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(01/01/2019) 11
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Der todte Tambour.

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Geh' nach Hanse, mein Kind, geh! Deinem Freunde soll kein Leid geschehen. Der Vater Toinette Devreux's wird der Erste und der Letzte sein, dem Davoust je paräon gegeben. Einem unter Tausenden! Morgen ist er frei."

Am Abend desselben Tages ging der Marschall in seinen Mantel gehüllt zu Fuß und allein nach dem Militär-Arrest und ließ in aller Stille den Tambour Legrand zu sich in's Sprechzimmer führen. Wunderseltsam war der Blick, mit dem er den er­grauten Alten maß, und wunderseltsamer noch seine Unterredung mit demselben. Niemand hat sie belauscht, doch als sie beendet, wußte Le­grand, wo er seinen Todfeind zu suchen hatte, und der Marschall wußte was aus Toinette Devreux geworden war! Man fischte eines Morgens den jungen, schönen, triefenden Körper aus der Seine sie hatte den Tod dem ehrberaubten Leben vorgezogen.

Davoust verkündete selbst dem alten Tambour, daß er mit dem hereinbrechenden Tage frei sei, da er sein Vergehen einer plötzlichen Geistesstörung zuschreibe und alle Verantwortung auf sich nehme.

Und er war frei! Mit dem hereinbrechenden Tage fand man Legrand an der Thür seines Ge­fängnisses erhängt! er wollte lieber sterben, als dem Marschall seine Befreiung danken.

Antonie Normann sah ihren alten Freund nicht wieder.----

Es naht der Tag der Freiheit und der Rache,

Nun ist es Zeit - nun, deutsche Frau, erwache!

Ein guter Engel für die gute Sache.

So hatte Körner gesungen, und jener Tag war herangenaht die Schlacht von Leipzig war geschlagen und wenn Luisens Auge auch den Sieg ihres Volkes nicht mehr sah, ihr Geist beseelte die Streiter Preußens und ließ Alt und Jung begeistert theilnehmen an dem großen Rettungswerke.

Das stolze Davoust'sche Corps lag znm größten Theil in Rußlands Schneefeldern gebettet aber ln Brunos war unerschöpflich, immer wieder schlossen sich die Reihen, über die Grenze schwärmten, Hor­nissen gleich, immer wieder neue Schaaren, mit denen der grollende, erbitterte Heerführer sich auf das unglückliche Hamburg warf, um dort noch ein­mal in der ihm eigenen, grausamen ArtRevanche" zu nehmen.

Es war in der Nähe der zum Opfer auser­sehenen Reichsstadt, als der Marschall mit seinem Stabe in einer kleinen, noch von Franzosen besetzten Citadelle Halt machte. Dort nahm er für eine Nacht Quartier, um einestheils seiner erschöpften Umgebung eine kurze Raft zu gönnen, anderentheils

II. 2.

die Bestätigung zu erwarten, daß ein kläglicher Rest des Oudinot'schen Corps sich mit dem seinigen vereinigt habe. Diese Nachricht traf ein, und der Unermüdliche, der nur kurzer Ruhe bedurfte, ver­ließ die kleine Festung am frühen Morgen wieder.

Als er mit seinen Offizieren durch die lange, stille Straße ritt, that sich beim Gedröhn der Pserdehufe hier und da ein Fenster wie ein ver­schlafenes Auge auf, schloß sich aber schnell wieder, sobald der Ausschauende den Gefürchteten erkannte, den schonungslose Zerstörungslust noch mit einer Art kalten Ruhmesscheins umgab und an dessen erzhartem Wesen fernere harte Jahre geschmiedet hatten.

Ausgangs der Straße mußte er sein Pferd zügeln, um nicht in einen wirren Haufen Soldaten und Volks zu geratheu, der sich vor ihm demThore zu bewegte.

Was giebt es da für eine frühe Belustigung," rief er gereizt seinem Adjutanten zu. welcher spöttisch lächelnd erwiderte:

Nicht die seltenste in jetziger Zeit eine Exeeution!"

Der Marschall war dem Volksauflauf so nahe gekommen, daß er jetzt selbst inmitten desselben den jungen, ländlich gekleideten Mann gewahrte, der ge­senkten Hauptes zwischen den Wachen dahin schritt dem dunkelgähnenden Festungsthore zu, durch welches es für ihn nie einen Rückschritt gab dem trüben Nebelmeere der Felder entgegen, das sich vor ihm, dem großen, uferlosen Meere der Unendlichkeit gleich, ausbreitete. Dicht vor dem Verurtheilten marschirte ein blutjunger Tambour, der schläfrig ein wenig mit der Trommel rasselte und hinter ihm neun französische Schützen, die Musketen nachlässig im Arm, ganz uugenirt mit einigen folgenden Spatenträgern plaudernd, als ginge sie dieatlnirs" außerordentlich wenig au, oder als suchten sie doch so leicht wie möglich über die nicht gerade erwünschte Morgenarbeit hinweg- znkommen.

Kein theilnehmendes Auge, den letzten Blick des Unglücklichen tröstend aufzufangen, kein liebevoll herabgebeugtes Haupt, sein Todesstammeln als das theuerste Vermächtniß für die Seinen zu erlauschen, kein Abschiedsdruck von Freundeshand. Kalt, starr und öde wie die sterbende Herbstnatur lag die letzte schwere Stunde ans ihm, ihn hülflos allein lassend mit der schlimmsten Gefährtin auf dem Todesgange: der lebensfreudigen Jugeud- kraft.

Was hat der Delinquent verbrochen?" fragte Davoust kurz.

Ein Spion," entgegnete verächtlich der Adju­tant.Durchlaucht erinnern sich wohl noch der gestrigen Meldung des Commandanten, daß ein

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