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Allgemeine Rundschau.
nicht aus den Kaffeebohnen des Handels, da ihnen die zarthäutige blaßbräunliche Ueberhaut fehlt, sie also nicht mehr keimfähig sind, auch nicht aus ungeteilten Bohnen, die sich öfter schon als Lupinensamen entpuppt haben, sondern aus Samen, den man selbst geerntet oder in einer reellen Samenhandlung gekauft hat, die ihn direet aus dem Lande bezieht, wo er viel angebant wird.
Man legt die Samenkerne einzeln in kleine Töpfe mit Haideerde, wo sie unter einer Glasglocke oder einem Trinkglase im warmen Zimmer oder ohne diese im warmen Mistbeet leicht keimen. Die Pflanze geht rasch in die Höhe und muß man ihr bald die Spitze ausbrechc», damit sie Seitentriebe bilde und sich von untere auf nach allen Seiten kräftig entwickele; dieses Entspitzen wird jedes Jahr wiederholt und auch an den Seitenzweigen angewendet; auch muß die Pflanze jährlich, wenn nöthig in einen größeren Topf, versetzt werden, wobei man ihr kräftigere Erde, d. h. mehr Dungerde giebt, zuerst eine Mischung 'von Haide- und Lauberde, zuletzt Haide- und lehmige Rasenerde mit wenig trocknem und gepulverten: Kuhdung. Beim Verpflanzen legt man, wie überhaupt für alle Topfgewächse, auf den Boden des Topfes eine Schicht Topfscherben, um der: Wasserabfluß zu erleichtern, und vermischt kleine Ziegelstücke mit der Erde, die dadurch lockerer und gleichmäßiger feucht wird: sie werden auch bald von den Wurzeln netzartig überzogen — ein Beweis, daß diese und die Pflanze sich dabei wohl befinden. Während des Wachsthums giebt mau der Pflanze reichlich Wasser, immer aber von der Temperatur des Raumes, in welche»: sie steht, niemals kälteres, und zuweilen einen Dungguß mit nachfolgenden: reinen: Wasser; nach Abschluß des Wachsthums und während der Ruhezeit, im Winter, verträgt sie nur geringe Feuchtigkeit und man sollte nie eher gießen, als bis die Oberfläche des Erdballens trocken geworden, dann aber immer durchdringend.
„Man kann kann: etwas schöneres sehen," sagt der kaiserliche Hofgarten-Director, HerrJühlke, in seinem schönen Buch »Schmidlin's Blumenzucht im Zimmer«, „als einen solchen, mit schönen: immergrünem, dunkelglänzenden: Laube überkleideten Strauch. Ein neues Interesse erhält derselbe, wenn er in: reiferen Alter mit röthlichbraunen Früchten," und gleichzeitig mit wohlriechenden weißen Blüthen, setzen wir hinzu, „bedeckt ist. Solcher in: Wohnzimmer gezogener Kaffee hat noch jiingst eine Damengesellschast zum Kaffeekränzchen vereinigt."
Der Kasieebnum ist neuerdings auch versuchsweise in: Congostaate angepflanzt worden und zwar in Vista und Leopoldville, und dürften gute Erfolge zu erwarten sein, weil in jenem Lande, besonders in den Umgebungen der Station Lonkoleta, weite mit wilden Kaffeebäumen bedeckte Felder gefunden worden sind; in Gabon hat das Hamburger Haus Woermam: bereits zwei gute Ernten gewonnen. O. Hüttig.
Ein königlicher Stierkämpfer. Es war im Jahre 1688, wolkenlos spannte sich der tiefblaue Himmel über das schöne Sevilla mit seinen ehrwürdigen Kirchen, seinen prächtigen Palästen und stillen Klöstern. Auf Straßen und Plätzen strömte die Menge der Arena zu, welche, trotz ihrer Größe, kaum die Schaulustigen zu fassen vermochte, ist ja das Stiergefecht (Oorricku ckv Torroch ein spanisches Volksfest!
Bald waren die drei Sitzreihen dicht gefüllt, sowie der Bogengang zu ebener Erde, schon das südliche bewegliche Publikum in seiner Erwartung, seiner Feststimmung bot ein interessantes Studium. Dieses Fächer- und Augenspiel, dieses Kreuzfeuer von Blicken und Worten! — Der Fächer ist der geborenen Spanierin, was der Deutschen — die Zunge. Die ganze Scala ihrer Gefühle drückt die heißblütige Südländerin durch die Fächersprache aus, Liebe,
Furcht, Eifersucht, alles dieses kann der Eingeweihte aus dem bald sanften langsamen, bald heftig kreisenden Schwirren und Bewegen des Fächers lesen.
