Heft 
(1.1.2019) 10
Seite
477
Einzelbild herunterladen

Allgemeine Rundschau

477

Eine originelle Volksbelustigung. Unter den­jenigen Kurorten des Schwarzwaldes, welche alljährlich von Fremden in großer Zahl besucht werden, erfreut sich das malerisch in engem Thalgrnnde zwischen steil ansteigen­den, großentheils mit dunklen: Tannenwald bedeckten An­höhen sich hinstreckende württembergische Bad Teinach weithin einer hervorragenden Beliebtheit. Auch das württembergische Königshaus zeigte namentlich in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts eine specielle Vorliebe für das anmuthige stille Thal mit seinen heilkräftigen Quellen, und besonders war es die Königin Mathilde, eine geborene Prinzessin von England, welche in den Jahren 18l8 1828 Teinach mehrere Male besuchte. Ihrer Anhänglichkeit an das Bad gab die hohe Frau in ihrem letzten Willen durch Stiftung eines Capitals Aus­druck, dessen Zinsen zun: größten Theil zur Bertheilung an die Ortsarmen bestimmt sind, im klebrigen aber zu einer von der Dorfbevölkerung alljährlich zu veranstalten­den Feier des Jaevbi-Tages (2 5. Juli) verwendet werden. Dieses ländliche Fest, welches Fremde von nah und fern herbeizieht und nicht wenig zur Belustigung der gerade anwesenden Kurgäste beiträgt, beginnt nach einem in der Laube (Wandelbahn für die Trink-Kur bei ungünstiger Witterungl abgehaltenen Mahle mit einem Umzüge der Theilnehmer unter den fröhlichen Klängen ländlicher Musik, worauf ein Wettlaufen der Burschen und Mädchen auf dem langgestreckten Platze zwischen dem alten Palais und den: Langbau folgt. Hieran schließt sich ein von 1218 Eseln ausgeführtes Wettrennen, bei welchem es an komischen Auftritten nicht fehlt, so daß die Zuschauer oft in die heiterste Stimmung versetzt werden. Die originellste Nummer des Programms ist aber bis zuletzt aufbewahrt: unter Schalmeien - Klang beginnt nämlich jetzt der Hahnen tanz. Zu diesem Zwecke ist in der Mitte des Platzes eine Stange von doppelter Manneshöhe ausgestellt, welche an ihrer Spitze in einem Käfig von hölzernem Gitterwerk einen Hahn trägt. Unterhalb der Spitze geht seitwärts ein hölzerner Arm ab, woran ein tellerförmiges Brettchen an vier Schnüren hängt. Auf dieses Brettchen wird ein mit Wasser gefülltes Glas gestellt und dann be­ginnt der Tanz der jungen Paare um die Stange, dessen Pausen mit der Erprobung der Geschicklichkeit der Bauern­burschen ansgefüllt werden. Den Burschen ist nämlich die Aufgabe gestellt, auf ihre Tänzerin gestützt, sich einen Schwung nach oben zu geben und dabei mit den: Kopf von unten her das Brettchen zu treffen, so daß das Glas herunterfällt. Damit der Bursche dabei einen besseren Halt habe, bückt sich das Mädchen und faßt ihn gleichzeitig an den Knieriemen, wogegen er sich seinerseits bei den: Schwünge, den er sich nach oben giebt, ans die Schultern seiner «schönen stützt. Derjenige, dem dies zuerst dreimal hintereinander gelingt, gilt als Sieger und wird mit dem Hahn als den: ersten Preise belohnt, welchen: noch andere Gaben, wie Taschentücher, Tabakspfeifen w. beigefügt sind. Die übrigen Preise sind durch den Beweis hervorragender Geschicklichkeit im Erklimmen eines Kletterbanmes zu ver­dienen, welcher mit verschiedenen, dem jungen Volk er­wünschten Gegenständen behängt ist. 6t.

Zu unseren Illustrationen.

