Heft 
(1.1.2019) 11
Seite
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L. Zoeller-Lionheart.

gottesbild neben geweihtem Oelzweig und Rosenkranz. Auf dem harten Lager des Eremiten lag seine braune Kutte nachlässig hingeworfen, als habe er sie eben erst abgestreift.

Georg Lenz zog Sybille hinein in die stille Klause, durch deren Fenster zu Füßen das Meer und der unbegrenzte, nur einmal noch vom Gipfel des Solaro mit der Telegraphenwarte durchschnittene Horizont hoch oben blaute.

Nur Du und ich," stammelte er trunken, zum ersten Mal in seinem Leben in besinnungsloser Leidenschaft.

In der Klause stand ein einziger Stuhl. Müde, gleichsam gebrochen von der ungewohnten Wander­schaft, sank er darauf nieder und zog Sybille, sie mit seinen beiden Armen umflechtend, auf seine Knie. Sie sträubte sich leise, glitt herab, stand neben ihm und dann, einem unwiderstehlichen Impuls, gleichsam einer höheren Macht gehorchend, ließ sie doch wieder, leise schluchzend, ihre Wange an seine sinken, wand den Arm fest um seinen Nacken, ließ sich stillselig die geschlossenen Lider, die bleichen Lippen küssen.

Es war, als wolle sie alle Glückseligkeit des Lebens in diesem einzigen Moment erschöpfen. Sie ließ sich küssen, mit leisen sanften Lippen küßte sie ihn lange, innig, sehnsuchtsvoll, wie der Verschmachtende an der Quelle sich satt schlürfen mag.

Mein!" jubelte der Glückliche.

Das zerriß den Zauber. Sie fuhr empor, löste mit angstvoller Hast ihre Hand von seinem Nacken, prallte wie vor etwas Verbotenem vor ihm zurück.

Das darf nicht sein," sagte sie schwer und ihre Arme fielen schlaff wie bei einer Tvdten au ihrem Körper herab; blaß wie bei einer Todten ward ihr eben noch so lebensvolles Gesicht. Er starrte sie entsetzt an ob dieser plötzlichen Wandlungen und durch seine Seele ging ahnungsvoll Etwas, das er irgendwo gehört oder gelesen und nun halblaut vor sich hinsprach:

Oft schau ich in Dein bleiches Angesicht Und quäle mich mit nimmermüden Fragen:

Was ohne Worte Deine Lippe spricht,

Was Deine ernsten Geisteraugen sagen.

Mich fasset dann ein heimlich Grauen an,

Wie uns im Wald befällt ein leises Zagen,

Ein Kreuz zu sehen, wo den Wandersmann Des Räuoers unheilvolle Faust erschlagen.

So dünkt mich oft Dein Haupt ein Leicheilstein, Dem nicht der Kranz des Lebens mehr beschiedcn! Der nur bestimmt, ein stilles Mal zu sein,

Wo man erschlug den schönen Seelenfrieden!"

Den schönen Seelenfrieden, ja, das war es! Der war für sie dahin mit ihrer Schuld oder durch die Schuld Anderer; sie jagte ihm ruhelos nach, wie ihrem verlorenen Schatten. Was hatte sie gefrevelt, was war an ihr gefrevelt worden? Es mußte etwas Gräßliches seilt, um als so dauernde

Signatur des Grams sich ihrem ganzen Wesen ein­zubrennen. Er mußte es erfahren, er wollte die Mauer niederrennen mit eisernem Willen, wenn es nicht eine war, über die cs für den Mann von Ehre keine Stufen giebt.

Großer Gott, wohin verirrte sich seine Seele. Sieh dieses arme geknickte Weib an, dessen angst­volle Augen jetzt in Deinem Geiste lesen, sieh diese keusche Stirn, dieses reine offene Antlitz, denk' all der tausend köstlichen Worte, die dir ihre edle Seele in den vielen Stunden des Beisammenseins erschlossen lind sie dich lieben gelehrt und Du wagst es, auch nur mit einem Zweifel diese Holde, Hehre anzntasten! Schäme Dich, kleine Seele, schäme Dich, Georg Lenz!

Er streckte ihr in schönem Vertrauen zuversicht­lich beide Hände entgegen.

Sie nahm sie nicht. Zögernd kam sie, seinem bittenden Blick gehorchend, Schritt auf Schritt an ihn heran. Da blieb sie anfgerichtet, die Hände fest über der Brust verschlungen, vor ihm stehen und sah ihn lange durchdringend all.

Wir kennen uns so kurze Zeit erst," rang es sich ganz abgebrochen, wie einem inneren Gedanken­gange folgend, ans ihr heraus.

Mehr als Manche, die ein Jahrzehnt neben einander hingedämmert, so viel Sybille, daß wir Beide deutlich fühlen: wir gehören unabänderlich zusammen!"

Und doch kann es nicht sein!"

Weshalb nicht?"

Darf nicht sein!" raffte sie sich zu immer ent schlossenerem Protest ans.

Sind Sie nicht frei, Sybille?" fragte er hastig, angstvoll.

Ganz frei," sagte sie bestimmt.

Und was steht zwischen uns?"

Das Schicksal!"

Nonsens. Eingebildete Schemen lasse ich nicht zwischen mir und meinem Lebensglück stehen, Sybille."

Es sind keine eingebildeten."

So laß mich entscheiden. Du mußt mir beichten. Du hast die Pflicht dazu," sprach er mit leiden­schaftlichem Nachdruck auf sie ein.

Ich weiß es," sagte sie niedergeschlagen und doch ergebungsvoll und ihre Hände rangen sich angstvoll in einander. Dann mit verzweifelter Entschlossenheit:Sag mir Eins: Glaubst Du, daß Schopenhauers tieftraurige Behauptung wahr ist? Folgen wir in unserem Thun einer dunklen Vor- herbestimmnng oder hat er Recht, wenn er sagt: So steht auch ganz empirisch jedes Wesen als sein eigeiles Werk vor uns. Aber man versteht die Sprache der Natur nicht, weil sie zu einfach ist: Großer Gott, ich habe mir über diesen vernichtenden