Kurz vor Beginn erschien der Hof mit zahlreichem, glänzenden: Gefolge in der königlichen Loge und alsbald öffnete sich eine Thür und spie einen theatralischen Zug heraus. Voran mehrere Reiter mit bunten flitterbeuähten Zacken, rothe Fähnchen schwingend, auf edlen Rossen sitzend, deren Angen jedoch verbunden waren. Darauf der stattliche Matador, in seinem Purpurmantel mit der Würde eines Königs daherschreitend, während ihn die seidenen Strümpfe und Schnallenschuhe mehr als Cavalier, denn als Kämpfer erscheinen ließen. Den Schluß bildete eine Schaar schlanker, schwarzlockiger Burschen, ebenfalls in flimmerbenähten, bunten Jacken, mit Stäben bewaffnet.
Der erste Stier, welcher zum Kampf vorgelassen wurde, schien ein Thier ohne besonderen'Mnth, denn, als er in den Circus sprang, drehte er sogleich wieder um und wäre wahrscheinlich in seinen Stall zurückgekehrt, wenn die Thür inzwischen nicht geschloffen worden. Das Publikum verlangte daher durch lautes Geschrei, daß mit den: Thiere ein rasches Ende gemacht und ein anderes herbeigeführt würde. Doch auf einmal änderte sich die Scene, der Stier, wüthend gemacht durch seine Peiniger, hatten ihn doch alsbald die Burschen umringt und ihn: ihre Stäbe, an welchen Raketen befestigt waren, in den Nacken gestochen, rannte vor Schmerz laut aufbrüllend in weiten Sätzen auf den: Kampfplatz herum und plötzlich, zur Offensive übergehend, stürzte es mit gesenkten: Kopf auf den Madatvr zu. Ohne Zweifel hätte das Thier den Fechter durchbohrt, wenn nicht unerwartete Hülfe geworden.
In den Circus war ein stattlicher Mann getreten von hoher, gebietender Erscheinung. Eine schwarze Maske bedeckte das Gesicht, doch leuchtete weiße, zarte Haut hervor und aus der Kopfbedeckung stahlen sich blonde Haare. — Die ganze Persönlichkeit war so neu in diesem Lande, wo die Sonne die Haut dunkelt und unter schwarzen Haaren schwarze Augen sprühen, daß sie lautes Staunen hervorrief! Der Fremdling hatte den Stier bei den Hörnern gefaßt und drückte seinen Kopf in den Sand des Circus. Laute Jubelrufe belohnten dieses Bravourstück, welches dem Matador zu gleicher Zeit das Leben rettete. Doch der Unbekannte, vielleicht, um den: Stierkämpfer nicht den Siegespreis zu rauben, ließ das Thier nach einer Weile los, an allen Gliedern zitternd floh es in einen entfernten Winkel, während der Fremde gemessenen Schrittes den Kampfplatz verließ. Alsbald stöberten die Knaben und Reiter den Stier von neuen: auf, um ihn dem Matador, welcher, das Schwert unter den: Mantel verborgen, bereit stand, nahe zu bringen. Als dies endlich gelang, versetzte ihn: der gewandte Fechter einen wohlgetrvffenen Stoß ins Herz, daß das gewaltige Thier unter dumpfem Brüllen und Röcheln zusammenbrach. Bravorufe ertönten, die Volksmenge jauchzte und klatschte Beifall, doch ihre Aufmerksamkeit wandte sich jetzt der königlichen Loge zu. In derselben war der blonde Fremde erschienen — es konnte kein Jrrthun: sein, dieses leuchtende Haar, diese hohe Gestalt war unverkennbar! Die Maske fehlte, aus Hellem Antlitze strahlten blaue Augen, ein Grund mehr das Herz der spanischen Schönen schneller schlagen zu lassen! Neue Jnbelrufe ertönten, man klatschte abermals Beifall, diesmal dem königlichen Stierkämpfer, welcber niemand Anders war, als der spätere Sachsenfürst August der Starke, der unter dem Jncognito eines Grafen von Meißen auf einer europäischen Reise begriffen, sich gerade in Spanien aufhielt. — Er war der Held des Tages, seine Körperkraft wurde sprichwörtlich, die Spanier schwuren auf seine Stärke und die Spanierinnen — auf seinen blonden Bart!
E. Brun eck.