Heft 
(1.1.2019) 10
Seite
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Friedrich Friedrich. Nach fünfzehn Jahren.

Rechte preßte die Hand der Frau so fest, daß sie hätte aufschreien mögen.

Rosa, das hat der Himmel so gefügt!" rief er.

Dann sprang er ans und befahl dem Wirthe, das Beste zu bringen, was er habe.

Sieh, Rosa," fuhr er fort, als der Wirth den Tisch mit Speise und Trank besetzte,was mich damals fortgetrieben hat, das weißt Du. Ich war in verzweiflungsvoller Stimmung. Ich ging hin­über, fest entschlossen, Alles zu überwinden und zu vergessen, ich wollte nichts wieder von meiner Hei- math und von denen, die ich zurückgelassen, hören, als ich aber drüben angelangt war, konnte ich Dich doch nicht vergessen. Von Ort zu Ort habe ich mich dort umhergetrieben, ich litt keine Noth, denn Arbeit fand ich überall, aber es ließ mir nirgend Ruhe. Ich mochte nicht schreiben und doch zehrte es an mir, daß ich von Dir nichts erfuhr. Fast zehn Jahre bin ich drüben gewesen, da trieb es mich zurück. Ich wollte in meine Heimath eilen und doch bangte mir vor dem Gedanken, Dich als Frau des Bauers wieder zu sehen. Daß Du nicht glücklich sein werdest, das wußte ich. Ich zögerte und gewann hier Arbeit, gute Arbeit. Ich habe sogar Ersparnisse gemacht, ohne mich zu fragen, weshalb, denn an mein Alter habe ich nicht ge­dacht. Ich habe immer die Empfindung gehabt, wenn ich nicht mehr arbeiten könne, dann sei es fertig mit mir und Zeit, daß ich sterbe. Nun sage mir, wie es Dir ergangen ist."

Die arme Frau, die ihre Hand ruhig in der Rechten des Jugendgeliebten ließ, erzählte langsam, stockend von ihrem traurigen Leben. Sie verschwieg Manches, weil schon die Erinnerung davon sie er­zittern machte, aber es war doch nur ein trauriges Lied von Kummer und Herzeleid.

Rosa," sprach Sanders, indem er das vor ihr stehende Glas mit Rum aus einen Zug leerte, um sich Muth zu trinken.Mich hat das Leben viel nmhergeworfen. Jetzt habe ich mich auf einer Scholle Erde festgesetzt, die groß und fest genug ist, um zwei Menschen sicheren Raum zu ge­währen. Ich habe die Arbeit nie gescheut uud was ich jetzt treibe, nährt noch Mehrere. Frage Dein Herz, ob in ihm noch nachhallt, was es einst für mich empfunden und wenn es mir zustimmt, dann nimm hier meine Hand, Du sollst keine Noth leiden, so lange ich Dir zur Seite stehe, und Du

sollst auch niemals sagen, daß ich vergessen habe, was ich Dir einst gelobt. Mein Herz hat die Prüfungszeit überstanden."

Rosa antwortete nicht, sie konnte nicht sprechen, weil ihre Thränen es nicht gestatteten. Sie ließ es aber ruhig geschehen, daß er sie an sich preßte. Und als sie die Worte wieder gewann und ihm sagte, daß nur die Hoffnung, ihn wieder zu finden, sie nach Amerika getrieben habe, da jubelte er auf.

Also mich mich hast Du gesucht!" ries er glückselig. Und als mehrere seiner Kameraden in das Zimmer traten, lud er sie alle ein, seine Gäste zu sein, weil er den schönsten Tag seines Lebens feiere.

Es waren urwüchsige und rohe Gesellen, die in der Schenke dort verkehrten, sie pflegten kräftige Flüche anszustoßen und fest mit der Faust auf den Tisch zu pochen, wenn der Wirth ihnen nicht so­fort brachte, was sie begehrten. Als aber Sanders ihm seine und Rosa's Lebensgeschichte erzählte, waren sie lustig, aber wagten kaum laut zu sprechen. Es war, als ob auch bei ihnen das Gefühl der ersten Jugendliebe leise nachhalle und die hat immer et­was Heiliges.

In der Familie eines Freundes brachte San­ders Rosa unter, bis er für ein eigenes Heim Sorge getragen.

Als am folgenden Morgen bei der Höchstuth der Dampfer die Anker lichtete, um mit eintreten­der Ebbe den Hafen zu verlassen, da standen San­ders und Rosa auf der Landungsbrücke, um den Scheidenden noch ein Lebewohl zuznwinken. Sie standen Hand in Hand da und aus den Angen der Frau, die am Tage zuvor so verzweiflungsvoll ge­weint, die gemeint hatte, das Leben nicht länger ertragen zu können, leuchtete der jungfräuliche Glanz und das jungfräuliche Glück einer Braut.

Sieh," sprach Sanders, indem er Rosa's Hand fest drückte,es ist doch Alles gut geworden. Du warst gestern irr Verzweiflung, weil Du nicht mit­fahren konntest, und wenn Du jetzt auf dem Schiffe wärst, dann würden wir »ns wohl im Leben nie wieder gesehen haben. Ich meine, es ist gut so gekommen."

Er riß die Mütze vom Kopse, schwenkte sie in der Luft und rief den dem fremden Lande ent­gegen Fahrenden ein lautes:Hallo, Hallin!" nach.