Die Jmpfstube. Von Aloys Gabt. Nächst Franz Defregger ist der nur zehu Jahre jüngere Genre­maler Alvys Gabi einer der berühmtesten von jenen Künstlern, welche in dem schönen Tyrol das Licht der Welt erblickten. Im Jahre 1862 in die Akademie zu München eintretend und zunächst bei dem durch seine ernste Richtung und religiöse tiefe Bedeutung erlangenden Historienmaler I. Schraudolph seine Studien machend und

dieselben bei dem vieles empfindenden trefflichen A. v. Ram- berg fortsetzend, trat Gabt später, wie Gab. Max, H. Makart, E. Grützner, F. Defregger und Ed. Kurzbaur, in das Atelier Karl v. Pilotys, unter dessen verständiger Leitung er erst seine volle Ausbildung und künstlerische Reife erlangte. In den Motiven seinem inzwischen durch die bekannten GemäldeJoseph Speckbacher" (1868) und noch mehr durch denNingkampf in Tyrol" (1870) allgemeines Aufsehen erregenden Landsmann Defregger nachstrebend, entstanden in rascher Reihenfolge die Hauptbilder Gabls: Haspinger, den Aufruhr predigend" (1872), das in der­selben Zeit wurzelnde Bild:Die Rekrutenaushebung in Tyrol" und ein die Rauflust der oberbayerischen männlichen Bevölkerung schildernde Darstellung, welche die Bezeichnung: Hochwürden als Schiedsrichter" führt, im Jahre 1877 entstand und sich aus seiner Ueberschrift ganz von selbst erklärt. Aber A. Gabl hat sich nicht allein in solchen Stoffen und die Sittenzustände Bayerns scharf bezeichnen­den künstlerischen Arbeiten bewegt, sondern auch mit ebenso großer meisterhafter Technik einer Reihe harmloserer, nichts destoweniger seine Zeit trefflich charakterisirender Bilder geschaffen, die, wenn wir von Gabl auch sonst nichts be­säßen, ihn doch als einen unserer ersten Sittenbildmaler erscheinen lassen müßten. Wir erwähnen von diesen nur das von uns reproducirte Bild:Die Jmpfstube", das bei vorzüglichster Lichtwirkung diesen nun auch in Bayern gesetzlich geforderten Vorgang in Gegenwart eines schon bejahrten Gemeindebeamten mit so seltener, von aller Effecthascherei völlig unberührten Treue schildert, daß man diese Versammlung liebenswürdiger junger Mütter und lebensstrvtzender Kindergestalten nicht aus dem Gedächtniß verliert und man unwillkürlich an die reizenden weiblichen Typen erinnert wird, welche uns Ed. Kurzbaur in mehreren seiner bekannten, die ländlichen Kreise zumVorwurf habenden Gemälde vorführt. Aloys Gabl steht keinem der lebenden Genremaler in der Lebendigkeit der Auffassung, in Echtheit der Wiedergabe volksthümlicher Stoffe in irgend etwas nach und ist nach unserer Meinung von allen der einzige, der berufen scheint, die von Defregger eingeschlagene natio­nale Richtung mit Erfolg weiter zu führen. s.

Herausforderung. Gemälde von K. Dort). Text von E. M. Vacano.Du hast wieder eine Geschäftsreise zu machen, Sündvr?" fragte im eleganten Clublocale in der Waitznerstraße in Budapest ein Honvödoffizier seine:: guten Freund Werba, als sie miteinander cigarrenrauchend in der tiefen Fensternische saßen. Der Honvadoffizier war braun, ausgetrocknet, der Civilist war wohlgefärbt und in der Fülle seiner Jugend und Kraft. Er hätte als antiker Herakles zum Modell diene:: können - dabei aber war er mit seinen dunklen Haaren, dunklem Bärtchen und stolzblickenden aurikelfarbigen Augen schön wie Adonis. Er war echt cavaliermäßig gekleidet und war auch cheva- leresk in der vollsten Bedeutung des Wortes, wenn er auch ein eifriger Geschäftsmann war im Lederfache.

Ja," sagte er, seine Cigarre abstreifend,ich habe »in Ledersachen« zu reisen, und zwar in die wildeste, schönste und malerischste Gegend Ungarns, um den Theiß herum."

Eine reine Geschäftsreise muß doch sehr langweilig sein, Bruderherz," sagte der Honvodoffizier.

Es kommt darauf an. Wenn ich in meinem elegan­ten Stadtanzuge fahre, mit der Gilet on eovur und Glace­handschuhen, ist eine Reise in diesen Gegenden langweilig genug. Man wird überall mit Bücklingen empfangen, von den Kutschern in glänzende, gähnende Hotels gefah­ren und was das Schlimmste ist, hat kein einziges Liebesabenteuer. Und giebt es etwas Prächtigeres als ein Abenteuer? Deshalb habe ich mich entschlossen, diesmal incognito zu reisen."