Von
Friedrich Friedrich.
In dem Hafen Hamburgs lag ein Auswanderungsschiff zur Abfahrt bereit. Es war ein großer, prächtiger Dampfer, der mehr als Tausend Köpfen, denen die Heimath zu eng und auch zu schwer geworden war und die drüben mehr Platz, mehr Glück und mehr lohnende Arbeit zu finden hofften, hinreichend Raum gewährte und durch feine ganze Erscheinung das feste Vertrauen erweckte, daß er alle sicher in das Land ihrer Hoffnung überführen werde.
Es herrschte auf dem Decke des Schiffes, auf der Landungsbrücke und an dem Ufer ein solches Leben, ein Drängen und Stoßen, Rufen und Schreien, wie es nur ein Auswanderungsschiff darbietet, das in wenigen Stunden in See gehen will. Dazu kam, daß die meisten Auswanderer sich gegenseitig nicht kannten und auch nicht verstanden. Es waren Oberschlesier, Czechen und Polen. Fast durchge- hends ärmliche, zum Theil nur mit Lumpen bekleidete Gestalten.
Die Männer sonnverbrannt, meist von Arbeit gebeugt, aber mit trotzigen Blicken, entschlossen, dem Geschicke ein Stück Lebensglück mit Gewalt abzuringen, oder abgestumpft durch die Leiden zuvor, durch Sorgen und die Beschwerden einer langen Reife. Die Frauen blaß, abgezehrt, mit so ermüdeten Gesichtern, als ob auf dieselben nie ein schwacher Strahl des Glücks gefallen wäre. Dazu beladen mit den verschiedenartigsten Trümmern ihrer früheren ärmlichen Wirthschaft, erschöpft durch die Sorgen um die Kinder, an denen es fast keiner von ihnen fehlte.
Welche verschiedenartige Gruppen auf dem Decke des Schiffes! Und über allen ein Hauch des Elends. Nur aus wenigen Augen leuchtete eine freudige Hoffnung, sie hofften zwar Alle, aber was vor ihnen lag, war noch durch das Dunkel der Zukunft umhüllt.
Hier faß ein armes Weib neben einem Bündel schmutziger Kleidungsstücke und Betten auf dem Boden zufammengekauert, den angstvollen Blick auf einen Säugling gerichtet, den sie fest an die Brust gepreßt hielt und aus dessen kleinem Gesicht ihr der nahende Tod entgegenstarrte. Sie hörte nicht das Weinen zweier Kinder von ungefähr drei und fünf Jahren, welche sich an sie klammerten und
^ um Wasser und Brot schrieen. Sie hörte nicht ! die ermuthigenden Worte ihres Mannes, der taumelnd vor ihr stand und dessen geröthetes Gesicht nur zu deutlich verrieth, daß er zur Flasche gegriffen hatte, um die Sorgen abzuschütteln. Vielleicht war die Flasche der Grund, aus dem all' das ^ Elend stammte.
! „Gieb dem Kinde einige Tropfen, die werden ^ es stärken", sprach er stammelnd und reichte seiner Frau die Branntweinflasche.
Unwillig stieß sie die Haud zurück.
? Der Mann murmelte einige unverständliche Worte vor sich hin, dann ließ er sich schwerfällig nieder, nahm das dreijährige Kind, einen Jungen, auf das Knie und hielt ihm die Flasche an den Mund.
Dicht daneben waren zwei dunkeläugige Czechen um den Platz in heftigen Streit gerathen. Sie schrieen und fuhren mit den Händen umher, sie stießen sich zurück und ihre Frauen kreischten; schon hatten sie sich gegenseitig an den Haaren erfaßt, als ^ ein stämmiger Matrose dazwischenfuhr. Er verstand nicht, warum sie stritten und sie verstanden ! seine kräftigen Flüche in gutem Hamburger Platt ! nicht. Als er aber den Einen der beiden Streit- ! süchtigen erfaßte und so kräftig auf den Boden fetzte, daß es sich wie ein dumpfer Fall anhörte, da begriffen Beide, was er eigentlich wollte und waren ruhig.
Friedlicher gestaltete sich das Bild einer anderen, nur wenige Schritte davon entfernten Gruppe. Ein Mann, eine Frau und vier Kinder, es waren zwei Knaben und zwei Mädchen im Alter von zehn bis sechzehn Jahren, saßen beisammen auf dem Deck. Das Gesicht des Mannes war blaß, aus feinen eingefallenen Wangen leuchtete die Schwindsucht, aber frisch und kräftig war feine Frau, frisch und kräftig waren die Kinder, das Ebenbild ihrer Mutter. In entschlossener Weise hatte die Frau ihrem Manne einen gesicherten Platz errungen, nun vertheilte sie Brot und Speck unter die Ihrigen, nur dem Mann reichte sie ein Stück Fleisch und Weißbrot. Seine Hand zögerte unwillkürlich, das Dargereichte anzunehmen, fein Auge glitt über feine Kinder hin. Und die Frau verstand den Blick.
„Nimm nur", bat sie freundlich. „Das schwere