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Or. I. Steinbeck. Die Jubiläums-Runstausstellung in Berlin.
eleganten Cafes sitzen Hunderte von Menschen und lauschen den Klängen eines Strauß'schen Walzers, die vom nahen Orchester herüber tönen. Vor ihnen promeniren lachend und schwatzend andere Hunderte. Die elegante Berliner Welt hat hier ihr Stelldichein, und sie benutzt die letzten Tage, bevor die nahe bevorstehenden Ferien die Mehrzahl von ihnen in die Berge der Schweiz, Thüringens und Sachsens, oder an den wellenschlagenden Strand der Nord- und Ostsee entführen wird, zu einer letzten Begegnung mit Freunden und Bekannten, zur Verabredung eines Zusammentreffens vielleicht im fernen Engadin oder im nahen Kosen. Die berühmte Lästerallee des Zoologischen Gartens hat hier ihr würdiges Gegenstück gefunden, hier wie dort sind die hervorragendsten Typen der Berliner Gesellschaft würdig vertreten: der jüdische Banquier und der schneidige Reiteroffizier, die Dame der ganzen und die der halben Welt, dazwischen ab und zu ein scharfgeschnittener Künstlerkopf und der Vertreter des ernsten, soliden Beamtenthnms; selten mischt sich in dieses Gedränge eine Grupp.e schlichter Bürgersleute. Die sitzen gemächlich weiter hinten vor der Restauration und laben sich am Dreher'schen Bier, oder legen bei Hefter in der Wurstbnde ein Mägenpflaster auf das durch die lange Wanderung in den Sälen erzeugte Gefühl der innern Hohlheit. Wir winden uns durch das Gewühl und gelangen zu einein wunderbaren Bau des berühmten klassischen, ehemals nassen Dreiecks. Hier haben die Künsten, die doch eigentlich „dieNächsten dazu sind", sich ein entzückendes Heim für die Dauer der Ausstellung gebaut. Das getreue Abbild einer Osteria, mit dem Aufwand echt künstlerischer Phantasie und schalkhaften Humors von den Besten der Berliner Knnstgemeinde herrlich geschmückt, lacht uns entgegen. Freilich, der Eintritt ist nur denen gestattet, die „znni Bau" so oder so gehören, allein die Begleitung unseres künstlerischen Freundes schafft uns auch hier offene Thüren. Von der Plattform des Gebäudes haben wir eine vortreffliche Ueber- sicht über das Ganze des Ansstellnngsparkes. Unser Künstler hat in seiner ersten Zeichnung unten rechts ein getreues Abbild von dem Aeußeren dieser Partie des klassischen Dreiecks gegeben; die reizende Ausstattung des Innern freilich muß inan sehen, um eine
Vorstellung von seinem Neichthum an Witz und Humor und seiner originellen Ausstattung zu haben. Wir wandern nach kurzer Rast weiter. Unser Weg führt uns vor einen ernst und fast grell gegen das laute moderne Treiben zu feinen Füßen abstechenden Bau. Es ist die Reconstruction des ägyptischen Heiligthums von Dakieh vom Battrath Adolf Heyden in Berlin. Sein Inneres birgt ein vortreffliches Diorama afrikanischer Ansichten, an denen die Maler Bracht, Eschke, Gentz und Salzmann mit anderen Meistern in vorzüglicher Weise geschafft haben.
Von drüben her blinkt im bläulichen Licht der elektrischen Flamme ein majestätisches Gebäude mit mächtigen weißen Säulen uns entgegen. Hier wird es stiller, das Gewühl der Menschen weicht zurück und mit ernsten, ja andächtigen Gefühlen nähern wir uns dem Tempel des Zeus zu Olympia, dessen Ostgiebel in peinlicher Sorgfalt und genau nach dem Original der genannte Architekt Heyden recon- strnirt hat. Wir schreiten langsamen Schrittes die breiten Treppen empor, uns im Innern an dem herrlichen Panorama von Pergamon zu erfreuen, das drinnen die Maler Koch und Kips auf die Leinwand gezaubert haben.
Aber genug und übergenug des Schönen! Unser Geist faßt nicht mehr, seine Spannkraft versagt und wir müssen uns für hellte bescheiden. Nur noch einen Augenblick des Ansrnhens vor der Restauration, ein träumerischer Blick über den malerischen kleinen See und die zierliche Hängebrücke über denselben, dann treten wir den Heimweg an. Von drüben, voll der Moabiter Neiterkaserne, schallen die langgezogenen Töne des Zapfenstreiches feierlich herüber, als wir die Stufen znm Ausgange wieder emporsteigen. Aber viel mehr Menschen, als hinauf mit uns gehen, strömen die Treppe herab. Es ist ja erst 9 Uhr, der Abend beginnt ja erst für den Großstädter. Wir aber sind froh, dem lauten Gewühle für heute entronnen zu sein, und müde, fast übersättigt von gewaltigen Eindrücken, besteigen wir das Verdeck des Eisenbahnwagens, der uns schnell durch die lalle Sommernacht den heimischeil Penaten zuführt. Adieu und auf Wiedersehen in der Kunstausstellung! Das ist für jetzt und die nächsten Monate die Losung Berlins.