Heft 
(1.1.2019) 10
Seite
475
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Der Kaffe baunr im Ziiiliu erg arten. Meinen verehrten Leserinnen und den Willensstärken Lesern hüpft sicher das Herz Häher, wen» sie die WorteArabischer" oderMokka-Kaffee" (Oollsta, arntücn U.i lesen. Bereitet inan doch ans den: Samen dieser gesegneten Pflanze den in allen Familien, von der unseres Heldenkaisers bis znm armen Mütterchen herab wie jedem einsam lebenden Menschen den unentbehrlichen Göttertrank, der stets auf­heiternd wirkt, der den Müden erfrischt, den Schläfrigen wach erhält, den Berauschten nüchtern macht und bei leichten Unpäßlichkeiten (Kopfweh, Berdauungsbeschwerden, Trägheit der Hautausdilnstuug n. n. m.) augenblicklich Hilfe leistet wenn er mäßig genossen wird, denn allzu starker Kaffee ruft allerlei Nervenübel hervor und kann selbst Betäubung und Schlagflnß bewirken.

Aber der Kaffee hat auch eine große Bedeutung für den Stoffwechsel im menschlicheil Körper. Das beweisen, nach »Areliivas ela UllvmoloM««, die Versuche eines jungen Medieiners Guimaraäs in Rio de Janeiro, der die 'Wirkung des Kaffees auf den Stoffwechsel mehrerer Hunde untersucht hat, wobei er fand, daß bei täglichem Genuß von Fleisch und aus möglichst gleichartigein Pulver her-gestelltem Kaffee nicht nur der Blntuinlauf und die Athmnng beschleunigt, die Temperatur erhöht, die Pupille erweitert und die Verdauung befördert wurde, sondern auch die Fleischmasse sich vermehrte, während ein anderer Hund, der nur Fettgewebe von Schweinen und Mehlbrei fressen durfte, beim gleichzeitigeil Genuß von Kaffee sicht­lich abmagerte und nach neun Tagen starb. Die Wirkung des Kaffees ist demnach der von Fleischbrühe (Bouillon) zu vergleichen, die mail lange als Nahrungsmittel be­trachtet hat, die indes) nicht nährt, wohl aber das Bedürf- lliß nach Nahrung erhöht. Fleischbrühe und Kaffee sind Reiz­mittel, welche dieorganischen Verbrennungen" fördern, doch ohne selbstBrennmaterial" zu liefern; der Kaffee vermehrt die vorhandenen, stärkt die physischen Kräfte und regt die Hirnthätigkeit an, indem er den Stoffwechsel und den Verbrauch von Stickstoffnahrnug fördert. Er ermöglicht dem Organismus, mehr zu brauchen und zu verzehren und ist sein Genuß alleil anznrathen, die ein thätiges Leben führen; aber er nützt nur. wenn er niit Fleisch, vorher oder nachher, genossen wird. Nach Guimaraäs' Versuchen wäre er den Vegetariern vom Uebel, was diese recht gilt zu wissen scheinen, denn sie kennen unseren Göttertrank kaum, von dessen Wirkung auf den Menscheil Jakob Delisle singt:

Der Sinn belebt sich und geordnet kommen

Mir die Gedanken, Wogen gleich geflossen:

Sie, die so dünn, so hohl, so traurig waren,

Sie lächeln nun und prangen, reich gekleidet."

Jean Paul sagte:Der Kaffee macht feurige Araber,

»au.

der Thee ceremonielle Chinesen," welches letztere bestritten werden muß: ein guter Thee, den I. P. wohl kaum ge­kannt hat, wirkt eben so angenehm und belebend wie ein guter Kaffee!

Die Frucht des Kaffeebaumes, der bis 6 Meter hoch werden kann und große dunkelgrüne, glänzende Blätter besitzt, ist eine Beere, unserer Kirsche vergleichbar, nur mit dem Unterschiede, daß der Stein der Kaffeebeere sich in zwei Theile spaltet, während er in der Kirsche untheil- bar ist, und man benutzt in Arabien, dem Bater- lande unseres Baumes,*) noch heute diese fleischige Hülle, indem man sie trocknet, braun röstet und zu Pulver stampft, das man ili kochendes Wasser schüttet und dadurch den (Alka n in siülltano (Sultanskaffee, Sakka oder Salabi bei den Türken, Kischer bei den Arabern, Oavv bei den Aegyptern) erhält.

Aber selbst in Arabien trinkt man Kaffee erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts. Man erzählt sich dort, daß der Prior eines arabischen oder persischen Klosters durch seinen Hirten erfahren habe, die Ziegen hätten nach dem Genüsse solcher Beeren die ganze Nacht hindurch komische Bockspringe gemacht, und danach soll er, um seine Mönche oder Derwische für die nächtlichen Andachtsübungeil wach zu erhalten, den Kaffee bereitet und ihnen znm Trinken gegeben haben.

Der Kaffee hatte im Anfang schwere Kämpfe gegen religiöse Lehren der Mohamedaner, gegen ärztliche Quack­salbereien und gegen Borurtheile und Luxnsgesetze der für das Wohl der Völker besorgten Regierungen durchzu­machen; trotzdem entstand 1554 das erste Kaffeehaus in Constantinopel; 1596 wurden Früchte an Charles de l'Eeluse (Clusius), den Professor der Botanik in Leyden geschickt; 1615 wurde ein Kaffeehaus in Venedig, 1652 eines in London, 1657 das erste in Paris und 1696 eines in Nürnberg errichtet. Und wenn auch die Dorf­schulzen in Norddeutschland die Kafseekessel wegnehmen mußten, Ivo sie solche fanden, und den Krämern auf dem Laude den Verkauf von Kaffeebohnen bei Strafe des Ver­lustes ihrer Concession verboten war das Kaffee­trinken wurde dennoch allgemein, es ist ein unentbehr­liches Bedürfniß geworden! Nur muß man die Surrogate weglassen und die Bohnen vor dem Rösten durch Abwaschen von allen ihnen anhaftenden Unreinigkeiten befreieil.

Der Kaffeebaum mit seinen glänzenden Blättern und schönen weißen, wohlriechenden Blüthen ist auch eine herr­liche Zierde des Zimmergartens, dessen trockene Luft er besser verträgt als die meisten anderen Pflanzen; man kann ihn auch leicht selbst ans Samen ziehen, nur

') Die Gelehrten hehaupten heutigentags, daß der Kaffeebaum aus den abyssinischen Landschaften Caffa und Enarca, zwischen dem 3. und 6. Grad n. Br. stamme, wo er auch jetzt gebaut und als Mokka-Kaffee in den Handel gebracht wird.

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