuverlässige Statistik und wird es auch nie eine geben können. Heilungen werden häufig durch uncontrolirbare Zwischenfälle vereitelt und kommen hinwieder ebenso oft durch ein Zu­sammentreffen von Umständen zu Stande, über welche weder Arzt noch Patient sich genaue Rechen­schaft geben können. Für den einen Kranken wird die hohe Lage eines Ortes zu einem Hauptgründe für seine Kräftigung, für den andern hebt sie die Wirkung der Bäder theilweise oder ganz aus. Dem einen Patienten hals die veränderte Lebensweise, hals das stete Promeniren, das Plaudern mit Lei- densgenossen, das Losgebundensein von amtlichen Pflichten oder geschäftlichem Trouble, der andere wird außerhalb seiner vier Pfähle übellaunig, findet jede Suppe versalzen, jeden Stiefelknecht zu weit, jedes Bett zu kurz und kommt gallsüchtiger heim, als er auszog.

Also Nichts hier über Warmbad Wolkenstein, soweit seiner Quelle die Pflicht obliegt,mit seinen stolzen Schwestern Gastein, Wildbad und Pfeffers" die menschlichen Gebresten zu vermindern, als da sindNervenschwäche, Muskelatrophie, Lähmungen der unteren Extremitäten, Rheumatismen" re. re.

Dagegen Einiges über den ihm etwa zukom­menden Anspruch, mehr als bisher auch durch Nicht­sachsen besucht zu werden.

Hierbei ist allerdings zwischen verwöhnten und nicht verwöhnten Reisenden zu unterscheiden. Die Erstereu thuu besser, jenenstolzen" Schwestern treu zu bleiben. Wer dagegen statt dreimaliger täglicher Kurconcerte sich genügen läßt an einem Mittwoch- und Sountag-Nachmittag-Concert, das eine kleine, aus Marieuberg herüberkommende Militärkapelle veranstaltet, wer in Betreff des Mit­tagstisches ohne reiche Speisenauswahl auszukommen vermag, wen es nicht stört, daß ein großer Theil der Badegäste aus jeden Toiletteu-Luxus verzichtet und daß sehr Viele auch als eine praktische ökono­mische Seite des Bades das Recht in Anspruch nehmen, niit ihren eigenen Betten und ihrer eigenen Bettwäsche sich zu behelfen, wer alle diese Merk­

male eines einfachen und wohlfeil zu ermöglichen­den Kuraufenthalts als etwas vielleicht sogar Schätzenswertes gelten läßt, der schaue sich getrost einmal dies sächsische Gastein au.

Angeblich sind 225 Logirräume vorhanden. Sie vertheilen sich auf vier Häuser, zwei große ältere (das Bade- und das Restaurationshaus) und zwei erst nenerdings gebaute von niederem Umfang, aber freierer Lage. Ein fünftes Häuschen, vornehmen Ursprungs (1791 für die damalige Landesmutter erbaut), enthält nur vier Zimmer und pflegt nicht getheilt vermiethet zu werden.

Dies ganze Besitzthum steht unter einem der Söhne des verstorbenen alten Uhlig; für sich und die übrigen Erben führt er als Direktor die Ver­waltung; ein Bruder des Directors bewirtschaftet das umliegende Feldareal. Die Restauration ist verpachtet. Nur dort bedienen Kellner. Die übrige Bedienung ist weiblich.

Der Arzt, vr. Kay, wie es heißt ein Mann von tüchtigen Kenntnissen, ist Mecklenburger.

Soviel zur ungefähren Orieutirung für Kranke. Für Freunde von Fußwanderungen noch Einiges über die lohnendsten Ausflüge.

Aber zunächst: wie erreicht man Wollenstem? Die Stadt dieses Namens liegt au der Zschoppau; also erreicht man sie per Eisenbahn, wenn man, etwa auf der Fahrt von Dresden nach Chemnitz begriffen, kurz vor letzterer Stadt bei der Station Flöha auf die von Flöha nach Annaberg führende Zschoppau-Bahn abgeht. Die Stadt Wolkenstein liegt hoch oben, und wer kein Freund von Anstren­gungen ist, mag am Bahnhof einen Wagen nehmen. Der bringt ihn in 10 Minuten bergauf und in weiteren 15 bis 20 Minuten nach dem freundlich in einer Thalsalte gelegenen Bade.

Sehr alte Laub- und Nadelbäume umgeben dasselbe und auch stattliche Alleen mit recht gut gehaltenen Wegen bieten Gelegenheit zu mannig­fachen Spaziergängen. Da keine Großstadt in der Nähe ist, so fehlt jedes städtische Element merk­licher Art, denn das nächste Städtchen eben das bescheidene Städtchen Wolkenstein hat nur etwa 2500 Einwohner, und der Freund primitiver und halb oder ganz dörflicher Zustände ist also wenn ihm das Stadtgetreibe daheim zu viel wurde hier wie auf einer Insel des stillen Meeres vor ihm gesichert.

Will man nun der im Erzgebirge ja so emsig betriebenen Hausindustrie etwas näher treten, so birgt fast jedes Haus des Städtchens Wollenstem derartige Thätigkeit in Menge. Es wird Stroh geflochten, es wird geklöppelt, Filet gearbeitet, vor Allem allerleiPosamenteln" getrieben. Alt und Jung sieht man in Haus und Garten emsig sol­chen Beschäftigungen obliegen, bei gutem Wetter im